31. August 2018

Indoktrination durch Lehrmittel

Warum wird man Lehrer oder Lehrerin? Ist es das besondere Flair für Pädagogik und Didaktik? Ist es die Begeisterung für das eigene Fachgebiet, die man weitergeben möchte? Ist es die Freude am Umgang mit Kindern und Jugendlichen? Sicher all das. Und eine Portion Idealismus: Lehrerinnen und Lehrer wollen wirken und bewirken, Zustände verbessern, Zukunft gestalten. Ohne solchen Idealismus wäre der Beruf nur halb so schön und wären viele Lehrer nur halb so gut.
Propaganda hat in der Schule nichts zu suchen, NZZ, 31.8. von Michael Schoenenberger


Allerdings: Weil die Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche stets möglich ist, sind gleichzeitig ein grosses Verantwortungsgefühl und hohe ethische Standards zwingend. Gerade bei Geschichts-, aber auch bei Deutschlehrern ist der Einflussbereich gross. Themen können ausgiebig behandelt, nur gestreift oder ausgelassen werden. Der Geschichtsunterricht wird ständig begrenzt, die Unterrichtszeit wird für vermeintlich Wichtigeres verwendet. Lehrer setzen Schwerpunkte so oder anders – oder nicht. Sie können im Unterricht Wertungen vornehmen, anleiten, kommentieren. Sie wählen Bücher aus oder nicht. Der Grat zwischen Einflussnahme, Steuerung, Meinungsmache bis hin zur Manipulation auf der einen Seite und der Stärkung von Wissen und dem unabhängigen und differenzierten Denken auf der anderen Seite ist schmal.

Gute Lehrerinnen und Lehrer wissen das. Sie achten darauf, den Kindern und Jugendlichen alle Aspekte offenzulegen, sie nicht zu indoktrinieren, sondern zu kritischen und urteilsfähigen Erwachsenen heranzubilden.

Umso störender ist es, wenn Lehrmittel in bestimmten Themengebieten jegliche Ausgewogenheit vermissen lassen. So wie das beim neuen Lehrmittel «Gesellschaften im Wandel» der Fall ist, das von «ausgewiesenen» Fachleuten ganz nach den Regeln der Kunst und kompatibel mit dem Lehrplan 21 entwickelt worden ist. Der Blick ins Lehrmittel offenbart ganz anderes. Frei nach dem Motto «Wer ernten will, muss säen» werden den jungen Menschen in diesem Lehrmittel ideologische und politische Glaubenssätze vermittelt, die nur eines zum Ziel haben können: den Nachwuchs auf die links-grüne politische Linie zu bringen. Das ist Anleitung zum «richtigen Denken» und ein Vergehen an der Bildung im humanistischen Sinne. Solche Lehrmittel gehören überarbeitet oder noch besser: aus dem Verkehr gezogen.

Nun wird leider mit aller Deutlichkeit ein wichtiges Dilemma offensichtlich. Es klingt gut, nach mehr politischer Bildung an der Volksschule zu rufen. Die Umsetzung ist wesentlich heikler. Was genau ist politische Bildung? Dazu gibt es zwar Literatur, und Fachleute können beredt Auskunft geben. Wenn man sie reden hört, scheint alles ganz harmlos und unproblematisch zu sein. Dann aber entstehen Lehrmittel wie das genannte. Es zeigt sich: Zu leicht kann solcher Unterricht propagandistisch unterfüttert werden.

Die Problematik reicht weiter: Das im Auftrag vom Bund und den Kantonen agierende Kompetenz- und Dienstleistungszentrum für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), kurz Education 21, hat eine politische Schlagseite. Hier finden Schulen «Finanzhilfen für Schul- und Klassenprojekte und Angebote von schulexternen Akteuren». Heute treten Vertreter von Greenpeace in den Volksschulen auf. In Sekundarschulen verbreitet das Hilfswerk Caritas in Projektwochen seine Thesen zum Thema Armut in der Schweiz. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, wenn gleichzeitig die Gegenseite auch zu ihrem Auftritt kommt. Sonst allerdings verkommt BNE zum Vehikel, das dazu dienen soll, politische Überzeugungen und Ideologien in die Köpfe der Kinder zu hämmern.


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