5. März 2018

Pulver erleichtert


Die Prophezeiungen waren drastisch: Eine «psychometrische Vermessung» der Kinder sei geplant, Lehrerinnen würden «zu Learncoaches degradiert», und das alles generiere Millionenkosten «ohne pädagogischen Mehrwert». So deutlich die Lehrplan-Gegner warnten, so deutlich wurde ihre Initiative «Lehrpläne vors Volk!» gestern abgelehnt. 76,7 Prozent der Stimmenden sagten Nein zu der Vorlage, 23,3 Prozent sagten Ja. Die Stimmbeteiligung betrug 49,8 Prozent.
Im Oberland war die Zustimmung leicht höher als im restlichen Kanton Bern.
Der Weg für den Lehrplan 21 ist frei, Bund, 4.3. von Adrian M. Moser


Der bernische Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) zeigte sich erleichtert: «Ich freue mich über das Resultat und bin positiv überrascht, dass es so deutlich ausgefallen ist.» Wäre die Initiative angenommen worden, hätte der Erziehungsdirektor künftig nicht mehr abschliessend über die Einführung neuer Lehrpläne entscheiden können. Er hätte sie erst dem Parlament und – im Falle eines Referendums – auch dem Volk vorlegen müssen. Die Stimmbevölkerung erachte die heutige Regelung als richtig, sagt Pulver.

Fast alle dagegen
Lanciert wurde die Initiative von einer Gruppe von Eltern aus dem Berner Oberland. Die Vorlage wollte zwar alle künftigen Lehrpläne vors Parlament und das Volk bringen, doch sie zielte Primär auf den Lehrplan 21, der im Kanton Bern ab dem kommenden Sommer eingeführt wird. Dieser hätte bei einem Ja zur Initiative in einigen Jahren nachträglich von Parlament und Volk genehmigt werden müssen. Die Initiantinnen erhielten Unterstützung der SVP. Alle anderen grossen Parteien sowie Lehrer- und Wirtschaftsorganisationen waren dagegen.

Die Gegner interpretierten das Resultat gestern als «Bestätigung des mit Harmos eingeschlagenen Wegs». Mit dem Harmos-Konkordat wollen die Kantone ihre Schulwesen harmonisieren. Der Lehrplan 21, der in der ganzen Deutschschweiz gelten soll, soll einen Teil zu der Harmonisierung beitragen. Mehrere Parteien zeigten sich zudem erfreut darüber, dass das Stimmvolk darauf verzichtet habe, die Lehrpläne zu «politisieren». Die Grünen lobten den Lehrplan 21 als «fortschrittlich».

«Teil eines Prozesses»
Die Initiantinnen reagierten gefasst auf die deutliche Niederlage. «Wir akzeptieren den Entscheid des Stimmvolks», sagte Rahel Gafner vom Initiativkomitee. Und: «Wir haben unser Ziel erreicht: Das Volk konnte darüber abstimmen, ob es sich künftig zu den Lehrplänen äussern können soll.»

Im Berner Oberland, wo der Grossteil des Initiativkomitees herkommt, erreichte die Initiative mit Ja-Anteilen zwischen 28,3 und 36,2 Prozent eine grössere Zustimmung als im übrigen Kanton, wurde aber dennoch deutlich abgelehnt. Dass die Stimmbürger – zumindest im Moment – nicht über Lehrpläne abstimmen wollen, liest Gafner als «Teil eines Prozesses». Sie wirft den Gegnern ihrer Initiative vor, sie hätten den Leuten «eingeredet, dass sie nicht in der Lage sind, über einen Lehrplan abzustimmen». Gafner hofft, dass sich die Verhältnisse in Zukunft verschieben werden. «Das Volk muss sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass man auch über Lehrpläne abstimmen könnte.»


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