Neulich an einem Elternabend in der Volksschule: Die Lehrerin
der Tochter stellt eine Kollegin vor. Zum Erstaunen vieler Eltern präsentiert
sie die Frau, die neben ihr steht, nicht etwa als neue Lehrerin, sondern als
«Lehrperson». Nun sind wir ja einigermassen abgehärtet, was Gender-korrekte
Sprache angeht. Der erhobene Zeigefinger des Binnen-I erschreckt uns nicht, und
auch das mit Schrägstrichen abgetrennte «/innen» überlesen wir ohne Murren.
Dass irgendeine Frau deswegen einen besseren Lohn erhält oder weniger belästigt
wird, glauben wir zwar nicht, aber solange manchen Menschen die
Verkomplizierung der Sprache moralischen Auftrieb gibt, akzeptieren wir solche
kleinen Verunstaltungen im Schriftbild.
Die Lehrerin verschwindet, NZZ, 31.1. von Irène Troxler
Neu ist uns aber, dass eine Lehrerin, die freundlich lächelnd vor uns
steht, von ihrer Weiblichkeit befreit werden muss. Ist eine abstrakte
Wortschöpfung schmeichelhafter? Kommen die Qualitäten der Lehrerin besser zur
Geltung, wenn ihr Geschlecht sprachlich vernebelt wird? Wohl kaum. Vor dem
inneren Auge steigt unwillkürlich eine strenge Nonne auf, die den Kindern auf
die Finger schlägt, wenn sie nicht aufpassen. Und für Fälle, in denen man
unbedingt einen geschlechtsneutralen Begriff benötigt, damit sich Lehrer und
Lehrerinnen mitgemeint fühlen, hätte der Duden ein vollwertiges Wort parat. Es
lautet «Lehrkraft».
«Lehrperson» hingegen existiert nicht. Diese Konstruktion muss sich eine
missionarisch veranlagte Pädagogin ausgedacht haben. Die Wortschöpfung hat
allerdings schon eine steile Karriere hinter sich: Von der Pädagogischen
Hochschule Zürich beispielsweise hat sie die Lehrerinnen und Lehrer bereits
verdrängt. Nur die Schülerinnen und Schüler haben dort noch ein Geschlecht.
Aber wie lange noch? Als «Schreibperson» schlage ich vor: «Nennen wir sie doch
‹Lernpersonen›». Was meinen Sie dazu, liebe «Leseperson»?
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