16. Dezember 2017

Handy grundsätzlich ausgeschaltet

Cybermobbing ist auch an den Schulen im Kanton Zürich ein Thema. Mit unterschiedlichen Regeln versucht man die Schülerinnen und Schüler zu einem vernünftigen Umgang mit dem Mobiltelefon zu erziehen.
Wer mit dem Handy spielt, muss zum Putzdienst antreten, NZZ, 16.12. von Rebekka Haefeli

«Cybermobbing hat ganz klar zugenommen», sagte Jürg Forster, Leiter des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Zürich, kürzlich in einem Interview mit der NZZ. Er war mehr als zwanzig Jahre in dieser Funktion tätig. Mobbing in den Klassen habe man heute zwar besser unter Kontrolle, weil die Lehrpersonen auf einen respektvollen Umgang und ein gutes Schulklima Wert legten. Doch in der Freizeit könnten weder die Eltern noch die Schule kontrollieren, wie Schüler übers Internet kommunizierten. «Die Gefahr, dass Einzelne auf diese Art unter Druck gesetzt werden, ist da.»

Aus dem Polizeialltag
Die Schulen im Kanton Zürich unternehmen einiges, um die Handy-Aktivitäten ihrer Schülerinnen und Schüler in vernünftige Bahnen zu lenken. Viele haben für die Handynutzung explizite Regeln eingeführt, wie eine Umfrage der NZZ ergab. Diese Regelungen fallen unterschiedlich aus: An der Kantonsschule Rychenberg in Winterthur, einem Langgymnasium, darf das Handy im Unterricht nicht benützt werden, ausser die Lehrpersonen erlauben es, beispielsweise für Recherchen. In den Pausen oder während Freistunden dürfen die Jugendlichen jedoch frei über ihre Handys verfügen. Rektor Christian Sommer erklärt auf Anfrage, besonders bei den jüngeren Schülern sei das Handy zum Spielen oder Chatten beliebt. «Für die Erstklässler organisieren wir zusammen mit der Stadtpolizei Winterthur jeweils in der fünften Schulwoche eine Art Workshop. Dabei machen wir sie auf die Gefahren aufmerksam. Die Polizisten berichten aus ihrem Alltag.» Eine Abkehr von diesen Grundsätzen stehe zurzeit nicht zur Diskussion.

Meinungsverschiedenheiten darüber, etwa mit Eltern, seien selten. «In Familien, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, spielt das Handy für die Kommunikation und Organisation eine wichtige Rolle.»

Die Kantonsschule Freudenberg in Zürich, ebenfalls ein Langgymnasium, verfolgt einen restriktiveren Kurs. Die Erst- und Zweitklässler dürfen ihr Handy im Schulhaus überhaupt nicht benützen. Als Ausnahme gilt der Fall, dass der Lehrer die Schüler während des Unterrichts beauftragt, eine Aufgabe mit dem Handy zu lösen. Erst ab der dritten Klasse dürfen die Jugendlichen das Smartphone in der Pause oder in Freistunden benützen. «Wird ein Erst- oder Zweitklässler mit dem Handy erwischt, folgt eine Verwarnung», erklärt Gabriele Franchetto vom Sekretariat der Schule. «Bei einer wiederholten Regelverletzung wird der Schüler oder die Schülerin vom Hausdienst zu einer Putzstunde aufgeboten.» Die Jugendlichen hielten sich recht gut an die Vorschriften, und die Mehrheit der Eltern unterstütze dieses Vorgehen. «Wenn sie dringend etwas mit den Eltern besprechen müssen, dürfen die Schüler jederzeit ins Sekretariat kommen zum Telefonieren.»

Auch die Volksschule passt sich an
An der Volksschule in der Stadt Zürich gilt seit dem Schuljahr 17/18 eine neue Regelung in der Hausordnung, wie Regina Kesselring, Kommunikationsleitern des Schulamtes, ausführt. Die Volksschule umfasst den Kindergarten, die Primarschule von der ersten bis zur sechsten Klasse sowie die Sekundarschule. Neu heisst es in der Hausordnung: «Mobiltelefone und andere elektronische Geräte dürfen von Schülerinnen und Schülern im Schulhaus und auf den Aussenanlagen nur zu schulischen Zwecken genutzt werden. Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Schulpersonals müssen die Geräte ausgeschaltet und nicht sichtbar versorgt sein.» Bis zum Beginn des laufenden Schuljahres hatte ein grundsätzliches Handy-Verbot gegolten. Dieser Grundsatz gilt zurzeit noch an der Volksschule in Winterthur. «Handys sollen während des Unterrichts und in den Pausen grundsätzlich ausgeschaltet sein», lautet dort die Regelung, wie Stadtrat Jürg Altwegg erklärt. Die Lehrpersonen könnten das Handy jedoch für den Unterricht einsetzen, wenn sie dies für sinnvoll erachteten. Man denke zurzeit über eine Anpassung nach. «Es wird darum gehen, Richtlinien für eine zeitgemässe und sinnvolle Nutzung zu definieren.»

Unheimliche Eigendynamik
Bestimmungen, die in die Hausordnung einfliessen, können ein Instrument sein, um die Schüler zur vernünftigen Handy-Nutzung zu erziehen. Trotzdem sind Fälle von Cybermobbing nie auszuschliessen. Daniele Lenzo von der Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt Zürich wird in Schulen gerufen, wenn ein Cybermobbing-Fall bekanntgeworden ist. Dann gilt es den Schaden zu begrenzen. «Selten gibt es nur einen einzelnen Täter oder eine einzelne Täterin. Die Dynamik erfasst manchmal ganze Klassen, Schulen oder Quartiere.» Schülerinnen und Schüler mobben, indem sie beleidigende Nachrichten verschicken oder entwürdigende und peinliche Fotos streuen. Auf diese Art landen die delikaten Inhalte schnell einmal auf Millionen von Handys und in sozialen Netzwerken. Die Verbreitung lässt sich nicht mehr stoppen. Daniele Lenzo sagt, es sei wichtig, Hintergründe zu vermitteln. «Viele Jugendliche sind sich nicht bewusst, dass das Versenden von Gewaltvideos oder Nacktfotos strafrechtliche Folgen haben kann.»


Christian Bochsler ist ehemaliger Primarlehrer und heute Spezialist für Gewaltprävention an Schulen. Er sagt, das Wichtigste sei, dass die Schulen bei den Jugendlichen Vertrauen weckten. Die Schülerinnen und Schüler sollten wissen, dass sie sich bei Mobbing melden könnten und Unterstützung bekämen. «Mobbing passiert häufig sehr lange im Versteckten, etwa in geschlossenen Klassenchats, und es dauert mitunter sehr lange, bis Erwachsene davon etwas mitbekommen.» Die Schulen müssten sich durch Weiterbildungen oder den Beizug von Experten Instrumente aneignen, um gegen Mobbing vorzugehen.

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