Seit 20
Jahren gibt es in der Schweiz Fachhochschulen. Die Zahl der Standorte ist
ebenso gestiegen wie die Kosten. Die Gelder allerdings fliessen immer weniger
in die Lehre. Umstritten ist, ob die Bürokratie zu teuer geworden ist.
Der Wasserkopf der Fachhochschulen, NZZ, 3.2. von Jörg Krummenacher
Wenn sich
Franz Baumberger zur Situation der Schweizer Fachhochschulen äussert, tut er
dies mit dem Blick des erfahrenen Praktikers. Zehn Jahre lang war er Präsident
der Fachhochschuldozierenden der Schweiz, in dessen Vorstand er weiterhin
sitzt, während zwölf Jahren gehörte er der Eidgenössischen
Fachhochschulkommission an, und er leitete den Forschungsbereich Technik der
Berner Fachhochschule. Inzwischen ist er pensioniert.
Seine
Diagnose ist knallhart: «Die Blase ist prallvoll und wartet auf die Stecknadel,
die sie zum Platzen bringt.» Nach Ansicht Baumbergers ist die Administration an
Schweizer Fachhochschulen so aufgebläht wie nie zuvor. Im Gegenzug sei in den
letzten 15 Jahren «ein massiver, wenn auch schleichender Unterrichtsabbau»
erfolgt.
Ein Drittel für Administration
Tatsächlich
haben die Fachhochschulen der Schweiz in den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens
laufend mehr Mittel erhalten. Die Vollkosten für die sieben
öffentlich-rechtlichen Fachhochschulen mit heute 80 Standorten belaufen sich
nach Angaben des Bundesamts für Statistik (BfS) auf rund 2,7 Milliarden
Franken. Im weltweiten Vergleich ist die Qualität von Lehre und Forschung hoch,
zumal die Schweiz bei den Bildungsausgaben pro Studierenden hinter den USA den
zweiten Platz belegt. Im Lauf der Jahre hat sich allerdings ein administrativer
Wasserkopf herausgebildet: Gemäss BfS-Zahlen für 2016 verschlingt die
Administration mit 33 Prozent ein Drittel aller Kosten, während für den
Lehrkörper im nationalen Durchschnitt 49 Prozent aufgewendet werden. 2009 war
der administrative Anteil mit 31 Prozent noch leicht geringer, für die
Lehrkräfte wurde deutlich mehr (57 Prozent) aufgewendet.
An zwei
der sieben Fachhochschulen sind heute die Ausgaben für die Administration gar
höher als jene für die Lehre: bei der Berner Fachhochschule und der
Fachhochschule Südschweiz. In Letzterer frisst die Administration 44 Prozent
der Kosten weg, während für den Lehrkörper 36 Prozent bleiben. Ein anderes Bild
vermittelt die Fachhochschule Westschweiz: Hier sind lediglich 26 Prozent der
Personalkosten für die Administration ausgewiesen, aber 57 Prozent für den
Lehrkörper.
Politik will Kontrolle
Einen
Grund für die hohen administrativen Kosten sieht Franz Baumberger in
politischen Vorgaben. Vor etwa zehn Jahren habe für die Fachhochschulen die
Zeit von mehr Autonomie und Globalbudgets begonnen. Um dennoch Kontrolle
ausüben zu können, habe die Politik mehr Daten gefordert, was unweigerlich zu
mehr Administration geführt habe – und zu mehr Kosten, ohne dass sich daraus
Produktivität ergeben hätte. Gleichzeitig werde viel in die Wirkung nach aussen
investiert. Ein weiterer Grund ist die 1999 gestartete Bologna-Reform, in deren
Verlauf der europäische Hochschulraum geschaffen wurde. Dieser bringt dem
Bildungsstandort Europa mehr Mobilität und Wettbewerbsfähigkeit, aber auch mehr
Bürokratie.
Der
nationale Verband der Fachhochschuldozierenden hatte bereits vor zehn Jahren
auf die Gefahr hingewiesen, dass Subventionen zunehmend im Verwaltungsapparat
versickerten, und ein «radikales Umdenken» verlangt: Die Administration müsse
wieder der Lehre und Forschung untergeordnet werden. Genützt hat es, zumindest
nach Ansicht Baumbergers, wenig. «Das Problem ist», sagt er, «dass das in der
Politik von den wenigsten wahrgenommen wird.» Komme hinzu, dass manchenorts
eine transparente Buchführung fehle, zumal eine klare Trennung zwischen Administration
und Lehre heute gar nicht mehr möglich sei, weil auch das Lehrpersonal
zunehmend administrative Aufgaben erledigen müsse.
Konträre Sichtweise
Eine
andere Wahrnehmung als Baumberger hat indes Swissuniversities, die
Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen. «Die Aussage, dass die
Fachhochschulen ihren administrativen Apparat markant ausgebaut hätten, lässt
sich nicht mit Fakten belegen», erklärt Martina Weiss, die Generalsekretärin
von Swissuniversities. Die Entwicklung der Administration erfolge «in
Abstimmung mit der Entwicklung der Leistungen der Fachhochschulen». Martina
Weiss mag auch der Kritik, es finde ein schleichender Unterrichtsabbau statt,
nichts abgewinnen. Sie verweist auf die Zahl der Studierenden: Für 2018 weise
das Bundesamt für Statistik 78 386 Studierende aus, 2013 seien es noch
68 896 gewesen.
Auch der
bernische Erziehungsdirektor Bernhard Pulver will nicht von einer aufgeblähten
Bürokratie sprechen: Die Berner Fachhochschule habe ihre Finanzen «gut im
Griff», die Proportionen seien stabil und entsprächen den Erwartungen des
Kantons. Pulver sieht indes die Gefahr neuer politischer Vorgaben, welche die
Hochschulen zu mehr Bürokratie zwingen, etwa durch die neuen, sehr aufwendigen
Akkreditierungsverfahren oder durch parlamentarische Vorstösse, «die von einem
Grundmisstrauen gegenüber der Autonomie der Hochschulen geprägt sind». Er
plädiere für politische Zurückhaltung.
Trend zum Selbststudium
Franz
Baumberger bleibt bei seiner Kritik, auch was den Abbau bei den Studien
betrifft. Als Beispiel nennt er die Einführung des begleiteten Selbststudiums,
das den Frontalunterricht teilweise abgelöst habe, was durchaus effizient sei
und sinnvoll sein könne. Voraussetzung sei allerdings, dass Coaches als
Begleiter fungierten, um fach- und sachgerecht Auskunft geben zu können.
Allein: Diese müssten bezahlt werden – es sei denn, man lasse das «begleitet»
weg und rede nur noch von Selbststudium.
Baumberger
befürchtet, dass das Profil der Fachhochschulen leidet, und sieht nicht nur die
Politik, sondern auch die Wirtschaft in der Pflicht, aktiv zu werden.
Schliesslich sässen schon heute in allen Fachhochschulräten Leute aus der
Wirtschaft. Die Denkfabrik Avenir Suisse hat jüngst gefordert, die
Hochschulräte nicht mit Politikern, sondern mit mit Personen aus Wissenschaft,
Wirtschaft und Gesellschaft zu besetzen. Franz Baumberger setzt eine andere
Priorität: «Hochschulräte müssen nicht entpolitisiert werden, sie müssten ganz
einfach die Aufgabe wahrnehmen, die ihnen als strategischem Organ zukommt: die
Fachhochschulen dorthin zu trimmen, wo man den Rotstift ansetzen kann, ohne
einen Studienabbau und Profilverlust zu generieren.»
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