Immer mehr Kinder werden für das erste
Kindergartenjahr zurückgestellt. In Derendingen geht man deshalb neue Wege und
erlaubt in Einzelfällen einen provisorischen Kindergarteneintritt.
Einschulung mit 4 Jahren zu früh? Derendingen probt einen provisorischen Kindergarteneintritt, Oltner Tagblatt, 11.8. von Rahel Meier
Am Montag startet das neue Schuljahr. Für die
Kleinsten, die Kinder, die in das erste Kindergartenjahr kommen, ist dies oft ein
grosser Schritt. Mit der Harmonisierung des Schulwesens im Jahr 2012 wurde der
Stichtag für den Schuleintritt schrittweise vom 30. April auf den 31. Juli
verschoben. Das heisst, dass Kinder laut Volksschulgesetz bereits knapp nach
ihrem vierten Geburtstag eingeschult werden können. Viele Eltern empfinden das
als zu früh und machen von ihrem Recht Gebrauch, die Kinder ein Jahr
zurückzustellen.
Kein Gehör gefunden
Die Wasserämter Schulleiter treffen sich
regelmässig in der sogenannten «Slk15» (Schulleiterkonferenz). Dabei wurde
festgestellt, dass das Zurückstellen der Kinder für das erste Kindergartenjahr
allgemein zugenommen hat. Die Schulleiter wollten deshalb gemeinsam ein
Pilotprojekt für «eine freiwillige Repetition im Kindergarten» lancieren, und
unterbreiteten diese Idee dem Volksschulamt (VSA). Dieses hat jedoch abgelehnt.
Die wichtigste Begründung dabei war, dass von einer
Repetition bereits in der ersten Stufe der Volksschule möglichst abgesehen
werden solle. Auch ein Auftrag von Kantonsrat Michael Ochsenbein
(Gemeindepräsident Luterbach), der einen «weichen Einstieg in den Kindergarten»
verlangte, wurde negativ beantwortet.
Ochsenbein forderte die Möglichkeit eines
versuchsweisen Eintrittes in den Kindergarten, mit dem es Eltern möglich wäre,
Kinder wieder zu dispensieren, wenn sich herausstellt, dass sie dem
Kindergarten-Alltag noch nicht gewachsen sind. Als weitere mögliche Massnahme
wurde ein Eintritt in den Kindergarten mit einem reduzierten Stundenplan
vorgeschlagen.
Eltern werden eingeladen
Obwohl eigentlich nicht möglich, wird der
provisorische Kindergarten-Eintritt in Derendingen schon seit 2012 gelebt.
Deshalb wurde er in der Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Solothurn für die
drei nächsten Schuljahre unter «Anträge für Abweichungen und Sonderregelungen
mit Begründung» auch aufgeführt. Das VSA hat aber diesen Passus abgelehnt und
die Vereinbarung ohne provisorischen Kindergarten-Eintritt genehmigt. Der
Gemeinderat Derendingen liess sich deshalb in einer Sitzung von Schulleiter
Matthias Pfeiffer erklären, worum es hier geht.
In Derendingen werden alle Eltern, die ihr Kind ein
Jahr zurückstellen möchten, gemeinsam mit ihrem Kind zu einem Gespräch mit der
Schulleitung und einer Heilpädagogin eingeladen. «Die Gründe der Eltern für die
Rückstellung sind vielfältig», so Schulleiter Matthias Pfeiffer in einem
Gespräch mit dieser Zeitung. Oft sei es auch nur Unsicherheit oder Unwissen.
Tatsächlich gebe es aber auch seltsame Situationen.
So würden Kinder für das erste Kindergartenjahr zurückgestellt, kämen dann ein
Jahr später, können bereits lesen und schreiben und überspringen dann ein Jahr.
«Das ist nicht sinnvoll», so Pfeiffer. Ebenso sei es schwierig, wenn Kinder aus
Familien mit Migrationshintergrund ein Jahr länger daheim bleiben und erst spät
Deutsch lernen. Problematisch seien weiter Kinder, die sich den Umgang mit
Gleichaltrigen und Gruppen nicht gewöhnt sind.
Jährlich kommen in Derendingen zwischen 50 und 60
Kinder in die erste Kindergartenklasse. Durchschnittlich werden fünf bis sieben
Gesuche für eine Rückstellung gestellt. «Einige dieser Kinder werden nach dem
Gespräch tatsächlich zurückgestellt. Andere besuchen den Kindergarten daraufhin
ganz normal, und für ein bis zwei Kinder wird die Lösung des provisorischen
Eintrittes gewählt.»
Pfeiffer weiss aber auch von einer Gemeinde im
Wasseramt, in der auf dieses Schuljahr hin ein Viertel aller Kindergärteler,
die den «kleinen» Kindergarten besuchen sollten, zurückgestellt wurden. «Je
nach Grösse der Gemeinde und Anzahl der Kindergarten- und Schulkinder wirft
dies die Planung in Sachen Lehrkräfte, Schulzimmer, oder Stundenplan völlig
durcheinander.» Denn all dies muss bereits gemacht werden, bevor die Kinder
definitiv angemeldet sind.
Kann sinnvoll sein
Es gebe durchaus Situationen, in denen die
Rückstellung sinnvoll sei. «Wir sind nicht prinzipiell dagegen, dass ein Kind
zurückgestellt wird», so Pfeiffer. Aber im Gespräch wird den Eltern und dem
Kind aufgezeigt, wie der Kindergarten funktioniere und welche Möglichkeiten es
gebe, dass die Einschulung glücke. «Die Reduktion der Stunden am Anfang ist
durchaus auch eine mögliche Variante.» Die Kinder dürften auch auf
Schnupperbesuch in den Kindergarten gehen, den sie später besuchen würden.
Der provisorische Kindergarteneintritt ermögliche
es, das Kind altersentsprechend einzuschulen. Wenn sich zeige, dass das Kind
aufgrund seines Entwicklungsstandes noch nicht so weit sei, um dem Angebot des
Kindergartens zu folgen, könne es durch individuelle Massnahmen gefördert oder
nach einer Probezeit zurückgestellt werden. «Damit entfällt auch das Problem
der Repetition. Das Kind wird einfach erst im kommenden Jahr in der Statistik
erfasst.»
Derendingen ist mit der Möglichkeit des
provisorischen Kindergarteneintritts ein Sonderfall. Mehrere Wasserämter
Gemeinden hätten, wie Derendingen, den entsprechenden Passus in die
Schulvereinbarung aufgenommen. «Aber meines Wissens hat nur in Derendingen der
Gemeinderat unser Vorgehen offiziell abgesegnet, nachdem das Volksschulamt es
abgelehnt hat», so Pfeiffer.
Für den Schulleiter und den Gemeinderat lohnt sich
der Aufwand: «Jedes Kind, das im Kindergarten individuell gefördert wird und
allfällige Schwächen angehen kann, spart später teure weitere
Förderungsmassnahmen.» Er betont, der provisorische Kindergarteneintritt sei
eine spezielle Einzellösung, nicht die Norm. «Das wichtigste Ziel ist für uns
nach wie vor, alle Kinder ihren Möglichkeiten entsprechend zu fördern und
auszubilden.» Wenn das Provisorium dabei helfe, dann sei es richtig, diese
Variante zu ermöglichen.
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