Schulorganisatorisch top, pädagogisch ein Flop: So drastisch will die
Volksschulamtschefin Marion Völger die Evaluationsergebnisse zum Schulversuch
«Fokus starke Lernbeziehungen» nicht zusammengefasst haben. Immerhin vier von
fünf Zielen des seit 2013 laufenden Versuchs seien erreicht worden, sagt sie.
Ein Schulversuch landet in der Sackgasse, NZZ, 25.5. von Walter Bernet
Im Schulversuch geht es darum, mehr Ruhe in die Klassenzimmer zu bringen
durch eine Verringerung der Anzahl Lehrpersonen. In der Regel unterrichten in
den 166 Klassen der 12 Versuchsschulen nur noch je zwei Lehrpersonen. Diese
übernehmen auch Aufgaben der integrativen Förderung und des Unterrichts in
Deutsch als Zweitsprache (DaZ).
Heilpädagogen und DaZ-Lehrpersonen kommen nur
noch Beratungsaufgaben zu.
Jetzt liegen die Ergebnisse der Evaluation des Versuchs durch die
Universität Zürich vor. Sie sind eher ernüchternd. Das gilt namentlich für die
Auswertung der Schülerbefragung: Die Beziehung zur Lehrperson, das Lernklima,
die wahrgenommene Förderung und die Klassenführung entwickeln sich danach
«ungünstiger als in vergleichbaren Klassen». Die namengebende Stärkung der
Lernbeziehungen wird also nicht erreicht.
Positiver nehmen die Lehrkräfte den Schulversuch wahr. Die Entlastung
von Koordinationsaufwand, die Vereinfachung der Schulorganisation und die
Weiterentwicklung des integrativen Unterrichts werden positiv gewürdigt. Aber
nicht alle Heilpädagoginnen und DaZ-Lehrkräfte schätzen ihre nur noch beratende
Funktion.
Kritisch fällt denn auch die Reaktion des Lehrerverbands ZLV aus, der
eine radikale Anpassung des Versuchs fordert. Dieser laufe noch bis im Juli
2022 und dürfte nicht mehr verlängert werden, sagt Völger. Entscheiden müsse
aber der Regierungsrat. Geprüft werde, die positiven Ergebnisse – etwa beim
Umlagern von Ressourcen ins Team-Teaching und in der Schulorganisation – über
den Versuch hinaus für alle Schulen zugänglich zu machen, sagt die
Volksschulamtschefin.
Das negative Ergebnis der Schülerbefragung zu den Lernbeziehungen habe
alle überrascht. Das Volksschulamt werde darauf reagieren, sagt Völger. Zuerst
müsse man aber die Ursachen analysieren. So hapert es noch bei der
Rollenverteilung im gestärkten Team-Teaching. Vorgesehen sei, die schulischen
Heilpädagoginnen in Einzelfällen direkt mit den Schülerinnen und Schülern
arbeiten zu lassen. Für eine Unterrichtsentwicklung wie die vorliegende müsse
man ein Jahrzehnt einrechnen, sagt Völger. Die Versuchsschulen sollen jetzt die
Möglichkeit haben, Mängel noch zu korrigieren.
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