Die Erwartungen der rund 2750 Lehrpersonen an
den Erziehungsdirektor sind gross. Conradin Cramer erfüllte sie gestern
immerhin teilweise – er machte einen Schritt auf die Pädagogen zu. In seiner
Ansprache an der Kantonalen Schulkonferenz in der St. Jakobshalle verkündete er
drei Massnahmen, die er einführen will. Diese sollen es den Pädagogen
ermöglichen, sich wieder mehr ihrer Kernaufgabe, dem Unterrichten, zu widmen,
anstatt sich mit Bürokratie herumschlagen zu müssen.
Bildungsdirektor Cramer wird von zwei Lehrervertretern befragt, Bild: Nicole Pont
Cramer will einfachere Lernberichte, Basler Zeitung, 22.3. von Franziska Laur
Als
Erstes sprach er die Lernberichte an: «Ich habe einen mitgebracht, bei dem die
Fortschritte eines Kindergarten-Kindes festgehalten sind», sagte Cramer. Das
Dokument sei sieben Seiten lang. «Sieben Seiten Lernbericht für ein
vierjähriges Kind finde ich zu lange.» Er erntete tosenden Applaus. Die neuen
Lernberichte sollten für den ersten Zyklus einfacher sein – weniger
ausgeklügelt, verständlicher. Und sie sollten weniger als halb so lang sein wie
jetzt. Cramer will diese kürzeren Lernberichte auf das neue Schuljahr
einführen. Und er versprach, dass dies erst der Anfang sei. «Ich möchte ebenso
kritisch die Lernberichte und die Zeugnisse im zweiten und dritten Zyklus
anschauen.»
Umstrittene
Schulchecks
Als
zweite Massnahme erwähnte der Erziehungsdirektor die Checks, die er für die
Sekundarstufe 3 streichen will. Mit diesem Entscheid konnte er allerdings nur
wenige Lehrer beeindrucken. Denn diese fordern vielmehr vehement, dass
sämtliche Checks abgeschafft werden. An zwei in der Primar- und einem in der
Sekundarstufe 2 will Cramer jedoch festhalten, wie er im Gespräch mit der BaZ sagte. Er
sei nach wie vor überzeugt, dass dies ein wichtiges Instrument zur Orientierung
sei, wo eine Klasse stehe. Dieser Meinung sind viele Lehrpersonen jedoch ganz
und gar nicht.
So
erhob sich etwa Margrit Goop, Lehrerin an der Sekundarschule Bäumlihof, und
sagte: «Diese Checks bringen nichts und stören den Alltag.» Und manchmal seien
sie gar kontraproduktiv. So habe einer ihrer Schüler aufgrund der
Check-Resultate eine Lehrstelle nicht bekommen, sich jedoch später in einer
noch anspruchsvolleren Lehre durchaus bewährt. Auch Gaby Hintermann,
Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz Basel-Stadt, sagte: «Diese Checks
sind noch nicht gegessen.» Man begrüsse zwar die Kompromissbereitschaft, aber
die Situation sei immer noch unbefriedigend.
2,5
Millionen für Teamteaching
Auch
die dritte Massnahme, die der Erziehungsdirektor einführen möchte, nahm die
Lehrerschaft mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Conradin Cramer will nicht,
wie von vielen Lehrern verlangt, die Einführungsklassen wieder zulassen. Er
möchte jedoch im Sinne eines Kompromisses das Teamteaching in der ersten
Primarstufe flächendeckend einführen.
Viele
Primarlehrer wünschen sich allerdings seit Jahren, dass die Einführungsklassen
wieder eingeführt werden. Diese haben langsameren, verträumteren oder unreifen
Kindern einen sanften Einstieg in den Schulalltag ermöglicht, indem sie die
erste Klasse in zwei Jahren absolvieren konnten. Gaby Hintermann sagte denn
auch in ihrer Begrüssungsansprache: «Wir verstehen nicht, warum das
Erziehungsdepartement das Führen von Einführungsklassen seit Jahren verbietet,
obwohl das in allen anderen Kantonen übliche Praxis ist.»
Trotzdem
liess sich der Bildungsdirektor nicht erweichen. Das Teamteaching käme allen
statt nur wenigen zugute, erklärte er. Das heisst, dass in der ersten Klasse
zwei Personen unterrichten und sie so ab und zu teilen können. Wie Cramer der BaZ sagte,
muss er allerdings noch die Regierung und den Grossen Rat hinter sich bekommen.
Für das Projekt müssten etwa 2,5 Millionen Franken jährlich aufgeworfen werden.
Jedenfalls
war der gute Wille Cramers ersichtlich, auf die Pädagogen einen Schritt
zuzugehen. Das ist auch bitter nötig. Wie die Schulkonferenz-Präsidentin Gaby
Hintermann in ihrer Ansprache sagte, verliere das System Schule in Basel-Stadt
in letzter Zeit deutlich an Widerstandsfähigkeit. «Auch ich selbst fühle mich
langsam ausgelaugt.» In der Zeit der Reformen sei einiges unter die Räder
gekommen. Die Menge der zu verarbeitenden Aufgaben sei riesig geworden. «Immer
mehr Mails und Infos, die man kaum mehr verarbeiten kann.» Ein Kollege habe die
Situation kürzlich folgendermassen zusammengefasst: «Wir optimieren uns grad zu
Tode!»
Hintermann
appellierte denn auch an Cramer, die Lehrpersonen wieder vermehrt selber machen
und ihre eigenen Ideen umsetzen zu lassen. Diese seien nämlich durchaus fähig,
Verantwortung zu übernehmen und Projekte zu entwickeln. «Lassen Sie diesen
Ressourcenschatz nicht ungenutzt! Überlassen Sie uns wieder mehr uns selbst.»
Zum Schluss verlor der Bildungsdirektor noch eine Wette, sodass er im kommenden
Schuljahr an der Primarschule, in Tagesstrukturen und an der Sek beim
Rüeblischälen oder als Pausenaufsicht seine Wettschulden abstottern muss.
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