Um im Auftrag Gottes den
neuen König zu finden, musterte der Richter Samuel alle Söhne Isais und
erkannte jedes Mal: Auch diesen hat der Herr nicht erwählt (1. Samuel
16,8). Zuletzt präsentierte Isai seinen Jüngsten namens David, dem er keine
Chance eingeräumt und den er auf der Schafweide gelassen hatte. Aber genau der
sollte König werden! Der König Saul, dessen Nachfolge zu regeln war, war
seinerzeit als junger, schöner und tüchtiger Krieger berufen worden und hatte
alle überragt (9,2). Nun hatte ihn Gott verworfen. Sauls tragischer Abstieg und
Davids Aufstieg zeigen, dass die menschliche Gesellschaft durchlässig sein
soll. Im Nobody steckt ein König und umgekehrt. Die Bibel verdeutlicht die
Gleichwertigkeit – nicht Gleichheit – aller Menschen noch mit vielen weiteren
Geschichten. Und die Moderne hat dieses Prinzip in hohem Masse realisiert. Der
Aufstieg, wenn auch nicht bis zum Thron, steht jedem offen, der tüchtig ist und
Glück hat. Auch die Bildungssysteme des Abendlandes waren lange darauf
angelegt, alle Schüler optimal zu fördern, wo nötig in Sonderklassen.
Abstieg und Aufstieg, Weltwoche, 23.3. von Peter Ruch
Vermutlich haben wir diesen Zenit überschritten und steigen ab.
Genauer: Das neue Schulsystem bewirkt, dass nicht mehr alle aufsteigen können.
Eltern lotsen ihre Kinder kostspielig ins Gymnasium. Lehrlinge ohne Berufsmatur
riskieren Geringschätzung. Dieser gesellschaftliche Defekt wird mit der
Etikette «Integration» überkleistert. Durch Integration bleiben aber
Lernschwache liegen. Manche Berufe wurden akademisiert, um mehr Anerkennung und
höhere Lohnklassen zu erreichen. Beides ist peinlich, und das zweite klappt
weitgehend nur beim Staat. Fachhochschulen spielen Uni und vernachlässigen den
Praxisbezug. Was zum Beispiel ich in der Stifti gelernt
habe, war fürs Leben ebenso wertvoll wie der Schulsack der Abendmatura und der
Universität. Die Nachprüfung unseres Denkens sowie des verdrehten Schulsystems
ist fällig. Denn die Gleichwertigkeit aller Menschen ist die Basis des
gedeihlichen Zusammenlebens.
Peter Ruch, ursprünglich Handwerker,
absolvierte ein Abendgymnasium und war nach dem Theologiestudium 35 Jahre lang
reformierter Pfarrer in drei Gemeinden.
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