Der Baselbieter Landrat sagte Ja zur Initiative, die den Ausstieg des
Landkantons aus dem Fremdsprachenprojekt Passepartout fordert. Landrat Jürg
Wiedemann will nun mit einem Vorstoss erreichen, dass kein Rappen mehr ins
Projekt investiert wird.
Passepartout: Initianten wollen keinen Rappen mehr in umstrittenes Fremdsprachenprojekt stecken, Basellandschaftliche Zeitung, 16.2. von Leif Simonsen
Der Entscheid des Landrats erwischte die Baselbieter Bildungsdirektorin
Monica Gschwind (FDP) auf dem falschen Fuss. Entgegen ihrer Empfehlung sagte
das Parlament vergangene Woche Ja zur unformulierten Volksinitiative «Stopp dem Verheizen von
Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten
Passepartout-Fremdsprachenkonzept». Gschwind hätte lieber die ersten Ergebnisse
des interkantonalen Fremdsprachenprojekts abgewartet, das die sechs Kantone
Baselland, Basel-Stadt, Fribourg, Bern, Solothurn und Wallis 2011 lancierten.
Dieses beinhaltet, dass die Schüler in der dritten Klasse mit Französisch
anfangen und in der fünften mit dem Englischunterricht.
Die wesentliche Kritik seitens der Lehrer, von der sich der Landrat
offensichtlich beeindrucken liess, betrifft die Didaktik und die
Französischlehrmittel Mille feuilles (Primarschule) und Clin d’oeil (Sek). Die
Idee von Passepartout: Im Unterricht sollen das Handeln und Kommunizieren im
Vordergrund stehen und nicht das Wörter oder Grammatik Büffeln. Moniert wird,
dass die Schüler keine Leitplanken hätten. Fehler würden nicht korrigiert. Der
Lerneffekt sei nahe null.Die Erleichterung war bei vielen Baselbieter Lehrern gross nach dem
Landratsentscheid. Philipp Loretz, Vorstandsmitglied des kantonalen
Lehrervereins, sagte im «Regionaljournal»: «Es muss sehr schnell gehen, weil
unsere Schüler nicht mehr in dieses fehlerhafte System geleitet werden sollen.
Das sind wir ihnen schuldig.»
Wiedemann will schnelles Gesetz
Die Baselbieter Kultur- und Bildungsdirektion (BKSD) steht dagegen auf
die Bremse. BKSD-Sprecherin Monique Juillerat sagt, der Landratsbeschluss habe
keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Schulbetrieb und den Einsatz der
Lehrmittel. Kantonal müsse zunächst ein Vorschlag ausgearbeitet werden, wie die
nichtformulierte Vorlage umgesetzt werden solle, wenn sie im Februar 2020
angenommen würde. Bis dahin würden das aktuelle Sprachenkonzept, der Lehrplan,
die Lehrmittel und die Fortbildung der Lehrer weitergeführt.
Dass die BKSD sich in den nächsten zwei Jahren nicht zum Handeln
veranlasst sieht, wird besonders Jürg Wiedemann ärgern. Sein Komitee «Starke
Schule» hatte die Initiative zum Passepartout-Ausstieg lanciert. Nach dem
Parlaments-Ja will der Landrat der Grünen Unabhängigen aufs Gas drücken. Er
plant, in der nächsten Landratssitzung einen Vorstoss einzureichen. Wiedemann
will darauf hinwirken, dass die nötige Gesetzesvorlage «rasch erarbeitet» wird,
am besten noch in dieser Legislatur. Der Birsfelder fordert nun quasi einen
weiteren Marschhalt in der Baselbieter Bildungspolitik. Von nun an dürften
keine Gelder in das «gescheiterte Fremdsprachenprojekt» gesteckt werden, sagt
er. Besonders die Mittel für die «unsäglichen Weiterbildungen», die
Überarbeitungen des Lehrmittels Mille feuilles sowie die geplanten Evaluationen
müssten gestoppt werden. Bisher seien bereits 12,5 Millionen in das
Passepartout-Projekt «verlocht» worden. Das sei genug, zumal sich bereits heute
viele Lehrer mit alternativen Lehrmitteln behelfen würden.
Erste Testergebnisse im Sommer
Die BKSD ist dagegen versucht, den Ball flach zu halten. Juillerat sagt,
dass keine kantonalen finanziellen Mittel in die Entwicklung von Mille feuilles
und Clin d’oeil geflossen seien. Diese Kosten lagen vollumfänglich beim Verlag.
Die ins Feld geführten 12,5 Millionen Franken seien alles andere als «verlocht
worden». Das Geld komme der «Aufwertung des Sprachenunterrichtes an der Primarstufe»
sowie der Weiterbildung von Primarlehrpersonen zugute.
Die BKSD-Sprecherin betont aber auch, dass der Unmut der Lehrer über die
Lehrmittel ernst genommen worden sei. Seit 2016 gäbe es unter der Leitung
Gschwinds eine Austauschrunde Passepartout, die sich vierteljährlich treffe, um
«auf Anliegen bezüglich der Fächer Französisch und Englisch reagieren zu
können». Zudem seien die umstrittenen Lehrmittel überarbeitet worden. Im neuen
Mille feuilles für die 5. und 6. Klasse, das seit Februar benutzt wird, werde
beispielsweise die Box «On bavarde» angeboten, das dem Bedürfnis nach mehr
Sprechsituationen im Unterricht Rechnung trage.
Ob Jürg Wiedemann mit seinem geplanten Vorstoss zum schnellen Abbruch
der Übung Erfolg hat oder nicht: Zur Diskussionsgrundlage wird Passepartout
früher oder später ohnehin.
Spätestens, wenn die ersten Ergebnisse zu den Fremdsprachenkenntnissen
der heutigen Primarschüler vorliegen. Bereits im vergangenen Frühjahr wurde bei
den 6.-Klässlern das Französisch getestet. Der Zwischenbericht erscheint im
Sommer und wird je nach Ergebnis auch in den anderen fünf Passepartout-Kantonen
politische Debatten darüber anstossen, ob das Modell fortgeführt werden soll.
So auch in Basel-Stadt, wo die Kritik bisher deutlich weniger laut war als im
Landkanton. Simon Thiriet, der Sprecher des Erziehungsdepartements, will sich
aber nicht auf Prognosen einlassen. Thiriet sagt: «Wir lassen das Projekt wie
gewohnt weiterlaufen und ziehen dann am Schluss Bilanz.»
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