Wer nicht schwimmen will, bekommt
keinen Schweizer Pass: So entschied die Bürgergemeinde Basel vor zwei Jahren,
als zwei muslimische Mädchen ein Einbürgerungsgesuch stellten. Die beiden
Schülerinnen hatten den Schwimmunterricht boykottiert, auch Klassenlager fanden
ohne sie statt. Damit verstiessen sie gegen die Schulpflicht, befand die
zuständige Basler Kommission und lehnte das Einbürgerungsgesuch ab. Der Fall
sorgte für Wirbel bis über die Landesgrenzen hinaus.
Was damals lautstarke
Empörung auslöste, gilt seit Anfang Jahr für die ganze Schweiz: Der Besuch des
Schwimmunterrichts wird zum Gradmesser, ob Ausländer genügend integriert sind,
um den roten Pass zu erwerben.
Ohne Schwimmen keinen roten Pass, Sonntagszeitung, 14.1. von Nadja Pastega
Grundlage ist das neue
Bürgerrechtsgesetz, das am 1. Januar in Kraft trat. Darin sind neu
Integrationskriterien aufgelistet. Wer Schweizer werden will, muss nicht nur
ausreichend eine Landessprache beherrschen. Er muss ausserdem die Werte der
Bundesverfassung respektieren. Laut der Verordnung zum Gesetz gehört dazu die
Pflicht zum Schulbesuch. Und damit auch die Teilnahme am obligatorischen
Schwimmunterricht, der mit dem Lehrplan 21 in allen Deutschschweizer Kantonen
verbindlich wird.
Dem Schulobligatorium komme
bei der Einbürgerung«spezielle
Bedeutung» zu, sagt Lukas Rieder, Sprecher des Staatssekretariats für Migration
(SEM). Denn die schulischen Pflichten hätten «grundsätzlich Vorrang» vor der
Beachtung religiöser Gebote einzelner Bevölkerungsteile. Wenn
einbürgerungswillige Eltern ihren Kindern verbieten würden, am obligatorischen
Schwimmunterricht teilzunehmen, könne das «ein Indiz für eine ungenügende
Integration darstellen», sagt Rieder. Ein solches Verhalten deute nicht nur
darauf hin, das die Werte der Bundesverfassung nicht respektiert würden,
«sondern auch, dass die Kinder in ihrer Integration weder gefördert noch
unterstützt werden». In solchen Fällen würden «weitere Abklärungen
durchgeführt».
Kritik vonseiten islamischer
Organisationen
Mit dem neuen Gesetz
besteht jetzt eine schweizweit gültige Rechtsgrundlage, um eine Einbürgerung zu
verweigern, wenn die Kinder ein obligatorisches Schulfach wie den
Schwimmunterricht schwänzen. In diesem Fall sei «eine Ablehnung der
Einbürgerung möglich», bestätigt das Migrationsamt des Kantons Bern.
Das sieht auch Stefan
Wehrle so. Er ist Präsident der Einbürgerungskommission der Bürgergemeinde
Basel. «Wenn die obligatorische Schulpflicht verletzt wird, ist ein Einbürgerungsgesuch
abzulehnen», sagt Wehrle. «Ich begrüsse ausdrücklich die Nennung des
Schulbesuchs in der neuen Bürgerrechtsverordnung.»
Neben dem
Schwimmunterricht, sagt Wehrle, würden in der Regel auch die Teilnahme an
Schullagern verweigert, wovon ausschliesslich Mädchen betroffen seien. Damit
sei auch die in der Bundesverfassung vorgeschriebene Gleichbehandlung der
Geschlechter verletzt.
Auch christliche und jüdische Familien
betroffen
Kritik an der neuen
Regelung kommt von der Föderation islamischer Dachorganisation Schweiz (Fids).
Es sei zwar wichtig, dass Kinder das Schwimmen in der Schule lernen würden,
sagt Verbandssprecher Pascal Gemperli. Dennoch sei es «fragwürdig», wenn «in
Einzelfällen» die Verweigerung des Schwimmunterrichts dazu führe, dass Ausländer
nicht eingebürgert würden.
Auch Johannes Czwalina,
Theologe und Unternehmensberater im Basler Vorort Riehen, «bedauert» die neuen
Einbürgerungsbestimmungen. Davon seien neben den Muslimen auch streng
christliche und jüdische Familien betroffen. «Auch hier ist es bis heute heute
Usus, dass man sich für die Kinder einen nach Geschlechtern getrennten
Schwimmunterricht wünscht.»
Czwalina wurde über Basel
hinaus bekannt, als er sich per Inserat anbot, muslimischen Eltern die Bussen
zu bezahlen, wenn sie ihre Kinder nicht in den Schwimmunterricht schicken
wollen. In Zusammenhang mit dem radikalen Islamgebe
es «grosse Probleme», die man lösen müsse, sagt Czwalina. Ein Bagatellthema
wie der Schwimmunterricht gehöre nicht dazu.
Die Verweigerung des
Schwimmunterrichts aus religiösen Gründen sorgte in der Schweiz immer wieder
für Diskussionen. Seit 2008 wurden drei Fälle bis vor das Bundesgericht
gezogen. Das Verdikt der Richter war klar: Integration kommt vor Religion –
der obligatorische Schulunterricht hat Vorrang vor religiösen Vorschriften.
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