Cybermobbing
ist auch an den Schulen im Kanton Zürich ein Thema. Mit unterschiedlichen
Regeln versucht man die Schülerinnen und Schüler zu einem vernünftigen Umgang
mit dem Mobiltelefon zu erziehen.
Wer mit dem Handy spielt, muss zum Putzdienst antreten, NZZ, 16.12. von Rebekka Haefeli
«Cybermobbing hat ganz klar zugenommen», sagte Jürg
Forster, Leiter des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Zürich, kürzlich in
einem Interview mit der NZZ. Er war mehr als zwanzig Jahre in dieser Funktion
tätig. Mobbing in den Klassen habe man heute zwar besser unter Kontrolle, weil
die Lehrpersonen auf einen respektvollen Umgang und ein gutes Schulklima Wert
legten. Doch in der Freizeit könnten weder die Eltern noch die Schule
kontrollieren, wie Schüler übers Internet kommunizierten. «Die Gefahr, dass Einzelne
auf diese Art unter Druck gesetzt werden, ist da.»
Aus dem Polizeialltag
Die Schulen im Kanton Zürich unternehmen einiges, um
die Handy-Aktivitäten ihrer Schülerinnen und Schüler in vernünftige Bahnen zu
lenken. Viele haben für die Handynutzung explizite Regeln eingeführt, wie eine
Umfrage der NZZ ergab. Diese Regelungen fallen unterschiedlich aus: An der
Kantonsschule Rychenberg in Winterthur, einem Langgymnasium, darf das Handy im
Unterricht nicht benützt werden, ausser die Lehrpersonen erlauben es,
beispielsweise für Recherchen. In den Pausen oder während Freistunden dürfen
die Jugendlichen jedoch frei über ihre Handys verfügen. Rektor Christian Sommer
erklärt auf Anfrage, besonders bei den jüngeren Schülern sei das Handy zum
Spielen oder Chatten beliebt. «Für die Erstklässler organisieren wir zusammen
mit der Stadtpolizei Winterthur jeweils in der fünften Schulwoche eine Art
Workshop. Dabei machen wir sie auf die Gefahren aufmerksam. Die Polizisten
berichten aus ihrem Alltag.» Eine Abkehr von diesen Grundsätzen stehe zurzeit
nicht zur Diskussion.
Meinungsverschiedenheiten darüber, etwa mit Eltern, seien
selten. «In Familien, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, spielt das
Handy für die Kommunikation und Organisation eine wichtige Rolle.»
Die Kantonsschule Freudenberg in Zürich, ebenfalls ein
Langgymnasium, verfolgt einen restriktiveren Kurs. Die Erst- und Zweitklässler
dürfen ihr Handy im Schulhaus überhaupt nicht benützen. Als Ausnahme gilt der
Fall, dass der Lehrer die Schüler während des Unterrichts beauftragt, eine
Aufgabe mit dem Handy zu lösen. Erst ab der dritten Klasse dürfen die
Jugendlichen das Smartphone in der Pause oder in Freistunden benützen. «Wird
ein Erst- oder Zweitklässler mit dem Handy erwischt, folgt eine Verwarnung»,
erklärt Gabriele Franchetto vom Sekretariat der Schule. «Bei einer wiederholten
Regelverletzung wird der Schüler oder die Schülerin vom Hausdienst zu einer
Putzstunde aufgeboten.» Die Jugendlichen hielten sich recht gut an die
Vorschriften, und die Mehrheit der Eltern unterstütze dieses Vorgehen. «Wenn
sie dringend etwas mit den Eltern besprechen müssen, dürfen die Schüler
jederzeit ins Sekretariat kommen zum Telefonieren.»
Auch die Volksschule passt
sich an
An der Volksschule in der Stadt Zürich gilt seit dem
Schuljahr 17/18 eine neue Regelung in der Hausordnung, wie Regina Kesselring,
Kommunikationsleitern des Schulamtes, ausführt. Die Volksschule umfasst den
Kindergarten, die Primarschule von der ersten bis zur sechsten Klasse sowie die
Sekundarschule. Neu heisst es in der Hausordnung: «Mobiltelefone und andere
elektronische Geräte dürfen von Schülerinnen und Schülern im Schulhaus und auf
den Aussenanlagen nur zu schulischen Zwecken genutzt werden. Ohne ausdrückliche
Erlaubnis des Schulpersonals müssen die Geräte ausgeschaltet und nicht sichtbar
versorgt sein.» Bis zum Beginn des laufenden Schuljahres hatte ein grundsätzliches
Handy-Verbot gegolten. Dieser Grundsatz gilt zurzeit noch an der Volksschule in
Winterthur. «Handys sollen während des Unterrichts und in den Pausen grundsätzlich
ausgeschaltet sein», lautet dort die Regelung, wie Stadtrat Jürg Altwegg
erklärt. Die Lehrpersonen könnten das Handy jedoch für den Unterricht einsetzen,
wenn sie dies für sinnvoll erachteten. Man denke zurzeit über eine Anpassung
nach. «Es wird darum gehen, Richtlinien für eine zeitgemässe und sinnvolle
Nutzung zu definieren.»
Unheimliche Eigendynamik
Bestimmungen, die in die Hausordnung einfliessen,
können ein Instrument sein, um die Schüler zur vernünftigen Handy-Nutzung zu
erziehen. Trotzdem sind Fälle von Cybermobbing nie auszuschliessen. Daniele
Lenzo von der Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt Zürich wird in Schulen
gerufen, wenn ein Cybermobbing-Fall bekanntgeworden ist. Dann gilt es den
Schaden zu begrenzen. «Selten gibt es nur einen einzelnen Täter oder eine
einzelne Täterin. Die Dynamik erfasst manchmal ganze Klassen, Schulen oder Quartiere.»
Schülerinnen und Schüler mobben, indem sie beleidigende Nachrichten verschicken
oder entwürdigende und peinliche Fotos streuen. Auf diese Art landen die
delikaten Inhalte schnell einmal auf Millionen von Handys und in sozialen
Netzwerken. Die Verbreitung lässt sich nicht mehr stoppen. Daniele Lenzo sagt,
es sei wichtig, Hintergründe zu vermitteln. «Viele Jugendliche sind sich nicht
bewusst, dass das Versenden von Gewaltvideos oder Nacktfotos strafrechtliche
Folgen haben kann.»
Christian Bochsler ist ehemaliger Primarlehrer und
heute Spezialist für Gewaltprävention an Schulen. Er sagt, das Wichtigste sei,
dass die Schulen bei den Jugendlichen Vertrauen weckten. Die Schülerinnen und
Schüler sollten wissen, dass sie sich bei Mobbing melden könnten und
Unterstützung bekämen. «Mobbing passiert häufig sehr lange im Versteckten, etwa
in geschlossenen Klassenchats, und es dauert mitunter sehr lange, bis Erwachsene
davon etwas mitbekommen.» Die Schulen müssten sich durch Weiterbildungen oder
den Beizug von Experten Instrumente aneignen, um gegen Mobbing vorzugehen.
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