Manchmal retten sich
Lehrerinnen und Lehrer in Schlaumeiereien. Der Sohn muslimischer Eltern will
auf dem Schulausflug keinen Cervelat essen? Gut, dann gibt es halt eine
Olma-Kalbsbratwurst – der Kleine muss ja nicht wissen, dass darin auch Schwein
steckt. Ist das eine Lösung? Wohl kaum.
Religiöse Vorschriften gehören nicht an Schulen, NZZ, 5.9. von Simon Hehli
Die
Anekdote aus der Schulpraxis ist ein Beispiel dafür, dass es vor lauter
Essensgeboten und -verboten langsam unübersichtlich wird. Besonders umstritten
ist der Genuss von tierischen Produkten. Es gibt rationale Gründe, weniger
davon zu essen oder ganz damit aufzuhören: Zu viel rotes Fleisch tut dem
menschlichen Körper nicht gut, das Tierwohl wird bei einem beträchtlichen Teil
der Produktion nicht besonders grossgeschrieben, und auch die Umwelt und das
Klima leiden unter dem exzessiven Konsum. Eher irrational sind hingegen rein
religiös begründete Nahrungstabus, die jahrhundertealten «heiligen» Schriften
entspringen – und damit sieht sich die Schweizer Gesellschaft wegen der
Zuwanderung aus islamischen Ländern häufiger konfrontiert. Ein muslimisches
Kind trüge gewiss keinen Schaden davon, würde es ein Stück Schwein essen. Die
Verletzung menschengemachter Regeln führt nicht zu ewiger Verdammnis, von
solchen Ängsten hat uns die Aufklärung befreit. Das ist natürlich kein Grund,
muslimischen oder jüdischen Kindern in der Mensa oder im Klassenlager Cervelats
und Schinkengipfeli aufzuzwingen; es wäre ein eklatanter Verstoss gegen die
Glaubensfreiheit der Schüler und ihrer Erziehungsberechtigter. Ebenso klar ist,
dass das Singen frommer Lieder vor Weihnachten – sofern dies überhaupt noch
Platz in der Volksschule hat – freiwillig sein muss. Diese Angelegenheiten sind
anders gelagert als der gemischte Schwimmunterricht, Klassenlager oder die
Sexualaufklärung: Ungleich dem Schweinefleischessen sind diese Fälle in einem
säkularen Staat Teil des obligatorischen Lehrplans, weshalb sich die Schule
über die Bedenken religiös fanatischer Eltern hinwegsetzen darf und muss.
In
Bezug auf das Essen sind damit aber nicht alle heiklen Fragen beantwortet.
Eine, die öfter im Raum steht: Sollen auch Christen und Atheisten dem
Schweinefleisch entsagen, aus Rücksicht gegenüber den muslimischen Mitmenschen?
Wenn ein privates Unternehmen aus Imagegründen oder rein praktischen
Überlegungen – es kann einfacher sein, nur Poulet-Hotdogs anzubieten statt eine
weitere Sorte mit Schwein – den Speiseplan anpasst, ist dagegen nichts
einzuwenden. Anders sieht es an Schulen und in Mensen und Kantinen aus. Dass
sie aus vorauseilendem Gehorsam Schweinefleisch verbannen, passiert bis jetzt
nur sehr selten. Und das sollte auch so bleiben, einen Anstieg solcher Fälle
gilt es zu verhindern. Kämen religiöse Bevormundungen schleichend zurück in den
Alltag der kirchenfernen Mehrheit, wäre dies gefährlich – zumal sich fromme und
andere Eiferer ermutigt fühlen könnten, immer weitere Forderungen zu stellen.
Den meisten muslimischen Eltern ist ohnehin egal, was die nichtmuslimischen
Klassenkameraden ihrer Kinder auf dem Teller haben; die kleine, aber laute
Gruppe der Fundamentalisten verdient kein Gehör.
Nichts
spricht dagegen, dass Lehrer nach «pragmatischen» Lösungen suchen. Doch diese
dürfen nicht so aussehen, dass die ganze Klasse auf Spareribs und Bratwurst zu
verzichten hat. Wenn muslimische Eltern beim Grillfest auf Sonderbehandlung
pochen, sollen sie ihren Sprösslingen eben Halalfleisch mitgeben. Das kann dann
auf dem Rost ganz aussen liegen, mit Sicherheitsabstand zu den brutzelnden
Schweinesteaks – und neben den Maiskolben und den Quornschnitzeln der
Veganerkids.
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