Seit August ist
Esther Kamm (50) Rektorin der PH Zug. Mit der «Zuger Zeitung» spricht sie über
ihre Eindrücke, Ambitionen, Ziele – und über die Herausforderungen, mit welchen
sie die Hochschule konfrontiert sieht.
Rektorin der PH Zug: «Grenzen sollen sich stärker verflüchtigen», Zuger Zeitung, 30.12. von Andreas Faessler
Esther Kamm, liest man Ihren Werdegang, so erkennt
man in Ihrer Person eine Pädagogin mit Leib und Seele. Woher rührt das?
Schon zu Schulzeiten war mir klar, dass ich mich
einst für den Lehrberuf entscheiden würde. Dieses frühe Interesse war wohl auch
von meinem Grossvater geprägt, der selber Lehrer war und zudem im Glarner
Regierungsrat sass. Er war ein Vorbild für mich. Ich merkte auch schnell, dass
ich sehr gerne mit Jugendlichen arbeite. Selber habe ich zwar keine Kinder,
aber ich habe sowohl im beruflichen als auch im familiären Umfeld stets Kinder
und Jugendliche um mich. Ich habe acht Jahre als Sekundarlehrerin im Kanton
Zürich unterrichtet und gleichzeitig ein Zweitstudium in Pädagogik und
Soziologie in Angriff genommen. Danach wechselte ich in den Hochschulsektor,
zuerst an die Hochschule für Heilpädagogik, dann an die Pädagogische Hochschule
in der Nordwestschweiz und schliesslich an die PH Zürich, wo ich die letzten
acht Jahre tätig war.
Während Ihrer Zeit als Abteilungsleiterin der PH
Zürich herrschte allgemeiner Lehrermangel. Sie haben an einem Pionierprojekt
mitgewirkt: die Umschulung von Quereinsteigern zu Lehrkräften als Alternative
zur herkömmlichen Lehrerausbildung. Erzählen Sie uns davon.
Das war einerseits eine sehr spannende Sache,
andererseits aber eine wahre Mammutaufgabe, da wir in sehr kurzer Zeit
möglichst viele fähige Personen für das Schulfeld bereitstellen mussten. Trotz
viel Kritik an «Schnellbleichen» hat mich das Projekt von der Idee bis zur
Umsetzung fasziniert. Man hatte mit den Quereinsteigern auf einmal eine ganz
neue Gruppe an Berufsleuten im Schulfeld. Es war für uns von Seiten der PH eine
echte Herausforderung, Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern umzuschulen
und sie beim Aufbau einer neuen beruflichen Identität zu unterstützen.
Was sind es für Leute, die sich entscheiden, mit
diesem Quereinstieg einen völlig neuen Weg zu gehen?
Es war eine sehr heterogene Gruppe. Einige fanden
in ihrem bisherigen Beruf keine Erfüllung mehr, andere stellten sich die
Sinnfrage und wollten stärker als bisher mit jungen Menschen tätig sein. Wieder
andere hatten den Wunsch nach mehr Sicherheit im Beruf oder nach mehr
Flexibilität und einer Arbeit, die familienverträglich war. Ich habe Menschen
erlebt, die in ihrer neuen Tätigkeit regelrecht aufblühten. Sie empfanden das
neue Feld als Berufung. Das ganze Projekt war jedenfalls eine spannende
Erfahrung und zeigte uns neue, alternative Wege in den Lehrberuf auf.
Und nun sind Sie Rektorin der PH Zug. Was hat Sie
dazu bewogen, sich für die Nachfolge von Brigit Eriksson-Hotz zu bewerben?
Ich muss vorwegnehmen, dass ich schon seit längerer
Zeit mit Interesse auf die PH Zug geblickt habe. Es war bereits vor der
Ausschreibung der Vakanz eine Wunschvorstellung von mir, das Amt als Rektorin
der PH Zug anzutreten. Die Einrichtung hat schweizweit einen sehr guten Ruf,
und sie ist klein, aber fein. Die PH Zug ist innovativ, hat
Forschungsschwerpunkte, die es anderswo so nicht gibt. Abgesehen davon hat die
Lehrerbildung im Kanton Zug eine lange Tradition. Schliesslich liegt die PH Zug
an einem sehr schönen Ort. Hier am «Bildungshügel», wie das Quartier an der
Zugerbergstrasse umgangssprachlich auch genannt wird, befinde ich mich mitten
in einem von Bildungstradition geprägten Umfeld. Ich fühle mich sehr wohl an
diesem Ort. Nach dem Stellenantritt im vergangenen August habe ich auch den
Wohnort nach Zug verlegt, ganz in die Nähe der Hochschule. Mir ist es wichtig,
da zu wohnen, wo meine Arbeitsstelle ist. Ich möchte mit Land und Leuten auf
Tuchfühlung gehen können.
Wie haben Sie Ihre ersten vier Monate als Rektorin
der PH Zug erlebt?
Sehr positiv und sehr streng! Ich habe mich in der
Zwischenzeit bestens eingelebt. Ich treffe hier auf sehr engagierte Leute
inner- und ausserhalb der PH Zug. Ich stelle fest, dass gute Kontakte zu den
anderen Bildungseinrichtungen und -akteuren im Kanton bestehen und ein reger,
unkomplizierter Austausch herrscht. Das ist nicht selbstverständlich, wie ich
aus Erfahrung von grösseren Pädagogischen Hochschulen sagen kann, wo die Wege
länger sind. Auch die geografische Kleinräumigkeit des Kantons Zug und die
dadurch herrschende Nähe zu den Menschen sagen mir sehr zu. Das erinnert mich
auch ein bisschen an meine Heimat im Glarnerland. Das ist schön und vertraut
zugleich.
Aber es haben sich bestimmt auch Herausforderungen
gezeigt, welche Sie als Rektorin der PH Zug angehen wollen, oder?
Ja, die gibt es sehr wohl. In den vergangenen
Jahren hatte die PH Zug 1,5 Millionen Franken einzusparen, und der Spardruck
dauert an. Das macht sich derzeit stark bemerkbar, denn wo Finanzen gekürzt
werden, da wird auch der Handlungsspielraum für die Entwicklung und Innovation
gedrosselt. Doch im Hochschulsektor ist man darauf angewiesen, sich als
Institution zukunftsfähig zu machen. Um hier konkurrenzfähig zu bleiben, muss
man sich permanent um die Mittelbeschaffung kümmern.
Mit dieser Aufgabe steht die PH Zug aber nicht
alleine da.
Das stimmt. Für die PH Zug besteht die
Herausforderung darin, dass sie den gleichen Auftrag für Ausbildung,
Weiterbildung, Forschung und Dienstleistung zu erfüllen hat wie die grössten
Hochschulen auch. Die PH Zug ist Mitglied der Schweizer Hochschulen, die in
Gremien von «swissuniversities» zusammengefasst sind. Um den Hochschulstatus zu
behalten, muss die PH Zug zeigen, dass sie diesen 4-fachen Auftrag erfüllt.
Dafür steht weniger Personal zur Verfügung als in grossen Einrichtungen.
Kurzum; bei uns liegen viele Verantwortlichkeiten bei wenig Leuten. Das macht
die Arbeit zuweilen anspruchsvoll, aber auch vielfältig und spannend.
Wohin möchten Sie die PH Zug steuern?
In zwei Richtungen, um für die Zukunft gerüstet zu
sein: hin zu den regionalen Schulen und weiter in Richtung Hochschule.
Besonders grosses Potenzial für die PH Zug sehe ich in der Annäherung an die
gemeindlichen Schulen, welche – so habe ich festgestellt – im Kanton Zug
hervorragend organisiert und geführt sind. Obschon ein guter und enger Kontakt
zu uns als Ausbildung besteht, wünschte ich mir einen intensiveren Austausch,
der über die berufspraktische Ausbildung der Studierenden hinausgeht. Es
bestünden zahlreiche Möglichkeiten zur stärkeren Verknüpfung. Ein Beispiel:
eine Zuger Schule hatte ein Jahr lang einen Themenschwerpunkt, zu dem sie
eigene Lernmaterialien zusammengetragen und Anlässe vorbereitet hat. Die PH Zug
hätte zu genau diesem Themenschwerpunkt über viel Wissen verfügt und hätte mit
der Schule das Jahresthema gemeinsam erarbeiten und stellenweise auch gemeinsam
umsetzen können. Auch umgekehrt könnte man sich noch besser ergänzen, indem
Lehrpersonen aus der Praxis in der Ausbildung der Studierenden stärker
mitwirken als bisher. Ich glaube, hier läge viel Potenzial, denn gemeinsam können
wir Schule und Ausbildung noch besser machen. Die zweite Entwicklungsrichtung
liegt in der Erfüllung des 4-fachen Leistungsauftrags und in der ständigen
Weiterentwicklung all dieser Bereiche.
Was sind derzeit Schwerpunkte und Trends im
Bildungswesen?
Medienbildung wird immer wichtiger. Ein zentraler
Punkt dabei ist mit Sicherheit der Umgang mit Social Media. Hier braucht es
viel Bildungsarbeit mit den Lehrkräften. Und sie müssen unbedingt eine
Offenheit für diese Thematik mitbringen. Auch der Themenkreis Digitalisierung,
Robotik und künstliche Intelligenz ist omnipräsent. Das Lehrpersonal muss sich
mit der Frage auseinandersetzen, was es bedeutet, Kinder und Jugendliche auf
die zunehmende Digitalisierung in der Arbeits- und Alltagswelt vorzubereiten. Weitere
Schwerpunkte sind der Umgang mit der Umwelt und natürlich die Migration. Im
Zusammenhang mit Letzterer hat die PH Zug mit Multikulturalität und
interkultureller Kommunikation einen Schwerpunkt aufgebaut, der in der Aus- und
Weiterbildung angehender Lehrpersonen zum Tragen kommt. Auch soziale
Gerechtigkeit, Wertevermittlung und Demokratiebildung sind Bereiche, mit denen
sich die Ausbildung auseinandersetzen muss, um die Studierenden fit zu machen,
damit sie sie später den Schülerinnen und Schülern vermitteln können.
Was macht für Sie eine gute Lehrperson aus?
Unerlässlich ist, dass sie eine Passion für ihre
Tätigkeit mitbringt und auch ein Interesse für die fachlichen Inhalte. Genauso
wichtig ist es, dass sie sich auf die Menschen einlassen kann, mit denen sie zu
tun hat. Das sind hauptsächlich die Kinder und Jugendlichen, aber auch Eltern
und Kollegen. Eine gute Lehrperson muss sich zudem aus eigenem Antrieb mit
Begeisterung und Offenheit im Beruf selbstständig weiterentwickeln können.
Wenn Sie die Bildungslandschaft des Kantons Zug
betrachten, was stellen Sie ihr für ein Zeugnis aus?
Seit ich hier arbeite, habe ich auf Schulbesuchen
ein hohes Niveau festgestellt. Die Schulkultur ist lebendig, und es gibt sehr
engagierte Lehrpersonen und Leitende auf allen Stufen. Was im Kanton Zug in
positiver Weise speziell ist – jede gemeindliche Schule hat eine Rektorin oder
einen Rektor, die/der die Qualität aller Schulen in einer Gemeinde im Blick
hat. Das ist eine gute Ausgangslage für Schulentwicklung und Qualitätssteigerung.
Auch den Berufs- und Mittelschulsektor erachte ich in Zug als innovativ. Für
die stark durchmischte Bevölkerung gibt es zudem gute internationale Schulen.
Jeder findet im Kanton Zug also eine passende Bildungseinrichtung, und es
bestehen beste Voraussetzungen für Kooperation und Vernetzung.
Morgen ist Silvester. Was wünschen Sie sich für die
PH Zug im neuen Jahr?
Ich wünsche ihr weiterhin ein gutes Klima und
spannende Projekte, welche die Hochschule weiterbringen – am liebsten gemeinsam
mit den anderen Schulen im Kanton. Und dass sich die Grenzen zwischen Schulen
und Ausbildung stärker verflüchtigen, so dass Bildung und Ausbildung zu einer
gemeinsamen Sache aller Beteiligten werden.
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