Spätestens seit die völlig entnervte Lehrerin
Ingrid Leimbach-Knorr im Film «Fack ju Göhte» aus dem Fenster springt, ist der
Allgemeinheit klar: Lehrersein ist kein Zuckerschlecken. Die Zeiten, als eine
Lehrperson ganz selbstverständlich auch eine Autoritätsperson war, sind längst
vorbei. Doch der tägliche Krieg tobt nicht nur im Klassen-, sondern auch im
Lehrerzimmer. Dies führt uns die neue Hausproduktion des Vorstadttheaters Basel
vor Augen.
Bereits
das Läuten der Schulglocke löst bei der Biologielehrerin (Denise Wintsch) einen
hysterischen Anfall aus. Der tägliche Rhythmus wird zum Zwang und das
Lehrerzimmer zum Lehrerzwinger, in dem sich die Beteiligten eingesperrt fühlen.
Da sind die Fische im Aquarium, dem einzigen farbigen Schmuck im Raum, noch
freier.
Der
geheimnisvolle Raum
Das
rund 90-minütige Stück, das unter der Regie von Matthias Grupp mit den sieben
Darstellern und ihren eigenen Erfahrungen erarbeitet worden ist, fokussiert
sich ganz auf das Geschehen im Lehrerzimmer. Jener für die Schüler so
geheimnisvolle Ort, wo über ihr Schicksal entschieden wird. Dass dies mitunter
im Eiltempo vor sich geht, zeigt die Notenkonferenz, die keine Zeit für eine
subtile Bewertung lässt.
Druck
wird nicht nur auf die Schülerschaft ausgeübt, auch die Lehrer selber stehen in
einem stetigen Überlebenskampf. Der Rektor, ein Spät-68er mit langen Haaren und
Perupullover (Michael Wolf), versteckt sich am liebsten vor allen. Zuweilen
lobt er seine Lehrerschaft überschwänglich, spricht salbungsvoll vom Brückenbau
zwischen Lehrern und Schülern und tobt dann plötzlich, wenn er eine
Unterrichtsstunde übernehmen soll. Den Telefonaten aus dem Departement weicht
er aus und überlässt den Tagesbetrieb seiner Co-Rektorin (Gina Durler), die
selber am Rand des Wahnsinns ist, zumal sie sich gerade von ihrem Mann trennt,
der als Werklehrer (Michael Schwager) ebenfalls an der Schule tätig ist.
Kampf
unter Pädagogen
Die
Englisch- und Sportlehrerin (Sarah Speiser) zeigt eine krampfhafte
Beflissenheit, um endlich eine Festanstellung zu bekommen. Doch da bekommt sie
plötzlich Konkurrenz vom neuen Musiklehrer (Aaron Hitz), der sich mit
schlechten Witzen und sülzigen Liedern im Kollegium einschmeichelt. Eine kurze
Romanze zwischen den beiden kann nicht über den schwelenden Existenzkampf
hinwegtäuschen, der zuletzt gar in eine Prügelei ausartet.
Nur
die Deutschlehrein (Katja Langnäse) macht penetrant auf Harmonie und versucht
in jedem noch so banalen Schülergedicht tiefschürfende Poesie zu entdecken.
Aber selbst sie resigniert zum Schluss.
Natürlich
sind diese Figuren überzeichnet. Doch jeder Zuschauer entdeckt in der einen
oder anderen Person Züge einer Lehrerin oder eines Lehrers von früher. Das
macht dieses Stück bei aller Überspitzung authentisch. Und Matthias Grupp sorgt
als Regisseur dafür, dass die Sache nicht völlig aus dem Ruder läuft.
Grossartig
ist das Bühnenbild von Andreas Bächli. Eine Wand mit vielen Kästen, die nicht
nur als Aufbewahrungsort für die Lehrerschaft dienen, sondern zum Fluchtort für
den Rektor werden. Die Sportlehrerin turnt sich durch diese Wand, die gar die
Aufsicht auf die speditiv durchgezogene Notenkonferenz ermöglicht. Manchmal
etwas gar aufdringlich ist der teilweise recht monotone Musikteppich von
Florian Grupp, unter dem die Texte stellenweise untergehen.
Alles
endet zum Schluss im Tumult, nur die reinen Kehlen eines Kinderchors sorgen für
einen kurzen Augenblick der Harmonie. Doch der brutale Schulalltag beginnt
bereits am nächsten Tag von Neuem.
Nächste Vorstellungen: 12., 13., 20., 26.
und 27. 1., je 20 Uhr. 28. 1., 11 Uhr. 2. und 10. 2., je 20 Uhr. 11. 2., 11
Uhr.Vorstadttheater, Basel. www.vorstadttheaterbasel.ch
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen