Mit der
Einführung des 6. Primarschuljahres auf Kosten der Sekundarschule geht die
Leistungsschere der lernstarken und lernschwachen Primarschülerinnen und
-schüler spürbar auseinander, zudem setzt die Pubertät ein. In derart
heterogenen Klassen allen Kindern gerecht zu werden, ohne die Schwächsten zu überrollen
und die Stärksten zu unterfordern, kommt einem Mehrfachspagat der
Primarlehrpersonen gleich. Den Bildungsansprüchen jedes Einzelnen kann kaum
mehr genügt werden – ein Bildungsabbau ist programmiert. Die Erfahrungen in den
vergangenen zwei Jahren zeigen: Im 6. Primarschuljahr wird fachlich markant
weniger behandelt, als dies früher im entsprechenden 1. Sekundarschuljahr der
Fall war. Bildungspolitisch ist dieser Strukturwechsel ein Flopp. Finanziell
hat sich die Sparübung nur für den Kanton gelohnt, indem er einen Viertel der
Sekundarschulzeit durch entsprechend «günstigere» Primarlehrerlöhne ersetzen
konnte.
Nur die Wirtschaft hat Freude daran, Baselbieter Zeitung, 12.11. von Michael Pedrazzi
Im Kanton Baselland war bislang der Anteil der Schülerinnen und
-schüler, die in der Sekundarschule ins progymnasiale Leistungsniveau P eingeteilt
wurden, überdurchschnittlich hoch. Dieser Anteil war grösser als in meisten
Kantonen, die schon früher sechs statt M fünf Primarschuljahre kannten. Um aber
die Schüler fachlich gleich gut auf die Berufslehre und die weiterführenden
Schulen (FMS, Gymnasium usw.) vorbereiten zu können, muss infolge des Wechsels
von 4 auf 3 Jahren Sekundarschule der annähernd gleiche Stoff in einem Viertel
weniger Zeit behandelt werden.
Für die Lernenden wird der Unterricht
insbesondere im anspruchsvollen Leistungsniveau P schwieriger, und die Anzahl
derer, welche diese Anforderungen bewältigen können, wird sinken. Dies war das
Ziel vieler Wirtschaftspolitiker, die sich nun die Hände reiben. Aus ihrer
Sicht sollen weniger Schülerinnen und -schüler via Gymnasium an die Universität,
sondern vermehrt eine Lehre absolvieren und damit früher ins Berufsleben
einsteigen, was in erster Linie den Firmen dient.
Nicht nur in diesem Beispiel
greifen Wirtschaft und Verbände markant in unser Bildungssystem ein, um ihre
Eigeninteressen durchzusetzen. Desgleichen wittern sie ihren kommerzgesteuerten
Einfluss in den Schulzimmern mit Lehrmaterial, Apps und sonstigem «Product
Placement». Auch in Bezug auf Unterrichtsphilosophie und Didaktik mischt die
Privatindustrie mit Lehrmitteln des selbstorganisierten Lernens kräftig mit.
Besonders deutlich ist dies zu spüren an den Exzessen der neuen
Fremdsprachenlehrmittel «Mille Feuilles», «Clin d’Oeil» und «New World».
Primarlehrpersonen müssen sich diesem Hintergrund bei der Einteilung ihrer
Schützlinge in die drei Leistungszüge der Sekundarschule bewusst sein. Wenn sie
dieser veränderten Situation und den Anforderungen der abnehmenden Schulen
nicht gerecht werden, sinkt entweder das Leistungsniveau in den
Anforderungsprofilen E und P, oder aber die Durchfallquote steigt. Insbesondere
der letzte Punkt dürfte sich in Schüler-Frustration und Kritik seitens der
Erziehungsberechtigten niederschlagen.
Michael Pedrazzi ist Vorstandsmitglied der Starken Schule beider Basel
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