Eine neue Studie belegt: Kinder, die früher
Französisch lernen müssen, beherrschen die Sprache schlechter als Schüler, die
später damit beginnen. Damit beweist Susanne Zbinden von der Universität
Fribourg in ihrer mit «summa cum laude» ausgezeichneten Masterarbeit, was
Lehrer schon lange vermuten: Die neue Fremdsprachendidaktik kostet viel und
bringt nichts. «Es ist ein aufgeblasenes Konzept, aber Kritiker wurden
jahrelang in die Ecke der Ewiggestrigen gestellt», sagt Philipp Loretz,
Geschäftsleitungsmitglied des Lehrervereins Baselland.
Frühsprachen-Konzept zeigt seine Schwächen, Basler Zeitung, 8.1. von Franziska Laur
Schon die Sprachwissenschaftlerin Simone Pfenninger
hatte vor Jahren Ähnliches herausgefunden. Christoph Eymann, damals Basler
Erziehungsdirektor und Präsident der Eidgenössischen
Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), tat diese Erkenntnisse als qualitativ
ungenügend ab.
Susanne Zbinden hat die wissenschaftliche Studie
mit rund 500 Schülern aus dem Kanton Bern durchgeführt. Sie hat zwei Gruppen
verglichen. Die einen waren bei Unterrichtsbeginn jünger und arbeiteten mit dem
neuen Lehrmittel «Clin d’œil», die anderen waren ein Jahr älter und arbeiteten
mit dem alten Lehrmittel «Bonne Chance». Beide Vergleichsgruppen wurden nach
588 Lektionen getestet.
Obwohl diejenigen Schüler, die mit dem neuen
Lehrmittel unterrichtet wurden, ein Jahr länger Französisch gehabt hatten,
waren vor allem die Leistungen im Bereich Leseverständnis signifikant schlechter
als bei denen, die mit dem alten Lehrmittel unterrichtet wurden. «Susanne
Zbinden zeigt auf, dass Schüler, die nach bewährten international anerkannten
Methoden Französisch gelernt haben, über ein besseres Textverständnis verfügen
als ihre Kolleginnen und Kollegen, die nach der sogenannten
Mehrsprachendidaktik unterrichtet worden sind», sagt Loretz.
Absteigen, wenn das Pferd tot ist
Diese Resultate würden ihn gar nicht überraschen,
sagt Lehrer Loretz. «Es ist das eingetroffen, was eintreffen musste.» Die
Leitung des Projekts Passepartout (siehe Box) habe sämtliche Bedenken von
Anfang an konsequent in den Wind geschlagen. «Wenn du merkst, dass dein Pferd
tot ist, dann steige ab», sagt Loretz. Doch Reto Furter, Gesamtprojektleiter
von Passepartout, scheine immer noch nicht gemerkt zu haben, dass sein Pferd
von Anfang an todkrank war.
Das sieht der Basler LDP-Erziehungsdirektor
Conradin Cramer anders. Man nehme die Erkenntnisse ernst. Die Verfasserin der
Berner Studie und die Projektgruppe Passepartout würden bereits im Austausch
stehen. Schon in den vergangenen Jahren seien immer wieder Anpassungen
vorgenommen worden und auch diese Erkenntnisse würden der Projektgruppe nützen,
die Lehrmittel zu verbessern. Cramer bedauert allerdings, dass in der
wissenschaftlichen Arbeit achte Klassen mit neunten Klassen verglichen worden
sind. «Viele der ‹Wissenslücken›, die man bei den Passepartout-Schülern
festgestellt hat, wären ein Jahr später wohl behoben gewesen.»
Dann wäre der Test aber unlogisch gewesen, da es ja
darum ging, festzustellen, ob das Frühfranzösisch Sinn macht. Das Ergebnis ist
denn auch für die Basler GLP-Grossrätin Katja Christ keine Überraschung:
«Grundsätzlich wäre ja die Idee hinter den neuen Lehrmitteln für Fremdsprachen,
dass die Kinder in ein Sprachbad eintauchen. Das würde bedeuten, dass
mindestens 50 Prozent des gesamten Wochenunterrichts – also auch Sport,
Mathematik oder Handarbeit – in dieser Sprache abgehalten werden müssten, was
in der Realität jedoch nicht umsetzbar ist.»
Loretz bestätigt: «Das propagierte Sprachbad
existiert nicht. Das geben mittlerweile auch die Verantwortlichen des Projekts
Passepartout zu.» Trotzdem würden sie in den obligatorischen Fortbildungskursen
weiterhin eine Didaktik propagieren, die auf dem inexistenten Sprachbad beruhe
und die sich auf zwei Theorien stütze, für die es keinerlei Wirkungsnachweis
gebe. Loretz prophezeit, dass sich der «sträflich vernachlässigte Aufbau der
wichtigsten sprachlichen Strukturen rächt». In zahlreichen Gesprächen mit
Schülern, Eltern und Berufskollegen habe er festgestellt: «Bei den Schülern
herrscht ein regelrechtes Durcheinander. Fehlerhafte Formen sind zementiert.»
So sei dem Kanton Bern bei den Aufnahmeprüfungen fürs Gymnasium nichts anderes
übrig geblieben, als den Grammatikteil zu streichen. Dies sei also eine
Kapitulation vor dem Versagen einer flächendeckend eingeführten Schulreform.
Kinder bleiben auf der Strecke
Für Katja Christ ist klar, dass nicht nur das
Sprachbad, sondern das Frühfranzösisch generell nicht gewinnbringend sind: «In
den Klassen sitzen viele Kinder, die kaum Deutsch sprechen. Da macht es keinen
Sinn, schon in der dritten Klasse mit Französisch zu beginnen.» Ihrer Meinung
nach müsse man sich vielmehr auf die deutsche Sprache und ihre Grundlagen
konzentrieren und später mit Fremdsprachen beginnen, dafür jedoch mehr Gewicht
auf einen systematischen Aufbau mit Grammatik und Wortschatz legen.
Für dieses Argument hat Cramer kein Gehör: «Der
Zusammenhang Deutsch–Französisch erschliesst sich mir nicht.» Es gebe Schüler,
die im Deutsch gute Noten schrieben, im Französisch aber Mühe hätten – und
umgekehrt. Zudem könne für jemanden mit romanischer Muttersprache Französisch
gar einfacher erlernbar sein.
Eine Passepartout-Befragung wird soeben
ausgewertet. Gaby Hintermann, Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz
Basel-Stadt: «Die Daten sind noch unvollständig. Klar ist aber, dass wir die
Mehrsprachigkeitsdidaktik unterstützen.» Es werde jedoch infrage gestellt, ob
sie in der aktuell gültigen Stundentafel gewinnbringend sei.
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