Bisher
sind alle Angriffe auf den Lehrplan 21 gescheitert. Ganz gebrochen ist der
Widerstand gegen das System nicht.
Die Kritiker verstummen nicht, SRF, 6.4. von Rafael von Matt
Der
Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss ist auch Präsident der Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz. Damit ist er sozusagen der oberste Hüter über
den Lehrplan 21, mit dem die Ziele der Volksschule in den Deutschschweizer
Kantonen harmonisiert werden sollen. Er ist damit zufrieden, wie die Umsetzung
des Lehrplans läuft: «Man ist in allen Kantonen auf Kurs.»
Am
Anfang hätten die vielen kantonalen Volksinitiativen gegen den Lehrplan 21 für
Verunsicherung gesorgt, sagt Schleiss. Als aber die ersten Abstimmungen mit
einem klaren Ja zum Lehrplan geendet hätten, sei wieder Ruhe eingekehrt. «Die
Debatte hat nicht furchtbar viel an den Lehrplänen geändert.» Dennoch sei es
eine wichtige Debatte gewesen, wohl auch im Sinn eines «Blitzableiters».
Kritiker haben Sorgen
Das
sieht Alain Pichard anders. Er ist ein Lehrplankritiker der ersten Stunde. Der
Lehrer in der Oberstufenschule in der Berner Gemeinde Orpund nahe bei Biel
sagt, die Initiativen seien viel mehr als ein Blitzableiter für frustrierte
Lehrer. Sie würden zeigen, dass sich die Volksschule in eine falsche Richtung
entwickle: «Diese Entwicklung macht uns Sorgen.» Es sei ihm und seinen
Mitstreitern nicht gelungen, ihre Argumente in den Abstimmungskämpfen zu
erklären.
Pichard
stört die Kompetenzorientierung des neuen Lehrplans. Dieser beruht auf dem
Konzept von Kompetenzen, also von Fähigkeiten, welche die Schülerinnen und
Schüler beherrschen müssen. Dies im Gegensatz zu früher, als das Wissen im
Zentrum der Lehrpläne stand. Diese Kompetenzorientierung des neuen Lehrplans
ist bei den Kritikern wie Pichard umstritten, weil sie zu einer Vermessung der
Schule führe, also dazu, dass die einzelnen Schüler und auch die Schulen
miteinander verglichen würden.
Schreckgespenst Schulrankings
Am
Ende sei man bei Schulrankings, wie sie etwa aus Grossbritannien oder den USA
bekannt seien. Pichard spricht von einem «Vermessungswahn». Die
Kompetenzorientierung habe im Ausland teils verheerende Folgen. Die Lehrer
würden in ihrer Methodenfreiheit eingeschränkt und zu «Lern-Coaches»
degradiert.
Diese
Sorge sei unberechtigt, sagt Schleiss. Die Lehrerinnen und Lehrer würden ihre
Freiheit auch unter dem neuen Lehrplan behalten. In einem Punkt gibt Schleiss
dem Lehrplankritiker allerdings recht: Ja, der neue Lehrplan führe zu mehr
Vermessung und Vergleichbarkeit in der Schule. Aber das müsse nichts Schlechtes
bedeuten. Entscheidend sei, was man mit diesen Messresultaten anstelle: «Wenn
man die Testresultate den Schulen zurückgibt und ihnen aufzeigt, wo sie
Nachholbedarf haben, kann das durchaus Gewinn bringen.»
Nicht querstellen
Nachdem
die Volksinitiativen abgelehnt worden sind, sind nun praktisch alle
Deutschschweizer Kantone daran, den Lehrplan 21 stufenweise einzuführen. Die
Kritiker sehen ein, dass sie den Kampf verloren haben. Aber verstummen werden
sie nicht: Alain Pichard organisiert für Ende Mai ein grosses Treffen der
kritischen Stimmen. Auch möchte er im Internet eine Plattform für
Lehrplankritiker gründen. Um die kritischen Kräfte zu vernetzen, wie er sagt.
Pichard
will also weiterkämpfen für eine Schule möglichst ohne standardisierte Tests,
ohne Vermessung und Rankings. Aber völlig querstellen wird er sich nicht: Als
Lehrer im Kanton Bern wird er mithelfen, den neuen Lehrplan ab dem nächsten
Schuljahr auch an seiner Schule einzuführen.
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