31. Januar 2018

Die Lehrerin verschwindet

Neulich an einem Elternabend in der Volksschule: Die Lehrerin der Tochter stellt eine Kollegin vor. Zum Erstaunen vieler Eltern präsentiert sie die Frau, die neben ihr steht, nicht etwa als neue Lehrerin, sondern als «Lehrperson». Nun sind wir ja einigermassen abgehärtet, was Gender-korrekte Sprache angeht. Der erhobene Zeigefinger des Binnen-I erschreckt uns nicht, und auch das mit Schrägstrichen abgetrennte «/innen» überlesen wir ohne Murren. Dass irgendeine Frau deswegen einen besseren Lohn erhält oder weniger belästigt wird, glauben wir zwar nicht, aber solange manchen Menschen die Verkomplizierung der Sprache moralischen Auftrieb gibt, akzeptieren wir solche kleinen Verunstaltungen im Schriftbild.
Die Lehrerin verschwindet, NZZ, 31.1. von Irène Troxler


Neu ist uns aber, dass eine Lehrerin, die freundlich lächelnd vor uns steht, von ihrer Weiblichkeit befreit werden muss. Ist eine abstrakte Wortschöpfung schmeichelhafter? Kommen die Qualitäten der Lehrerin besser zur Geltung, wenn ihr Geschlecht sprachlich vernebelt wird? Wohl kaum. Vor dem inneren Auge steigt unwillkürlich eine strenge Nonne auf, die den Kindern auf die Finger schlägt, wenn sie nicht aufpassen. Und für Fälle, in denen man unbedingt einen geschlechtsneutralen Begriff benötigt, damit sich Lehrer und Lehrerinnen mitgemeint fühlen, hätte der Duden ein vollwertiges Wort parat. Es lautet «Lehrkraft».

«Lehrperson» hingegen existiert nicht. Diese Konstruktion muss sich eine missionarisch veranlagte Pädagogin ausgedacht haben. Die Wortschöpfung hat allerdings schon eine steile Karriere hinter sich: Von der Pädagogischen Hochschule Zürich beispielsweise hat sie die Lehrerinnen und Lehrer bereits verdrängt. Nur die Schülerinnen und Schüler haben dort noch ein Geschlecht. Aber wie lange noch? Als «Schreibperson» schlage ich vor: «Nennen wir sie doch ‹Lernpersonen›». Was meinen Sie dazu, liebe «Leseperson»?


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