1. April 2018

Senioren im Klassenzimmer


Otto Käppeli ist einer von 21 Pensionären, welche ihr Wissen an Primarschüler weitergeben. Seit 12 Jahren engagiert sich der 78-Jährige an der Schule. Die Kinder schätzen ihn – und auch er selber profitiert vom Angebot.
Otto Käppeli im Klassenzimmer. Bild: Dominik Wunderli
Senioren bringen frischen Wind ins Klassenzimmer, Luzerner Zeitung, 31.3. von Natalie Ehrenzweig


«So, jetzt korrigieren wir das zusammen», sagt Otto Käppeli zu Alexander (7). Gemeinsam mit dem Primarschüler kontrolliert Käppeli, ob der Junge die Zahlen bis 20 richtig rückwärts aufgezählt hat. Doch Otto Käppeli ist nicht etwa Alexanders Lehrer im Schulhaus Gabeldingen in Kriens. Der 78-Jährige engagiert sich bei «Senioren im Klassenzimmer», und das schon seit Beginn des Projekts vor 12 Jahren. «Alle zwei Wochen unterstützt mich Herr Käppeli zwei, drei Stunden im Unterricht. Mir wurde damals das Angebot gemacht und ich habe sofort die Gelegenheit wahrgenommen», sagt Lehrerin Judith Zwahlen.
Bei «Senioren im Klassenzimmer» geht es darum, Wissen und Erfahrung der älteren Menschen sinnvoll im Unterricht einzusetzen. Von Kriens, wo 21 Personen engagiert sind, hat sich die Idee zur kantonalen Institution mit über 220 Pensionierten entwickelt. Im vergangenen November hat die Gemeinde den Senioren und Seniorinnen sogar den Anerkennungspreis für gute Jugendarbeit verliehen, der mit 3000 Franken dotiert ist.

«Ich fühle mich gebraucht»
«Ich mache diese ehrenamtliche Arbeit sehr gern. Ich fühle mich gebraucht», sagt Otto Käppeli. Die Kinder wachsen ihm in den zwei Jahren jeweils schon ein wenig ans Herz, aber er habe sich daran gewöhnt, dass sie dann in die dritte Klasse wechseln, wo er nicht mehr zugegen ist. «Manchmal sehe ich die Kinder oder ihre Eltern im Dorf, das freut mich dann», erzählt der ehemalige technische Angestellte.

Judith Zwahlen folgt dem Konzept des offenen Unterrichts, bei dem die Schüler zu festgelegten Zeiten selbstständig an ihren Aufgaben arbeiten. Jedes Kind weiss, was es zu tun hat – die einen lesen, die anderen lösen Matheaufgaben oder kleben Bilder ins Arbeitsheft. Im angrenzenden Raum hilft Käppeli beim Ausfüllen des Zahlenblatts. Ein Kind ums andere wird von ihm betreut. «Ich finde es sehr gut, dass Herr Käppeli hier ist. Er hilft uns, wenn wir Fehler machen, und er kann gut erklären. Ausserdem ist er sehr nett. Ich freue mich, wenn er kommt», sagt Alexander, als er seine Aufgabe gelöst hat.
Auch Pia (8) kommt bei Otto Käppeli vorbei, obwohl sie eigentlich lesen müsste. Dass die Kinder die Anwesenheit des Seniors schätzen, wird deutlich. «Herr Käppeli ist lieb. Er hat mit uns zum Beispiel Laternen mit Kartoffelstempel gemacht. Und er kann gut rechnen. Es wäre richtig schade, wenn er nicht mehr zu uns kommen würde.»

«Schule ist sehr anders als früher»
Als Otto Käppeli anfing, Judith Zwahlen im Unterricht zu unterstützen, musste er sich zunächst an die heutige Schule gewöhnen. «Das ist schon sehr anders als früher. Wir waren damals 54 Schüler in der ersten Klasse, heute sind es 20. Bei uns war Disziplin sehr wichtig, der Lehrer hatte immer recht. Und wenn man sich daheim über den Lehrer beklagte, bekam man nochmals Ärger», erinnert sich der 78-Jährige. Wer sich nicht benahm, konnte wählen, ob er eine «Tatze» bekommen oder eine Strafaufgabe schreiben wollte: «Die Mädchen schrieben die Strafaufgabe, die Buben wählten die ‹Tatze›», meint Otto Käppeli lachend, bevor er mit dem nächsten Kind das Übungsblatt zu den Zahlen anschaut.


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