24. Januar 2018

Baselland stimmt über Frühenglisch ab

Das hat es anderswo in der Schweiz noch nie gegeben: Die Stimmberechtigten im Baselbiet werden voraussichtlich an der Urne über die Abschaffung von Frühenglisch in den Primarschulen entscheiden. Die kantonale Abstimmung über die Volksinitiative «Stopp der Überforderung von Schüler/-innen: Eine Fremdsprache auf der Primarstufe genügt» dürfte am 10. Juni stattfinden. Morgen ist die Initiative im Landrat traktandiert.
Die obligatorischen Passepartout-Lehrmittel werden heftig kritisiert, Bild: Stefan Leimer
Frühenglisch steht zur Debatte, Basler Zeitung, 24.1. von Thomas Dähler

Frühenglisch ist umstritten: Eine Studie der Sprachwissenschaftler Simone Pfenninger und David Singleton hat ergeben, dass Frühlernende in Zürich nicht bessere Englischkenntnisse erworben haben als Spätlernende: Je früher, desto besser gilt nicht. Englisch wird in den Baselbieter Primarschulen ab der 5. Klasse unterrichtet. Die Bildungs-, Kultur- und Sportkommission des Landrats beantragt dem Parlament mit acht zu zwei Stimmen, dem Volk ein Nein zur Initiative zu empfehlen.

Die von der Starken Schule Baselland lancierte Initiative wurde am 15. Oktober 2015 mit 1969 gültigen Unterschriften eingereicht. Im Initiativkomitee sind sechs amtierende Landräte vertreten: Paul Hofer (FDP), Caroline Mall (SVP), Regula Steinemann (GLP), Pascale Uccella (SVP), Paul Wenger (SVP) und Jürg Wiedemann (GU). Ihr Begehren verlangt, dass auf der Primarstufe nur Französisch als Fremdsprache unterrichtet wird. Die zweite Fremdsprache wird auf der Sekundarstufe I eingeführt. Anderslautende interkantonale Verträge und Konkordate müssen gekündigt werden.

Überforderte Schüler
Das Initiativkomitee begründet sein Begehren mit der «flächendeckenden Kritik» am 2014 eingeführten neuen Sprachenkonzept, wonach die Schülerinnen und Schüler gleichzeitig zwei Fremdsprachen in der Primarschule erlernen müssen. Dies überfordere die Kinder und führe dazu, dass sie zunehmend frustriert seien. Es gebe keine Studie, die belege, dass das frühe Erlernen von mehreren Fremdsprachen nachhaltig wirksam sei. «Es ist uns wichtig, dass an den Volksschulen keine Experimente mit unseren Kindern durchgeführt werden», sagte Saskia Olsson, Geschäftsleiterin der Starken Schule, bei der Lancierung des Volksbegehrens.

Auffallend ist, dass in den ablehnenden Begründungen der Regierung und der Landratskommission kein inhaltliches Argument gegen die Initiative aufgeführt ist. Es gäbe bekanntlich gute Gründe, weshalb Englisch auch für Schweizerinnen und Schweizer wichtig ist. Doch diese fehlen in den Unterlagen der Regierung und der Kommission. Diese beschränken sich auf legalistische, finanzielle und formale Gründe, weshalb das Begehren abzulehnen sei.

Behauptet wird gar ein mögliches «Eingreifen des Bundes infolge der Abweichung vom Harmos-Konkordat», was juristisch falsch ist. Der Bund hat einst lediglich in Aussicht gestellt, zugunsten der Landessprache Französisch zu intervenieren, diese Möglichkeit aber längst wieder fallen gelassen. Auf Bundesebene existieren – anders als zu den Landessprachen – keinerlei Bestimmungen zur Fremdsprache Englisch.

Im Kommissionsbericht wird auf die Studie von Pfenninger hingewiesen: Diese werde gemäss der Verwaltung «bezüglich ihrer Methodik in Fachkreisen kritisiert». Die Regierung begründet ihr Nein mit den Verpflichtungen des Harmos-Konkordats, dem Baselland beigetreten ist, mit den ihrer Ansicht nach anfallenden Mehrkosten sowie mit den bereits geleisteten Anstrengungen für den Unterricht auf der Primarschulstufe, die ungenutzt verpuffen würden. Argumentiert wird zudem mit den technischen Problemen bei der Gestaltung der Stundentafel.

Ausstieg aus «Passepartout»
Zudem befürchtet die Regierung, dass die Chancengleichheit der Baselbieter Schülerinnen und Schüler «im gesamtschweizerischen Kontext» beeinträchtigt sei. Die Unterlagen zeigen auch auf, dass in sämtlichen Kantonen Englisch in der Primarschule unterrichtet wird, in weiten Teilen der Deutschschweiz sogar als erste Fremdsprache. Das Baselbieter Modell mit Englisch als zweiter Fremdsprache ab der 5. Klasse basiert auf dem Passepartout-Konzept der Kantone Bern, Freiburg, Wallis, Solothurn, Basel-Stadt und Baselland.
Gleichzeitig wird der Landrat morgen auch die Initiative für den «Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt» behandeln. Diese Initiative wurde ebenfalls von der Starken Schule lanciert und dürfte gleichzeitig dem Volk vorgelegt werden.
Regierung und Landratskommission lehnen auch diese Initiative ab. Regierungsrätin Monica Gschwind empfiehlt ein Nein, weil die Sprachkenntnisse des ersten Passepartout-Jahrgangs erst erhoben werden, wenn dieser die Volksschule verlässt.


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