1,9
Millionen Franken Unterstützungsbeiträge zahlt der Kanton Solothurn jährlich
für Schülertransport- und Verpflegungskosten. Ob Eltern Geld erhalten, ist aber
trotz einheitlicher Kriterien Glückssache. Es hängt von der Gemeinde ab.
Unterstützungsbeiträge für Schulkinder: Nur wer Glück hat, bekommt sie, Solothurner Zeitung, 5.1. von Ornella Miller
Tabellen und weitere Infos auf:
www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/unterstuetzungsbeitraege-fuer-schulkinder-nur-wer-glueck-hat-bekommt-sie-132056425
Vorbei die Zeiten, da Schulkinder zu Fuss lange
Schulwege auf sich nehmen mussten und mittags das mitgebrachte Sandwich
verzehrten. Gute öV-Netze und Mensen an höheren Schulen: all das ist heute
vorhanden.
Anno
1969 jedoch – aus diesem Jahr stammt das Solothurner Volksschulgesetz – war das
anders. «Bei unverhältnismässig weitem oder beschwerlichem Schulweg hat die
Gemeinde allfällige Kosten für auswärtige Unterkunft zu übernehmen und an
Auslagen für auswärtige Verpflegung einen angemessenen Beitrag zu leisten»,
steht in diesem Gesetz. Noch immer gelten die damals vom Kanton festgelegten
Pauschalbeiträge von beispielsweise vier Franken je Mittagessen und drei
Franken je Übernachtung.
Diese
zahlt der Kanton unter gewissen Bedingungen. 2016 betrug dafür der Aufwand 1,9
Millionen Franken, davon 132'000 Franken für Verpflegung. «Zwei Drittel der
Transportkosten sind Abonnementskosten», erläutert Andreas Walter, Chef des
Volksschulamtes. «Während man früher zum Beispiel Schulbusse der Gemeinden
subventionierte, versucht man heute möglichst alles über den öV zu regeln.»
Zwar nennt der Kanton Kriterien, doch eine
Umfrage dieser Zeitung zeigt: Wie die Gemeinden sie interpretieren, ist
unterschiedlich. Je nach Wohngemeinde erhalten Eltern Beiträge oder auch nicht.
Ein Beispiel: Während Bettlach ihren zwei Jugendlichen, welche die
Talentförderklasse in Solothurn besuchen (Sek E oder B), keine
Verpflegungskosten zugesteht, profitierten aus dem sehr viel näheren Bellach im
letzten Schuljahr gerade vier Jugendliche derselben Schule von
Verpflegungskostenbeteiligung. «Bettlach unterstützt sonst andere Dinge, die
andere Gemeinden nicht mehr finanzieren, etwa Kieferbehandlungen und Skilager»,
sagt eine Gemeindeangestellte.
Unterschiede
auch an der Kanti Solothurn: Insgesamt 23 Jugendliche, welche das erste
Gymnasialjahr absolvieren, erhielten letztes Schuljahr einen
Verpflegungsbeitrag. Gleich 16 von ihnen stammen aus dem steuergünstigen
Lohn-Ammannsegg. Angefragte Gemeinden sagten oft, die Kanti habe eine Mensa,
deshalb hätten Schüler des ersten Gyms nichts zugute, ebenso die
Sek-P-Schülerschaft. Auch Grenchen und Welschenrohr zahlen Beiträge.
Geld für nicht gekauftes Abo
Auch bei der Gestaltung der Ausbezahlung gibt es Unterschiede. In Recherswil müssen die Jugendlichen das Abo und den Schülerausweis bei der Gemeindeverwaltung vorweisen, während Lommiswil die Abo-Kosten auch dann ausbezahlt, wenn sie gar kein Abo beziehen.
Eine kleine andere Ungleichheit: Bei den meisten Gemeinden läuft es so, dass
sie in den bewilligten Fällen selber nichts bezahlen, sondern nur die
Kantonsbeiträge ausrichten.
Hingegen
erhalten Schüler aus Welschenrohr von der Gemeinde selber einen Franken
zusätzlich zu den vier des Kantons. «Die Gemeinde prüft und entscheidet. Sie
kennt die Gegebenheiten vor Ort. Wir kontrollieren nicht alles nochmals,
sondern nur grob. Denn wir vertrauen grundsätzlich», sagt Andreas Walter vom
Volksschulamt.
Eine
weitere Uneinheitlichkeit: Bei den Transportkosten trägt der Kanton das erste
Jahr Gymnasium nicht mit, gleichaltrige Schulbesucher der Sek B, E, P und der
Talentförderklasse erhalten hingegen schon Unterstützung. Gleichzeitig wird bei
den Verpflegungskosten diesbezüglich nicht differenziert. Walter erklärt den
verwaltungstechnischen Grund: Die Transportkosten beziehen sich auf die
Zugehörigkeit zur Volksschule (das Gymnasium ist keine Volksschule), während
die Verpflegungskosten sich auf das Volksschulalter beziehen.
5 Minuten zur Mensa zumutbar?
Fragen
wirft schliesslich ein Blick in die Tabelle auf. So ist es erstaunlich, dass 46
Jugendliche der Talentförderklasse Verpflegungsgeld erhalten. Die rund 60
Absolventen zählende Schule im Schützenmattschulhaus hat zwar keine Mensa.
Jedoch ist die Pädagogische Hochschule und deren Mensa in einem
5-Minuten-Spaziergang zu erreichen, die Kanti in wenigen Velominuten, ebenso
die Gewerblich-industrielle Berufsschule. Oder das Stadtzentrum, wo viele
Schüler sich von Fast Food ernähren.
Die Schulleiterin der Talentförderklasse
Stefanie Ingold sagt, die Jugendlichen könnten ihr mitgebrachtes Essen in der
Schule zu sich nehmen, es stehe ein Raum mit Mikrowelle zur Verfügung. «Eine
Mensa wird es aus räumlichen und finanziellen Gründen nicht geben.» Auffallend ist,
dass auf der Schul-Homepage gleich Verpflegungskosten-Antragsformulare und
–Informationen heruntergeladen werden können.
Im
Kontrast dazu wurde in der Umfrage bei den Behördenmitgliedern oft
argumentiert, man spreche keine Verpflegungsgelder, denn zu Hause würden die
Kinder ja auch essen und das koste schliesslich auch. Doch niemand wollte mit
Namen zitiert werden, es sei «bloss eine persönliche Meinung».
Nichts oder 1444 Franken pro Jahr?
Als
2013 die FDP-Kantonsräte in einer Interpellation fragte, ob die Regelungen noch
«zeitgemäss» seien, habe man laut Andreas Walter Unklarheiten klären können.
Doch könnte man hier nicht auch Sparpotential orten und das Giesskannenprinzip
kritisieren, wie das auch angefragte Gemeindeverantwortliche andeuteten? Für Andreas
Walter vom Volksschulamt ist es kein Giesskannenprinzip, da nicht alle Familien
«x-Franken Schulkosten» abziehen könnten. «Es ist immer so eine Frage, ob man
auch eine Art Sozialindex einbaut, indem man sagt, bedürftige Familien erhalten
ein bisschen mehr.»
Das
überlässt er jedoch der Gemeindeautonomie, die er generell hochhält. Das System
sei «einfach und praktikabel» und: «Mir ist nichts bekannt, dass etwas brodelt
oder dass Unsicherheiten vorhanden sind.»
Keine
Unsicherheiten? Aufhorchen liess kürzlich
der Fall eines 14-jährigen Schiesstalents aus Oensingen. Die
Schülerin besucht die Sport-Talentförderklasse in Solothurn. Nachdem in einer
Gemeinderats-Sitzung im September das entsprechende Gesuch der Eltern für
Verpflegungs- und Transportkosten abgelehnt wurde, wurde bereits in der
Oktober-Sitzung klar, dass die Gemeinde ein neues Konzept hat und die Kosten
übernimmt. 1'444 Franken für ein Jahres-Abo und 1'152 Franken für Verpflegung.
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