Erstklässler
müssen bald mehr in die Schule. Der Dietiker Bernhard Schmidt will das dem
Kanton verbieten. Zu diesem Zweck soll eine kantonale Volksinitiative lanciert
werden.
Mehr Unterricht für Erstklässler: Initiative soll Zusatzstunden verhindern, Limmattaler Zeitung, 12.12. von Leo Eiholzer
Das
passt dem Dietiker Schulpfleger Bernhard Schmidt (parteilos), der in der Stadt
Zürich eine Schule leitet, gar nicht: «Ich finde dieses Verteilen von Stunden
auf die Erstklässler grundsätzlich fatal. Die Kinder müssen ständig sozial
interagieren und können nie zur Ruhe kommen», sagt er. Um die neue Regelung zu
verhindern, will Schmidt eine kantonale Volksinitiative einreichen. «Es braucht
politischen Druck. Ich habe schon von einigen Leuten aus dem Schulkontext
Unterstützung signalisiert bekommen.» Schmidt, der schon die
Stopp-Limmattalbahn-Initiative lancierte, sagt, er überlege noch, ob er die
Initiative tatsächlich einreichen will. Die Pläne hören sich aber schon sehr
konkret an. «Am Schluss ist das schnell auf die Beine gestellt», sagt er.
Drei Nachmittage Schule
Die
Schulen sind heute im Rahmen der Blockzeitenregelung verpflichtet, die Kinder
jeweils von acht bis zwölf Uhr zu beschäftigen. Zusammen mit zwei Nachmittagen
ergibt das 24 Lektionen, während der Stundenplan bisher nur 22 Lektionen
hergab. Um die Lücke zu füllen und den Blockzeiten zu entsprechen, mussten die
Schulgemeinden entweder Musikalische Grundausbildung oder Betreuung anbieten.
Ab
August 2018 wird das 24-Lektionen-Soll bereits mit dem normalen Unterricht
erfüllt. Trotzdem dürfen die Schulgemeinden die «Lückenfüller» Musikalische
Grundausbildung und Betreuung weiterhin anbieten, womit man dann aber bei 26
Lektionen pro Woche wäre. Das würde dazu führen, dass Erstklässler nicht mehr
nur zwei, sondern drei Nachmittage pro Woche in die Schule gehen.
Allerdings
ist der Besuch der Musikalischen Grundausbildung und der Betreuung freiwillig.
Deshalb können die Eltern ihre Kinder bei Überforderung individuell entlasten,
heisst es beim Volksschulamt. Diese Gleichung könne man nicht so einfach
machen, sagt Schmidt: «Die Musikalische Grundausbildung findet oft zu
Randzeiten statt, wie zwischen neun und zehn. Wo soll das Kind hin, wenn es
dann freihat?» Kommt hinzu: Auf Anfrage der Limmattaler Zeitung sagten mehrere
Schulgemeinden im Bezirk, die Freiwilligkeit werde den Eltern gar nicht
kommuniziert. Ausserdem wird der dritte Nachmittag Schule für viele Eltern wohl
eine willkommene zusätzliche Betreuungsmöglichkeit sein.
Schmidts
Schlussfolgerung, dass die zwei Zusatzstunden in der ersten Klasse den Schülern
schaden, bleibt aber nicht unbestritten. Die Psychologin Christine Hefti, die
viel mit Kindern arbeitet, sagt: «Ich glaube nicht, dass diese Änderung negativ
ist. Wir sind von Geburt an soziale Wesen.» Deshalb sei zu viel an sozialer
Interaktion nicht zu befürchten.
Gesellschafts- oder Kindeswohl?
Schmidt
sieht die Änderungen aber auch in einem grösseren Kontext: «Die Kleinsten
kommen immer mehr unter die Räder», sagt er. «Man vollzieht diese Änderungen
nicht, weil es Sinn für die Kinder macht, sondern weil es der Gesellschaft
entgegenkommt.»
Obwohl
Schmidt Wert darauf legt, dass er die Initiative als Privatperson lancieren
will, eckt er mit seinem Vorstoss an, weil er Mitglied der Dietiker Schulpflege
ist. Stadtrat und Schulvorstand Jean-Pierre Balbiani (SVP) ist nicht erfreut:
«Ich kann ihm den Mund nicht verbieten, aber geschickt ist das nicht. So etwas
macht man nicht, wenn man einer Kollegialbehörde wie der Schulpflege angehört.»
Schmidt, der am 4. März für das Dietiker Stadtpräsidium kandidiert, sagt dazu:
«Ich kann Herrn Balbiani nicht ganz verstehen, da es sich um ein
gesellschaftliches und nicht um ein schulpolitisches Thema handelt. Es steht mit
der Schulpflege Dietikon in keinem Zusammenhang.»
Der
genaue Text der möglichen Initiative ist noch offen. Doch die Stossrichtung ist
klar: «Auf Primar- und Sekundarstufe sollen etwa 15 Prozent der Lektionen
wegfallen.» Schmidt ist zuversichtlich, dass er die nötigen 5000 Unterschriften
zusammenbekommt. «Die Abstimmung zu gewinnen, ist eine andere Sache», sagt er.
«Vielleicht sagt sich ja die CVP, die Kinder sind uns wichtig, und nimmt das
Anliegen auf. Dann würde eine Dynamik entstehen.»
Kaum eingeführt wird die neue Stundentafel kritisiert - vgl. auch Luzern.
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