1. Oktober 2018

Gschwind kritisiert "Starke Schule"


Frau Gschwind, seit 2013 lernen die Baselbieter Primarschüler mit «Milles Feuilles» Französisch. Das Lehrmittel schneidet bei den Lehrern miserabel ab, wie Hearings gezeigt haben. 
Monica Gschwind: Ich war bei allen Hearings dabei. Es gibt Lehrpersonen, die die Französisch-Lehrmittel gänzlich ablehnen, aber auch solche, die gerne damit arbeiten. Dies zeigt auch die Petition der Delegiertenversammlung der Primarlehrerkonferenz, die sich einstimmig für die drei Lehrmittel «Mille Feuilles», «Clin d’Oeil» und «New World» einsetzt. Tatsache ist aber, dass die Lehrmittel auch bei den Eltern sowie den Schülerinnen und Schülern stark umstritten sind. Aus dieser Situation müssen wir einen Ausweg finden. 
"Ein Lehrmittel-Verbot ist überzogen", Basellandschaftliche Zeitung, 1.10. von Hans-Martin Jermann


Was halten Sie persönlich von den kritisierten Fremdsprachen-Lehrmitteln? 
Die Fremdsprachen-Lehrmittel folgen einer speziellen Didaktik, zu welcher die sechs Kantone im Rahmen von «Passepartout» Ja gesagt haben. Ich habe selber einige Französisch-Lektionen an der Primarschule besucht. Meine Wahrnehmung ist, dass die Lehrpersonen im Französisch-Unterricht neben dem Hauptlehrmittel ergänzend und unterstützend zahlreichere weitere Materialien einsetzen. Der Fremdsprachen-Unterricht wird sehr stark geprägt von den jeweiligen Lehrpersonen – und das ist auch gut so. Was zählt, ist ja, dass unsere Schülerinnen und Schüler Fremdsprachen gut lernen. Die Lehrmittel sind dabei wichtig, ihre Bedeutung kann aber auch überschätzt werden. 

Was sind aus Ihrer Sicht die Mängel von «Milles Feuilles» und Co.? 
Kritisiert wird zum Beispiel, dass sie wenig Struktur und Allgemeinwortschatz aufweisen sowie zu wenig Übungsmaterial für schwächere Schüler bieten. Hier wurden teilweise schon Verbesserungen erzielt, indem Zusatzmaterial nachgeliefert wurde. Ein Lehrmittel ist aber nicht die einzige Grundlage für den Unterricht, weder bei den Fremdsprachen, noch in anderen Fächern. Bei Umfragen unter Lehrpersonen schneiden Lehrmittel generell eher schlecht ab. 

Der Landrat hat im Februar Ja gesagt zu einer nicht formulierten Initiative, die den «Passepartout»-Ausstieg fordert. Nun sind Sie mit einer Task-Force an der Umsetzung. Wo stehen Sie? 
Als Bildungsdirektorin setze ich mich für einen gangbaren Weg aus der Blockade ein und möchte deshalb den Grundsatz der Lehrmittelfreiheit im Gesetz verankern. Die Lehrerinnen und Lehrer sind die Profis. Sie sollen in ihren Fächern auf Basis ihrer pädagogischen Grundsätze aus einer vorher festgelegten Auswahl selbst entscheiden können, welche Lehrmittel sie in welchem Mass einsetzen. 

Soll es neu ein Leitlehrmittel geben? 
Nein. Der Bildungsrat soll mehrere von Experten empfohlene Lehrmittel definieren, die in einem Fach zur Verfügung stehen. Diese Wahlfreiheit soll nicht «nur» für die Fremdsprachen gelten, sondern für alle Fächer. Der Lehrplan gibt die Ziele vor, welche die Schüler am Ende jeder Klasse und jeder Stufe erreichen sollen. 

Damit widersetzen Sie sich aber dem Willen des Landrats. Mit dem «Passepartout»-Ausstieg verbunden war die Forderung nach einer Abkehr von den kritisierten Lehrmitteln. 
Die Initiative ist nicht formuliert, was Spielraum bei der Umsetzung bietet. Den will ich nutzen. Ich habe in der Task-Force Vertreter aus sämtlichen Anspruchsgruppen und den Fraktionen eingeladen. Wir arbeiten sehr konstruktiv zusammen und stehen kurz vor einer Einigung. 

Nun ist das Komitee «Starke Schule» offensichtlich nicht zufrieden mit der Umsetzung und macht Druck mit einer neuen Volksinitiative. Diese fordert ein Verbot von «Mille Feuilles». 
Ich hatte gehofft, die Vertreter der «Starken Schule» mit dem Prinzip der Lehrmittelfreiheit überzeugen zu können. Das ist offensichtlich nicht gelungen. Ich bedaure, dass die «Starke Schule» jetzt mit einer Initiative Druck machen will. Sie löst keine Probleme, sondern trägt zur Verhärtung der Fronten bei und ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht konstruktiv. Die Initiative schafft zudem neue Unsicherheit bei den Eltern und ist ein schlechtes Signal an die Schüler und die Lehrpersonen. Ein Verbot einzelner Lehrmittel ist überzogen und ausserdem schwierig umzusetzen. 

Beeinflusst die neue Initiative die Umsetzung der «Passepartout»-Vorlage? 
Für ihre neue Verbots-Initiative muss die «Starke Schule» nun zuerst Unterschriften sammeln. Unser Fahrplan ist, im Februar 2019 dem Landrat eine Umsetzungsvorlage zur «Passepartout»-Initiative vorzulegen. Das Parlament wird diese bis zu den Sommerferien beraten. Anschliessend wird eine Volksabstimmung angesetzt. Ich hoffe, dass bis Ende 2019 das Geschäft abgeschlossen ist. Wir möchten möglichst schnell aus der aktuellen Unsicherheit raus. Eine Expertengruppe ist wie gesagt daran, neue und zusätzliche Fremdsprachen-Lehrmittel zu evaluieren. Vergessen wir nicht: Es gibt im Kanton Baselland derzeit keine geprüften FremdsprachenLehrmittel neben den aktuell eingesetzten und kritisierten. Eine Tauglichkeitsprüfung ist aber unabdingbar. 

In einer zweiten Initiative fordert die «Starke Schule» maximal 1000 Kompetenzbeschreibungen im Lehrplan. Damit verbunden ist der Vorwurf, Sie würden Kompetenzbeschreibungen und Stoffinhalte nicht gleich gewichten. 
Wir haben einen Lehrplan erarbeitet, der Stoffinhalten, Themen und Kompetenzen das gleiche Gewicht gibt. Dieser Lehrplan ist am 13. August 2018 eingeführt worden. Wir stehen im Moment mitten einem laufenden und strukturierten Prozess, in dem jede Fachlehrperson den Lehrplan beurteilt und Rückmeldung gibt. Die Initiative ist zum jetzigen Zeitpunkt unnötig. 

Die «Starke Schule» lanciert neue Initiativen, während ihr Kopf Jürg Wiedemann in der von Ihnen geleiteten Task-Force über die Zukunft der Lehrmittel diskutiert. Ist Wiedemann als Task-Force-Mitglied noch tragbar? 
Jürg Wiedemann muss sich selber die Frage stellen, ob es Sinn macht, unter diesen Vorzeichen noch Task-Force-Mitglied zu sein. Ich habe Stimmen aus der Task-Force gehört, die sein Vorgehen stark kritisieren. Das müssen wir an der nächsten Sitzung ausdiskutieren. Grundsätzlich möchte ich die «Starke Schule» weiterhin einbinden, besonders bei der Prüfung und Evaluation der neuen Fremdsprachen-Lehrmittel. 

Die «Starke Schule» war 2015 bei Ihrer Wahl in die Regierung eine wichtige Stütze. Ist das Verhältnis zum Komitee und zu Jürg Wiedemann abgekühlt? 
Ich habe mit der «Starken Schule» keinen Vertrag. Ich pflege weiterhin intensive Gespräche mit ihren Vertretern, wie mit allen anderen Anspruchsgruppen auch. Es geht nicht um das Wohlfühlen, sondern um sachliche und gute Kompromisse.

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