Mit
staatspolitischen Interessen argumentieren die Befürworter. Die Volksinitiative
«Lehrplan vors Volk» setze zwei der wichtigsten schweizerischen Erfolgsfaktoren
ins Zentrum: Bildung und Demokratie. Dies sagte der Vizepräsident der Zürcher
Jungfreisinnigen, Sandro Lienhart, als Vertreter des überparteilichen
Abstimmungskomitees am Montag vor den Medien. Das Zürcher Stimmvolk solle
mitreden können, wenn es um derart wichtige Entscheidungen wie den Lehrplan
gehe.
Zürcher Gegner starten letztes Manöver gegen den Lehrplan 21, NZZ, 17.1. von Lena Schenkel
Der
Lehrplan legt fest, was Schüler während ihrer obligatorischen Schulzeit lernen
sollen, und wird vom Bildungsrat erlassen, einem neunköpfigen Fachgremium mit
Vertretern aus Schule, Wissenschaft und Wirtschaft. Das bliebe auch so, wenn
die Zürcher Stimmbürger die Volksinitiative am 4. März annähmen. Jedoch
müsste der Kantonsrat neue oder geänderte Lehrpläne künftig genehmigen – und
über das fakultative Referendum könnte das Volk in letzter Instanz
mitentscheiden.
Sollen Fachleute oder die Basis entscheiden?
Der Kantonsrat selbst hatte die von SVP- und
EDU-Politikern, konservativen Schulvertretern und Jungfreisinnigen portierte
Initiative letzten Sommer wuchtig verworfen; der Regierungsrat lehnt
diese ebenfalls ab. Wie Bildungsdirektorin Silvia Steiner am Dienstag an einer
Medienkonferenz ausführte, gebe es genügend demokratische Möglichkeiten, auf
die Gestaltung des Lehrplans einzuwirken.
Der
Bildungsrat sei von den Volksvertretern im Kantonsrat gewählt, erstelle
Lehrpläne in breiten Mitwirkungsverfahren und gebe diese zur Vernehmlassung.
Diese Kompetenzregelung habe sich während Jahrzehnten bewährt; Volk und Rat
hätten ihr mehrfach zugestimmt. Wenn nun Politiker oder Stimmbürger statt
Fachexperten, die eng mit den Schulen zusammen arbeiteten, über pädagogische
Inhalte entscheiden müssten, drohe die Bildung zum Spielball politischer
Interessen zu werden. Bildungsrat und Vizepräsident des Verbandes Zürcher
Schulpräsidien Theo Meier verglich den Lehrplan als komplexes Regelwerk mit
einem Mobile: Ändere man daran etwas, gerate alles durcheinander.
Dagegen
hatten tags zuvor die Initianten argumentiert, dass das Stimmvolk gewöhnt sei,
sich mit komplexen Sachfragen auseinanderzusetzen. Camille Lothe von der jungen
SVP sagte, es sollten nicht «weit vom Schulalltag entfernte Theoretiker»
entscheiden, sondern die Betroffenen an der Basis. Nach Meinung des Komitees
verstärke dies dort deren Akzeptanz und könne nachträglichen Widerstand
verhindern. Kantonsrätin Anita Borer (svp.) rechnete derweil vor, was der neue
Lehrplan 21 kostet: von den Weiterbildungen der Lehrer bis zu den neuen
Lehrmitteln.
Damit
machte sie klar, worum es den Befürwortern der Initiative in erster Linie geht:
die Zürcher Variante des Lehrplans 21 zu verhindern (siehe Zusatz). So monieren
einzelne Vertreter wie der Kinderarzt Hannes Geiges (cvp.) oder der
Sekundarlehrer Régis Ecklin (svp.), die verschiedenen Interessengruppen seien
nur ungenügend berücksichtigt worden. Diesem Vorwurf widerspricht die Chefin
des Volksschulamts Marion Völger auf Gegnerseite: 131 Stellungnahmen seien in
die Erarbeitung des neuen Lehrplans eingeflossen und hätten zu einem breiten
Konsens geführt. Sämtliche grossen Verbände im Schulbereich hätten den
letztjährigen Erlass gestützt.
Der Lehrplan 21 kommt sowieso
Würde die
Initiative angenommen, müsste der Kantonsrat diesen wohl im Sinne einer
Übergangsbestimmung nachträglich genehmigen. Falls er dies nicht täte, dauerte
es voraussichtlich Jahre, bis ein neuer Lehrplan ausgearbeitet würde. Oder wie
es Bildungsdirektorin Steiner ausdrückte: «Zurück auf Feld 1, wie beim
Leiterlispiel.» Täte er dies, müsste künftig selbst die kleinste Änderung durch
den Kantonsrat, was aufwendig und unzweckmässig sei.
In jedem
Fall aber werde der neue Lehrplan 21 planmässig diesen Sommer eingeführt. Was
das für die Volksschulen bedeutete, erklärte Martin Lampert, der als
Sekundarlehrer ebenfalls im Bildungsrat sitzt: Unsicherheit. «Fatal und
kostspielig» nennt er das drohende Hü-hott-Szenario. Die Vorbereitungen zum
Lehrplan 21 liefen auf Hochtouren, bereits seien Lehrer geschult und neue
Lehrmittel im Einsatz. Im schlimmsten Fall müssten diese Jahre nach einem neuen
Modell unterrichten, ehe ein neuer Lehrplan in Kraft treten könnte. Dass man
den Lehrplan übereilt erlassen habe, um dieses Argument gegen die Initiative
anführen zu können, lässt die Bildungsdirektorin nicht gelten: Die Umsetzung
sei sehr sorgfältig geplant worden. Vielmehr wäre es für Steiner undemokratisch
gewesen, die Umsetzung ihretwegen zu stoppen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen