4. Februar 2018

Aufgeblähte Verwaltung der Fachhochschulen

Seit 20 Jahren gibt es in der Schweiz Fachhochschulen. Die Zahl der Standorte ist ebenso gestiegen wie die Kosten. Die Gelder allerdings fliessen immer weniger in die Lehre. Umstritten ist, ob die Bürokratie zu teuer geworden ist.
Der Wasserkopf der Fachhochschulen, NZZ, 3.2. von Jörg Krummenacher


Wenn sich Franz Baumberger zur Situation der Schweizer Fachhochschulen äussert, tut er dies mit dem Blick des erfahrenen Praktikers. Zehn Jahre lang war er Präsident der Fachhochschuldozierenden der Schweiz, in dessen Vorstand er weiterhin sitzt, während zwölf Jahren gehörte er der Eidgenössischen Fachhochschulkommission an, und er leitete den Forschungsbereich Technik der Berner Fachhochschule. Inzwischen ist er pensioniert.
Seine Diagnose ist knallhart: «Die Blase ist prallvoll und wartet auf die Stecknadel, die sie zum Platzen bringt.» Nach Ansicht Baumbergers ist die Administration an Schweizer Fachhochschulen so aufgebläht wie nie zuvor. Im Gegenzug sei in den letzten 15 Jahren «ein massiver, wenn auch schleichender Unterrichtsabbau» erfolgt.

Ein Drittel für Administration
Tatsächlich haben die Fachhochschulen der Schweiz in den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens laufend mehr Mittel erhalten. Die Vollkosten für die sieben öffentlich-rechtlichen Fachhochschulen mit heute 80 Standorten belaufen sich nach Angaben des Bundesamts für Statistik (BfS) auf rund 2,7 Milliarden Franken. Im weltweiten Vergleich ist die Qualität von Lehre und Forschung hoch, zumal die Schweiz bei den Bildungsausgaben pro Studierenden hinter den USA den zweiten Platz belegt. Im Lauf der Jahre hat sich allerdings ein administrativer Wasserkopf herausgebildet: Gemäss BfS-Zahlen für 2016 verschlingt die Administration mit 33 Prozent ein Drittel aller Kosten, während für den Lehrkörper im nationalen Durchschnitt 49 Prozent aufgewendet werden. 2009 war der administrative Anteil mit 31 Prozent noch leicht geringer, für die Lehrkräfte wurde deutlich mehr (57 Prozent) aufgewendet.

An zwei der sieben Fachhochschulen sind heute die Ausgaben für die Administration gar höher als jene für die Lehre: bei der Berner Fachhochschule und der Fachhochschule Südschweiz. In Letzterer frisst die Administration 44 Prozent der Kosten weg, während für den Lehrkörper 36 Prozent bleiben. Ein anderes Bild vermittelt die Fachhochschule Westschweiz: Hier sind lediglich 26 Prozent der Personalkosten für die Administration ausgewiesen, aber 57 Prozent für den Lehrkörper.

Politik will Kontrolle
Einen Grund für die hohen administrativen Kosten sieht Franz Baumberger in politischen Vorgaben. Vor etwa zehn Jahren habe für die Fachhochschulen die Zeit von mehr Autonomie und Globalbudgets begonnen. Um dennoch Kontrolle ausüben zu können, habe die Politik mehr Daten gefordert, was unweigerlich zu mehr Administration geführt habe – und zu mehr Kosten, ohne dass sich daraus Produktivität ergeben hätte. Gleichzeitig werde viel in die Wirkung nach aussen investiert. Ein weiterer Grund ist die 1999 gestartete Bologna-Reform, in deren Verlauf der europäische Hochschulraum geschaffen wurde. Dieser bringt dem Bildungsstandort Europa mehr Mobilität und Wettbewerbsfähigkeit, aber auch mehr Bürokratie.

Der nationale Verband der Fachhochschuldozierenden hatte bereits vor zehn Jahren auf die Gefahr hingewiesen, dass Subventionen zunehmend im Verwaltungsapparat versickerten, und ein «radikales Umdenken» verlangt: Die Administration müsse wieder der Lehre und Forschung untergeordnet werden. Genützt hat es, zumindest nach Ansicht Baumbergers, wenig. «Das Problem ist», sagt er, «dass das in der Politik von den wenigsten wahrgenommen wird.» Komme hinzu, dass manchenorts eine transparente Buchführung fehle, zumal eine klare Trennung zwischen Administration und Lehre heute gar nicht mehr möglich sei, weil auch das Lehrpersonal zunehmend administrative Aufgaben erledigen müsse.

Konträre Sichtweise
Eine andere Wahrnehmung als Baumberger hat indes Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen. «Die Aussage, dass die Fachhochschulen ihren administrativen Apparat markant ausgebaut hätten, lässt sich nicht mit Fakten belegen», erklärt Martina Weiss, die Generalsekretärin von Swissuniversities. Die Entwicklung der Administration erfolge «in Abstimmung mit der Entwicklung der Leistungen der Fachhochschulen». Martina Weiss mag auch der Kritik, es finde ein schleichender Unterrichtsabbau statt, nichts abgewinnen. Sie verweist auf die Zahl der Studierenden: Für 2018 weise das Bundesamt für Statistik 78 386 Studierende aus, 2013 seien es noch 68 896 gewesen.

Auch der bernische Erziehungsdirektor Bernhard Pulver will nicht von einer aufgeblähten Bürokratie sprechen: Die Berner Fachhochschule habe ihre Finanzen «gut im Griff», die Proportionen seien stabil und entsprächen den Erwartungen des Kantons. Pulver sieht indes die Gefahr neuer politischer Vorgaben, welche die Hochschulen zu mehr Bürokratie zwingen, etwa durch die neuen, sehr aufwendigen Akkreditierungsverfahren oder durch parlamentarische Vorstösse, «die von einem Grundmisstrauen gegenüber der Autonomie der Hochschulen geprägt sind». Er plädiere für politische Zurückhaltung.

Trend zum Selbststudium
Franz Baumberger bleibt bei seiner Kritik, auch was den Abbau bei den Studien betrifft. Als Beispiel nennt er die Einführung des begleiteten Selbststudiums, das den Frontalunterricht teilweise abgelöst habe, was durchaus effizient sei und sinnvoll sein könne. Voraussetzung sei allerdings, dass Coaches als Begleiter fungierten, um fach- und sachgerecht Auskunft geben zu können. Allein: Diese müssten bezahlt werden – es sei denn, man lasse das «begleitet» weg und rede nur noch von Selbststudium.

Baumberger befürchtet, dass das Profil der Fachhochschulen leidet, und sieht nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft in der Pflicht, aktiv zu werden. Schliesslich sässen schon heute in allen Fachhochschulräten Leute aus der Wirtschaft. Die Denkfabrik Avenir Suisse hat jüngst gefordert, die Hochschulräte nicht mit Politikern, sondern mit mit Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu besetzen. Franz Baumberger setzt eine andere Priorität: «Hochschulräte müssen nicht entpolitisiert werden, sie müssten ganz einfach die Aufgabe wahrnehmen, die ihnen als strategischem Organ zukommt: die Fachhochschulen dorthin zu trimmen, wo man den Rotstift ansetzen kann, ohne einen Studienabbau und Profilverlust zu generieren.» 


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