Der Umbau der Schullandschaft soll im Kanton
Baselland offenbar gegen den Willen des Landrats und den des Stimmvolks
durchgesetzt werden. Zwei Beispiele dafür:
Nachdem
sich das Baselbieter Stimmvolk gegen die vom Bildungsrat beschlossenen
Sammelfächer ausspricht, will dieser wöchentliche Einstundenfächer einführen.
Da solche in der Praxis nicht umsetzbar sind, käme es über
Fächerzusammenlegungen zwangsläufig doch zu Sammelfächern. Dafür notwendige
Weiterbildungen für die Lehrpersonen wären allerdings nicht zu finanzieren, was
einem Bildungsabbau gleichkäme. Es muss folglich eine Motion eingereicht und
eine Initiative lanciert werden, um den Bildungsrat zum Einlenken zu bewegen.
Riesen-Aufwand für 3500 Kompetenzen, Basler Zeitung, 8.5. von Felix Hoffmann
Die
nächste schulpolitische Initiative verlangt unter anderem die Reduktion der vom
Bildungsrat favorisierten 3500 Kompetenzen auf eine praxistaugliche Anzahl, die
Nennung von Themen, Stoff- und Jahreszielen sowie nach Niveaus differenzierten
Unterricht. Da der Regierungsrat mit seinem Gegenvorschlag über die Forderungen
des Initiativkomitees hinausgeht, zieht dieses seine Initiative zurück.
Anschliessend informieren zwei Angestellte des kantonalen Amts für Volksschulen
(AVS) die Lehrerkollegien praktisch ausschliesslich über die
Kompetenzorientierung, als gäbe es im Baselbieter Lehrplan weder
niveaudifferenzierte Stoff- noch Jahresziele. Den regierungsrätlichen
Gegenvorschlag ignorierend, nutzte der Bildungsrat offenbar den Umstand, dass
die Initianten in ihrem Initiativtext keine explizite Höchstgrenze erwähnten.
Er hält somit an seinen 3500 Kompetenzen fest und versucht damit Stoffinhalte
und Themen zu marginalisieren.
Teure
Weiterbildungen
Nichts
spricht prinzipiell gegen Kompetenzen, im Gegenteil. Fähigkeiten waren schon
immer die Folge von gutem Unterricht. Der ausschliessliche Fokus auf
Kompetenzen verkehrt allerdings Ursache und Wirkung und ist somit zwangsläufig
verbunden mit der Vernachlässigung des Unterrichts. Dies führt zu einem
klassischen Paradoxon. In der Praxis bringt die Fokussierung auf 3500
Kompetenzen nämlich einen nicht zu bewältigenden Aufwand mit sich, schon nur
bei der Durchführung von Prüfungen und deren Auswertung. Man rechne: 3500
Kompetenzen verteilt auf zwölf Fächer und neun Schuljahre, ergeben rund 32
Kompetenzen pro Fach und Jahr. Bei beispielsweise jährlich acht Prüfungen sind
dies vier zu prüfende Kompetenzen pro Test. Multipliziert mit 22 Lernenden,
sind wir bei 88 Kompetenzen pro Test und Klasse. Hochgerechnet auf das ganze
Jahr ergeben sich bei acht Prüfungen 704 Kompetenzbewertungen pro Klasse; bei
fünf Klassen also 3520, wobei dann jede Kompetenz in neun Jahren jeweils nur
einmal geprüft wurde. Um eine Entwicklung der Fähigkeiten nachzuzeichnen,
sollten sie immerhin drei- bis viermal getestet werden, wodurch die Lehrkraft
schnell rund 10 000 bis 14 000 Kompetenzbewertungen zu bewältigen hätte.
Letzten
Endes geht diese absurde Bewertungshysterie zulasten des Unterrichts. Darunter
leidet dann paradoxerweise auch die Kompetenz der Lernenden. Überdies geht eine
derartig überstrapazierte Kompetenzorientierung zwangsläufig einher mit teuren
Weiterbildungen und fortwährenden Evaluationen. Die Fachhochschulen und privatwirtschaftliche
Anbieter hocken bereits ungeduldig in ihren Startlöchern. Genau dies ist der
springende Punkt.
Missachtung
des Volkswillens
Mit
seinem Versuch, Sammelfächer und eine in ihrem Ausmass paradoxe
Kompetenzorientierung gegen den Willen des Landrats und der Stimmberechtigten
durchzudrücken, stellt sich der Bildungsrat einmal mehr in den Dienst der
Reformindustrie und damit gegen die Interessen der öffentlichen Schule. Damit
missachtet er zusammen mit Verantwortungsträgern des AVS den Willen des Regierungs-
beziehungsweise Landrats sowie den der Stimmbevölkerung.
Dass
sich ein politisches Gremium gegen Entscheide des Souveräns stellen kann,
widerspricht demokratischen Grundsätzen. Aufgrund der fehlenden
Rechenschaftspflicht gegenüber Volk und Parlament wird auch ein neu besetzter
Bildungsrat immer wieder Entscheide gegen die Interessen der öffentlichen
Schule treffen können, die dann wiederum nur unter enormem Aufwand zu
korrigieren sind. Abhilfe schafft hier die Ablösung des Laiengremiums Bildungsrat
durch den professionellen Beirat Bildung. Die diesem Organ angehörenden
Fachleute sind einem guten öffentlichen Schulsystem verpflichtet. Sie
entscheiden nicht abschliessend, sondern unterbreiten sachlich begründete
Empfehlungen zuhanden des Regierungsrats. Sagen wir am 10. Juni Ja zur
Schaffung des Beirats Bildung.
Felix
Hoffmann ist Sekundarlehrer und wohnt in Himmelried.
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