Es fing
bei Managern an, heute haben wir Kinder mit Burn-out. Eine Folge des
Leistungsdrucks an den Schulen?
Remo Largo: Dass
Kinder in der Schule leistungsmässig unter Druck gesetzt werden, gehört zum
Wesen einer Leistungsgesellschaft. Auch die Schule steht unter Druck, aus
Wirtschaft und Politik kommen ständig neue Forderungen, was sie alles leisten
soll. Es gibt noch einen anderen Punkt, den ich gravierender finde, über den
aber kaum gesprochen wird: Viele Eltern haben Existenzängste, spätestens seit
der Finanzkrise 2008.
Interview mit Remo Largo "Der Druck hat zugenommen", Sonntagszeitung, 19.8. von Fabienne Riklin und Nadja Pastega
Das wirkt
sich auf die Kinder aus?
Natürlich.
Als Eltern will man die Kinder möglichst fit machen, damit sie es genauso gut
oder noch besser haben als die Eltern. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch
verständlich. Die Frage ist einfach, ob man Kinder so tatsächlich fit machen
kann.
Das
klingt nicht, als ob Sie das glaubten.
Wir
hatten Sommerferien. Und was ist passiert? Die Eltern üben mit ihren Kindern,
damit diese möglichst gut vorbereitet sind für die Prüfungen im neuen
Schuljahr, man schickt sie in Lernstudios oder in die Nachhilfe. Oder die
Kinder werden therapiert, wegen Legasthenie, Dyskalkulie oder was auch immer.
Eine grosse Zahl von Fachleuten ist damit beschäftigt, die Kinder zu optimieren
– was meines Erachtens nicht möglich ist.
Warum?
Man kann
Kinder nicht über ihr Begabungspotenzial hinaus fördern, sondern sie höchstens
ihr Potenzial realisieren lassen. Eltern und Schule wollen aber mehr.
Was muss
sich konkret ändern?
Man
müsste mal darüber reden, was wir für junge Erwachsene wollen. Wir haben ein
Schulsystem, in dem der Schüler hochgradig fremdbestimmt ist. Man sagt ihm im
Grunde vom ersten bis zum letzten Schultag, was er zu tun hat. So programmiert
kommt er dann in die Arbeitswelt – er wartet darauf, was er zu tun hat. Das ist
eine Katastrophe. Und dann jammert die Wirtschaft, die Jugendlichen seien nicht
kreativ, nicht initiativ. Das ist ja kein Wunder, weil man ihnen jede eigene
Aktivität völlig genommen hat. Nur wenn sie selbstbestimmt lernen konnten,
werden sie auch kreativ sein.
Wenn man
Ihnen folgt, muss man die Schule komplett neu ausrichten.
Dass die
Kinder am Ende der Schulzeit ein gutes Selbstwertgefühl und eine gute
Selbstwirksamkeit haben, finde ich genauso wichtig wie alles, was sie lernen.
So wie es jetzt läuft, haben das die meisten nicht. Weil sie so drangsaliert
werden mit Druck, Prüfungen und Noten.
Hat das
zugenommen?
Es war
schon früher schlimm. Aber ich denke, dass es noch zugenommen hat.
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