14. Januar 2018

Ohne Schwimmen keinen Pass

Wer nicht schwimmen will, bekommt keinen Schweizer Pass: So entschied die Bürgergemeinde Basel vor zwei Jahren, als zwei muslimische Mädchen ein Einbürgerungsgesuch stellten. Die beiden Schülerinnen hatten den Schwimmunterricht boykottiert, auch Klassenlager fanden ohne sie statt. Damit verstiessen sie gegen die Schulpflicht, befand die zuständige Basler Kommission und lehnte das Einbürgerungsgesuch ab. Der Fall sorgte für Wirbel bis über die Landesgrenzen hinaus.
Was damals lautstarke Empörung auslöste, gilt seit Anfang Jahr für die ganze Schweiz: Der Besuch des Schwimmunterrichts wird zum Gradmesser, ob Ausländer genügend integriert sind, um den roten Pass zu erwerben.
Ohne Schwimmen keinen roten Pass, Sonntagszeitung, 14.1. von Nadja Pastega


Grundlage ist das neue Bürgerrechtsgesetz, das am 1. Januar in Kraft trat. Darin sind neu Integrationskriterien aufgelistet. Wer Schweizer werden will, muss nicht nur ausreichend eine Landessprache beherrschen. Er muss ausserdem die Werte der Bundesverfassung respektieren. Laut der Verordnung zum Gesetz gehört dazu die Pflicht zum Schulbesuch. Und damit auch die Teilnahme am obligatorischen Schwimmunterricht, der mit dem Lehrplan 21 in allen Deutschschweizer Kantonen verbindlich wird.

Dem Schulobligatorium komme bei der Einbürgerung«spezielle Bedeutung» zu, sagt Lukas Rieder, Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM). Denn die schulischen Pflichten hätten «grundsätzlich Vorrang» vor der Beachtung religiöser Gebote einzelner Bevölkerungsteile. Wenn einbürgerungswillige Eltern ihren Kindern verbieten würden, am obligatorischen Schwimmunterricht teilzunehmen, könne das «ein Indiz für eine ungenügende Integration darstellen», sagt Rieder. Ein solches Verhalten deute nicht nur darauf hin, das die Werte der Bundesverfassung nicht respektiert würden, «sondern auch, dass die Kinder in ihrer Integration weder gefördert noch unterstützt werden». In solchen Fällen würden «weitere Abklärungen durchgeführt».

Kritik vonseiten islamischer Organisationen
Mit dem neuen Gesetz besteht jetzt eine schweizweit gültige Rechtsgrundlage, um eine Einbürgerung zu verweigern, wenn die Kinder ein obligatorisches Schulfach wie den Schwimmunterricht schwänzen. In diesem Fall sei «eine Ablehnung der Einbürgerung möglich», bestätigt das Migrationsamt des Kantons Bern.

Das sieht auch Stefan Wehrle so. Er ist Präsident der Einbürgerungskommission der Bürger­gemeinde Basel. «Wenn die obligatorische Schulpflicht verletzt wird, ist ein Einbürgerungsgesuch abzulehnen», sagt Wehrle. «Ich begrüsse ausdrücklich die Nennung des Schulbesuchs in der neuen Bürgerrechtsverordnung.»

Neben dem Schwimmunterricht, sagt Wehrle, würden in der Regel auch die Teilnahme an Schullagern verweigert, wovon ausschliesslich Mädchen betroffen seien. Damit sei auch die in der Bundesverfassung vorgeschriebene Gleichbehandlung der Geschlechter verletzt.

Auch christliche und jüdische Familien betroffen
Kritik an der neuen Regelung kommt von der Föderation islamischer Dachorganisation Schweiz (Fids). Es sei zwar wichtig, dass Kinder das Schwimmen in der Schule lernen würden, sagt Verbandssprecher Pascal Gemperli. Dennoch sei es «fragwürdig», wenn «in Einzelfällen» die Verweigerung des Schwimmunterrichts dazu führe, dass Ausländer nicht eingebürgert würden.

Auch Johannes Czwalina, Theologe und Unternehmens­berater im Basler Vorort Riehen, «bedauert» die neuen Einbürgerungsbestimmungen. Davon seien neben den Muslimen auch streng christliche und jüdische Familien betroffen. «Auch hier ist es bis heute heute Usus, dass man sich für die Kinder einen nach Geschlechtern getrennten Schwimmunterricht wünscht.»

Czwalina wurde über Basel hinaus bekannt, als er sich per Inserat anbot, muslimischen Eltern die Bussen zu bezahlen, wenn sie ihre Kinder nicht in den Schwimmunterricht schicken wollen. In Zusammenhang mit dem radikalen Islamgebe es «grosse Probleme», die man lösen müsse, sagt Czwalina. Ein ­Bagatellthema wie der Schwimmunterricht gehöre nicht dazu.

Die Verweigerung des Schwimmunterrichts aus religiösen Gründen sorgte in der Schweiz immer wieder für Diskussionen. Seit 2008 wurden drei Fälle bis vor das Bundesgericht gezogen. Das Verdikt der Richter war klar: Integration kommt vor Religion – der obligatorische Schulunterricht hat Vorrang vor religiösen Vorschriften.


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