Trotz zahlreicher
Ferienwochen und freier Nachmittage, viele Lehrpersonen arbeiten deutlich mehr,
als sie müssten. Um sie vor der zeitlichen Überlastung zu schützen, hat das
Volksschulamt des Kantons Zürich auf August 2017 einen «neuen Berufsauftrag»
eingeführt. Die Pensen der Lehrpersonen sind so neu über die Jahresarbeitszeit
festgeschrieben und nicht, wie bisher, über die Lektionenzahl. Doch statt
zeitlicher Entlastung und Vereinheitlichung schafft der neue Berufsauftrag
zusätzliche Pflichten und Verunsicherung. Das zeigen die Ergebnisse einer
Umfrage diverser Lehrpersonenverbände (SekZH, VPOD, ZLV, ZBL, und VZL DAZ), wie
sie am Freitag gemeinsam mitteilen.
Lehrer fühlen sich schikaniert, Tages Anzeiger, 12.1. von Ev Manz
An der
Umfrage haben 3500 Lehrerinnen und Lehrer sowie therapeutisch tätige
Fachpersonen teilgenommen, ein Viertel aller im Kanton tätigen Lehrpersonen.
Die Zusatzkommentare sind zudem mehrheitlich negativ. Die Verbände verlangen
daher dringend Anpassungen im neuen Berufsauftrag. ZLV-Präsident Christian Hugi
sagt: «Viele Lehrpersonen fühlen sich kontrolliert und sind unzufrieden. Vor
allem ältere Mitarbeiter sehen sich ungerecht behandelt.» Der ZLV unterstützt
grundsätzlich die Idee, die in den verschiedenen Schulbereichen geleistete Zeit
zu messen. Aber das Instrument hat für Hugi grosse Lücken. Zudem werde es von
Schule zu Schule anders gehandhabt.
Einen Schritt
weiter geht SekZH-Präsident Dani Kachel. Für ihn ist der neue Berufsauftrag in
dieser Art nicht akzeptabel. «Das Unterrichten auf diese Art zu messen, nimmt
den Lehrpersonen jede Individualität. Der Berufsauftrag bringt mehr Unruhe als
Entlastung.»
Im neuen
Berufsauftrag basiert eine 100-Prozent-Anstellung auf einer 42-Stunden-Woche
und vier Wochen Ferien. Übers Jahr ergibt dies eine Bruttoarbeitszeit von 2180
Stunden. Somit sind die Lehrer anderen kantonalen Angestellten gleichgestellt.
Für das Unterrichten sind im Berufsauftrag rund 80 Prozent der Arbeitszeit
vorgesehen. Pro Lektion gilt der Arbeitszeitfaktor von 58 Stunden. Die weiteren
in der Schule zu erledigenden Arbeiten sind für die Schule (Elternarbeit),
Zusammenarbeit (Schulkonferenzen) und Weiterbildung reserviert. Die
Lehrpersonen müssen darüber Buch führen, wie sie die Stunden einsetzen. Der
Schulleiter kann die einzelnen Lehrpersonen, je nach Stärken, einsetzen.
Geregelt wird alles in einer Pensenvereinbarung.
Zu tiefer
Arbeitszeitfaktor
Die
Umfrageteilnehmer kritisieren in erster Linie, dass der Arbeitszeitfaktor zu
tief angesetzt ist. Das heisst: Lehrpersonen genügt die im Berufsauftrag
festgelegte Zeit fürs Unterrichten nicht. Sie leisten mehr Stunden als
vereinbart, erhalten aber nicht mehr Lohn. Zudem werden Zusatzstunden wir
Bibliotheksaufsicht oder Sammlungswartung, die früher von der Gemeinde
ergänzend entschädigt wurden, neu unter den Berufsauftrag gefasst. «Die
Gemeinden sparen also auf Kosten der Lehrer», sagt Hugi. In einer Zürichseegemeinde
sind es rund 200'000 Franken. Oft sei auch unklar, in welchen Bereich eine
bestimmte Tätigkeit gehört.
Schlechtergestellt
fühlen sich die langjährigen Mitarbeiter. Hugi sagt: «Sie fühlen sich richtig
geprellt.» Statt der früheren altersbedingten Pensenreduktion werden ihnen ab
dem 50. beziehungsweise 60. Altersjahr je eine zusätzliche Ferienwochen
zugesprochen, bei weniger als einem Fünftel aller Befragten hat die
Schulleitung den Verlust kompensiert. «Absolut seltsam und realitätsfremd» finden
die Verbände zudem die Absenzenregelung. Wer krank ist oder Militärdienst
leistet, muss die Abwesenheit bei den ausserhalb des Unterrichtens fallenden
Arbeiten, zum Beispiel die Teilnahme an einem Jahresend-Ball, nachholen. «Bei
Elterngesprächen ist das verständlich, aber wie will man die Arbeitszeit an
einem Schulanlass nachholen, der in einem Schuljahr gar nicht mehr
stattfindet?», fragt Hugi.
An vielen
Schulen sind zudem die neuen Pensenvereinbarungen nicht termingerecht, das
heisst bis auf Ende März 2017, ausgestellt worden. Somit blieb vielen
Lehrpersonen faktisch das Mitspracherecht verwehrt. Das, so die Forderung der
Verbände, müsse diesen Frühling zwingend besser ablaufen.
Zweite Evaluation
Gespräche
zwischen der Lehrpersonenverbänden und dem Volksschulamt sind bereits im Gang.
In Sachen Altersentlassung hat dieses indes keine Hand geboten. Bei der
Absenzenregelung hoffen die Verbände noch auf ein Ja zu einer «etwas
grosszügigeren Handhabung». Längerfristig streben die Verbände an, dass der
Arbeitszeitfaktor auf mindestens 60 Stunden pro Lektion erhöht wird. Eine
zweite Umfrage Ende Schuljahr soll dies belegen. Darin evaluieren die Verbände,
inwiefern die geleistete Arbeit der vereinbarten entsprochen hat. Die Verbände
erwarten, dass auch das Volksschulamt eine Evaluation vornimmt. Spätestens wie
geplant in zwei Jahren.
Befürworter
der Vorlage im Kantonsrat lobten bei der Debatte 2013 die Flexibilität des
neuen Berufsauftrags. Kritiker wiesen schon damals darauf hin, dass der neue
Berufsauftrag die Lehrpersonen nicht entlaste, sondern zu einer bürokratischen
Übung verkomme und die Lehrpersonen viel Energie koste. Die damalige
Bildungsdirektorin Regine Aeppli (SP) entgegnete: «Vorlagen, die von Skepsis
begleitet sind, haben oft das Potenzial, grosse Veränderungen
herbeizuführen.»
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