22. März 2018

Cramer hilft beim Rüeblischälen

Die Erwartungen der rund 2750 Lehrpersonen an den Erziehungsdirektor sind gross. Conradin Cramer erfüllte sie gestern immerhin teilweise – er machte einen Schritt auf die Pädagogen zu. In seiner Ansprache an der Kantonalen Schulkonferenz in der St. Jakobshalle verkündete er drei Massnahmen, die er einführen will. Diese sollen es den Pädagogen ermöglichen, sich wieder mehr ihrer Kernaufgabe, dem Unterrichten, zu widmen, anstatt sich mit Bürokratie herumschlagen zu müssen.
Bildungsdirektor Cramer wird von zwei Lehrervertretern befragt, Bild: Nicole Pont
Cramer will einfachere Lernberichte, Basler Zeitung, 22.3. von Franziska Laur


Als Erstes sprach er die Lernberichte an: «Ich habe einen mitgebracht, bei dem die Fortschritte eines Kindergarten-Kindes festgehalten sind», sagte Cramer. Das Dokument sei sieben Seiten lang. «Sieben Seiten Lernbericht für ein vierjähriges Kind finde ich zu lange.» Er erntete tosenden Applaus. Die neuen Lernberichte sollten für den ersten Zyklus einfacher sein – weniger ausgeklügelt, verständlicher. Und sie sollten weniger als halb so lang sein wie jetzt. Cramer will diese kürzeren Lernberichte auf das neue Schuljahr einführen. Und er versprach, dass dies erst der Anfang sei. «Ich möchte ebenso kritisch die Lernberichte und die Zeugnisse im zweiten und dritten Zyklus anschauen.»

Umstrittene Schulchecks
Als zweite Massnahme erwähnte der Erziehungsdirektor die Checks, die er für die Sekundarstufe 3 streichen will. Mit diesem Entscheid konnte er allerdings nur wenige Lehrer beeindrucken. Denn diese fordern vielmehr vehement, dass sämtliche Checks abgeschafft werden. An zwei in der Primar- und einem in der Sekundarstufe 2 will Cramer jedoch festhalten, wie er im Gespräch mit der BaZ sagte. Er sei nach wie vor überzeugt, dass dies ein wichtiges Instrument zur Orientierung sei, wo eine Klasse stehe. Dieser Meinung sind viele Lehrpersonen jedoch ganz und gar nicht.

So erhob sich etwa Margrit Goop, Lehrerin an der Sekundarschule Bäumlihof, und sagte: «Diese Checks bringen nichts und stören den Alltag.» Und manchmal seien sie gar kontraproduktiv. So habe einer ihrer Schüler aufgrund der Check-Resultate eine Lehrstelle nicht bekommen, sich jedoch später in einer noch anspruchsvolleren Lehre durchaus bewährt. Auch Gaby Hintermann, Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz Basel-Stadt, sagte: «Diese Checks sind noch nicht gegessen.» Man begrüsse zwar die Kompromissbereitschaft, aber die Situation sei immer noch unbefriedigend.

2,5 Millionen für Teamteaching
Auch die dritte Massnahme, die der Erziehungsdirektor einführen möchte, nahm die Lehrerschaft mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Conradin Cramer will nicht, wie von vielen Lehrern verlangt, die Einführungsklassen wieder zulassen. Er möchte jedoch im Sinne eines Kompromisses das Teamteaching in der ersten Primarstufe flächendeckend einführen.

Viele Primarlehrer wünschen sich allerdings seit Jahren, dass die Einführungsklassen wieder eingeführt werden. Diese haben langsameren, verträumteren oder unreifen Kindern einen sanften Einstieg in den Schulalltag ermöglicht, indem sie die erste Klasse in zwei Jahren absolvieren konnten. Gaby Hintermann sagte denn auch in ihrer Begrüssungsansprache: «Wir verstehen nicht, warum das Erziehungsdepartement das Führen von Einführungsklassen seit Jahren verbietet, obwohl das in allen anderen Kantonen übliche Praxis ist.»

Trotzdem liess sich der Bildungsdirektor nicht erweichen. Das Teamteaching käme allen statt nur wenigen zugute, erklärte er. Das heisst, dass in der ersten Klasse zwei Personen unterrichten und sie so ab und zu teilen können. Wie Cramer der BaZ sagte, muss er allerdings noch die Regierung und den Grossen Rat hinter sich bekommen. Für das Projekt müssten etwa 2,5 Millionen Franken jährlich aufgeworfen werden.

Jedenfalls war der gute Wille Cramers ersichtlich, auf die Pädagogen einen Schritt zuzugehen. Das ist auch bitter nötig. Wie die Schulkonferenz-Präsidentin Gaby Hintermann in ihrer Ansprache sagte, verliere das System Schule in Basel-Stadt in letzter Zeit deutlich an Widerstandsfähigkeit. «Auch ich selbst fühle mich langsam ausgelaugt.» In der Zeit der Reformen sei einiges unter die Räder gekommen. Die Menge der zu verarbeitenden Aufgaben sei riesig geworden. «Immer mehr Mails und Infos, die man kaum mehr verarbeiten kann.» Ein Kollege habe die Situation kürzlich folgendermassen zusammengefasst: «Wir optimieren uns grad zu Tode!»

Hintermann appellierte denn auch an Cramer, die Lehrpersonen wieder vermehrt selber machen und ihre eigenen Ideen umsetzen zu lassen. Diese seien nämlich durchaus fähig, Verantwortung zu übernehmen und Projekte zu entwickeln. «Lassen Sie diesen Ressourcenschatz nicht ungenutzt! Überlassen Sie uns wieder mehr uns selbst.» Zum Schluss verlor der Bildungsdirektor noch eine Wette, sodass er im kommenden Schuljahr an der Primarschule, in Tagesstrukturen und an der Sek beim Rüeblischälen oder als Pausenaufsicht seine Wettschulden abstottern muss.


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