9. September 2018

Bündner Initiativen zu Fremdsprachen und Lehrplan 21

Die Bündner sind die Letzten: Am 23. September entscheiden sie über die Streichung einer zweiten Fremdsprache in der Primarschule. In den anderen Kantonen, in denen in den letzten Jahren derartige Initiativen vors Volk gelangten, wurden diese verworfen, zuletzt am 10. Juni in Baselland: Die Stimmbürger lehnten eine Initiative deutlich ab, die den Unterricht in der zweiten Fremdsprache von der Primar- in die Sekundarschule verschieben wollte. Zuvor hatte schon in Zug das Kantonsparlament gegen einen entsprechenden Vorstoss von SVP- und FDP-Kantonsräten gestimmt, und vor Jahresfrist blieb das Anliegen auch vor dem Luzerner Stimmvolk chancenlos.
Ein letztes Aufbäumen im Sprachenstreit, NZZ, 9.9. von Jörg Krummenacher


Nun also erfolgt in Graubünden das vorerst letzte Aufbäumen der Initianten aus Lehrerschaft, Eltern- und Gewerbekreisen. Dass Graubünden die rote Laterne im Sprachenstreit trägt, hat mit einer Zusatzschleife über das Bundesgericht zu tun. Die Initiative «Nur eine Fremdsprache in der Primarschule» war schon 2013 eingereicht, dann vom Grossen Rat aber für ungültig erklärt worden – zu Unrecht, wie letztlich das Bundesgericht entschied. Die Initiative stehe nicht, wie vom Parlament behauptet, im Widerspruch zu übergeordnetem Recht: Auch bei Annahme der Initiative bleibe es möglich, befanden die Lausanner Richter, bis nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit wie verlangt zwei Fremdsprachen zu lernen.

Bündner Sprachengraben
Graubünden ist ein Spezialfall. In den meisten Deutschschweizer Kantonen war das Frühfranzösisch Stein des Anstosses, in Graubünden ist es das Frühitalienisch. Hier ist die Ausgangslage mit drei Muttersprachen, die gesprochen, gelebt und unterrichtet werden, komplizierter: Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch. Auch hier gilt zwar das Prinzip, wonach die erste Fremdsprache ab der dritten und die zweite ab der fünften Primarklasse gelehrt wird, wobei eine Fremdsprache eine Landessprache sein muss. Unterschieden wird aber zwischen Deutschbünden und den romanischsprachigen Gemeinden und den Südtälern: In Deutschbünden ist die erste Fremdsprache Italienisch oder Romanisch, die zweite Englisch, während im romanisch- und italienischsprachigen Raum zuerst Deutsch und dann Englisch gelehrt wird.

Der Sprachengraben manifestiert sich denn auch bei dieser Initiative: Sie ist in Deutschbünden lanciert worden und verlangt, dass dort zuerst Englisch und erst ab der Oberstufe Italienisch unterrichtet werde. Niemand habe Lust, in der Primarschule Italienisch zu lernen, sagen die Initianten. Für die romanisch- und italienischsprachigen Regionen postulieren sie hingegen Deutsch auf Primar- und Englisch auf Sekundarstufe. Kein Wunder, fühlen sich die beiden Dachorganisationen Lia Rumantscha und Pro Grigioni Italiano brüskiert und lehnen die Initiative strikte ab.

Geringes Interesse
Hohe Wellen schlägt die Abstimmung allerdings nicht. Dies zeigte sich auch bei der Urabstimmung, die der Bündner Lehrerverband zur Fremdspracheninitiative durchführte: Nur gut ein Fünftel aller Lehrkräfte nahm daran teil; 53 Prozent lehnten die Initiative ab. Deutlich war auch die Ablehnung im Grossen Rat: 93 Parlamentsmitglieder sagten Nein, 17 Ja.

Die Chance auf ein Ja durch das Stimmvolk ist entsprechend gering, auch wenn die Initianten die Wirksamkeit des doppelten Fremdsprachenunterrichts in der Primarschule hartnäckig infrage stellen und darauf hinweisen, dass viele Schüler überfordert seien. Hoffnung dürfen sie sich womöglich mit Blick auf eine für 2019 angekündigte Evaluation auf nationaler Ebene machen, die erstmals Aufschlüsse über den fremdsprachlichen Lernerfolg liefern soll.

Mehr Mitsprache
Der Disput über die Volksschule wird dem Bündner Stimmvolk auch nach dem 23. September erhalten bleiben. Noch sind nämlich gleich zwei Initiativen hängig, die mehr Mitsprache von Parlament und Volk bei wichtigen Bildungsfragen und bei den Lehrplänen fordern und sich im Prinzip gegen den Lehrplan 21 richten. Auch diesem Ansinnen haben im Lauf der letzten Jahre sämtliche Kantone eine Abfuhr erteilt. Das dürfte schliesslich auch für Graubünden gelten, wo der Lehrplan seit Beginn dieses Schuljahrs in Kraft ist. Der Grosse Rat hat die beiden Initiativen Ende August klar abgelehnt. Die Lust, sich durch über 400-seitige Lehrpläne zu kämpfen, scheint nicht besonders gross.


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