30. Dezember 2017

Die neue Rektorin der PH Zug

Seit August ist Esther Kamm (50) Rektorin der PH Zug. Mit der «Zuger Zeitung» spricht sie über ihre Eindrücke, Ambitionen, Ziele – und über die Herausforderungen, mit welchen sie die Hochschule konfrontiert sieht.
Rektorin der PH Zug: «Grenzen sollen sich stärker verflüchtigen», Zuger Zeitung, 30.12. von Andreas Faessler


Esther Kamm, liest man Ihren Werdegang, so erkennt man in Ihrer Person eine Pädagogin mit Leib und Seele. Woher rührt das?
Schon zu Schulzeiten war mir klar, dass ich mich einst für den Lehrberuf entscheiden würde. Dieses frühe Interesse war wohl auch von meinem Grossvater geprägt, der selber Lehrer war und zudem im Glarner Regierungsrat sass. Er war ein Vorbild für mich. Ich merkte auch schnell, dass ich sehr gerne mit Jugendlichen arbeite. Selber habe ich zwar keine Kinder, aber ich habe sowohl im beruflichen als auch im familiären Umfeld stets Kinder und Jugendliche um mich. Ich habe acht Jahre als Sekundarlehrerin im Kanton Zürich unterrichtet und gleichzeitig ein Zweitstudium in Pädagogik und Soziologie in Angriff genommen. Danach wechselte ich in den Hochschulsektor, zuerst an die Hochschule für Heilpädagogik, dann an die Pädagogische Hochschule in der Nordwestschweiz und schliesslich an die PH Zürich, wo ich die letzten acht Jahre tätig war.

Während Ihrer Zeit als Abteilungsleiterin der PH Zürich herrschte allgemeiner Lehrermangel. Sie haben an einem Pionierprojekt mitgewirkt: die Umschulung von Quereinsteigern zu Lehrkräften als Alternative zur herkömmlichen Lehrerausbildung. Erzählen Sie uns davon.
Das war einerseits eine sehr spannende Sache, andererseits aber eine wahre Mammutaufgabe, da wir in sehr kurzer Zeit möglichst viele fähige Personen für das Schulfeld bereitstellen mussten. Trotz viel Kritik an «Schnellbleichen» hat mich das Projekt von der Idee bis zur Umsetzung fasziniert. Man hatte mit den Quereinsteigern auf einmal eine ganz neue Gruppe an Berufsleuten im Schulfeld. Es war für uns von Seiten der PH eine echte Herausforderung, Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern umzuschulen und sie beim Aufbau einer neuen beruflichen Identität zu unterstützen.

Was sind es für Leute, die sich entscheiden, mit diesem Quereinstieg einen völlig neuen Weg zu gehen?
Es war eine sehr heterogene Gruppe. Einige fanden in ihrem bisherigen Beruf keine Erfüllung mehr, andere stellten sich die Sinnfrage und wollten stärker als bisher mit jungen Menschen tätig sein. Wieder andere hatten den Wunsch nach mehr Sicherheit im Beruf oder nach mehr Flexibilität und einer Arbeit, die familienverträglich war. Ich habe Menschen erlebt, die in ihrer neuen Tätigkeit regelrecht aufblühten. Sie empfanden das neue Feld als Berufung. Das ganze Projekt war jedenfalls eine spannende Erfahrung und zeigte uns neue, alternative Wege in den Lehrberuf auf.

Und nun sind Sie Rektorin der PH Zug. Was hat Sie dazu bewogen, sich für die Nachfolge von Brigit Eriksson-Hotz zu bewerben?
Ich muss vorwegnehmen, dass ich schon seit längerer Zeit mit Interesse auf die PH Zug geblickt habe. Es war bereits vor der Ausschreibung der Vakanz eine Wunschvorstellung von mir, das Amt als Rektorin der PH Zug anzutreten. Die Einrichtung hat schweizweit einen sehr guten Ruf, und sie ist klein, aber fein. Die PH Zug ist innovativ, hat Forschungsschwerpunkte, die es anderswo so nicht gibt. Abgesehen davon hat die Lehrerbildung im Kanton Zug eine lange Tradition. Schliesslich liegt die PH Zug an einem sehr schönen Ort. Hier am «Bildungshügel», wie das Quartier an der Zugerbergstrasse umgangssprachlich auch genannt wird, befinde ich mich mitten in einem von Bildungstradition geprägten Umfeld. Ich fühle mich sehr wohl an diesem Ort. Nach dem Stellenantritt im vergangenen August habe ich auch den Wohnort nach Zug verlegt, ganz in die Nähe der Hochschule. Mir ist es wichtig, da zu wohnen, wo meine Arbeitsstelle ist. Ich möchte mit Land und Leuten auf Tuchfühlung gehen können.

Wie haben Sie Ihre ersten vier Monate als Rektorin der PH Zug erlebt?
Sehr positiv und sehr streng! Ich habe mich in der Zwischenzeit bestens eingelebt. Ich treffe hier auf sehr engagierte Leute inner- und ausserhalb der PH Zug. Ich stelle fest, dass gute Kontakte zu den anderen Bildungseinrichtungen und -akteuren im Kanton bestehen und ein reger, unkomplizierter Austausch herrscht. Das ist nicht selbstverständlich, wie ich aus Erfahrung von grösseren Pädagogischen Hochschulen sagen kann, wo die Wege länger sind. Auch die geografische Kleinräumigkeit des Kantons Zug und die dadurch herrschende Nähe zu den Menschen sagen mir sehr zu. Das erinnert mich auch ein bisschen an meine Heimat im Glarnerland. Das ist schön und vertraut zugleich.

Aber es haben sich bestimmt auch Herausforderungen gezeigt, welche Sie als Rektorin der PH Zug angehen wollen, oder?
Ja, die gibt es sehr wohl. In den vergangenen Jahren hatte die PH Zug 1,5 Millionen Franken einzusparen, und der Spardruck dauert an. Das macht sich derzeit stark bemerkbar, denn wo Finanzen gekürzt werden, da wird auch der Handlungsspielraum für die Entwicklung und Innovation gedrosselt. Doch im Hochschulsektor ist man darauf angewiesen, sich als Institution zukunftsfähig zu machen. Um hier konkurrenzfähig zu bleiben, muss man sich permanent um die Mittelbeschaffung kümmern.

Mit dieser Aufgabe steht die PH Zug aber nicht alleine da.
Das stimmt. Für die PH Zug besteht die Herausforderung darin, dass sie den gleichen Auftrag für Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Dienstleistung zu erfüllen hat wie die grössten Hochschulen auch. Die PH Zug ist Mitglied der Schweizer Hochschulen, die in Gremien von «swissuniversities» zusammengefasst sind. Um den Hochschulstatus zu behalten, muss die PH Zug zeigen, dass sie diesen 4-fachen Auftrag erfüllt. Dafür steht weniger Personal zur Verfügung als in grossen Einrichtungen. Kurzum; bei uns liegen viele Verantwortlichkeiten bei wenig Leuten. Das macht die Arbeit zuweilen anspruchsvoll, aber auch vielfältig und spannend.

Wohin möchten Sie die PH Zug steuern?
In zwei Richtungen, um für die Zukunft gerüstet zu sein: hin zu den regionalen Schulen und weiter in Richtung Hochschule. Besonders grosses Potenzial für die PH Zug sehe ich in der Annäherung an die gemeindlichen Schulen, welche – so habe ich festgestellt – im Kanton Zug hervorragend organisiert und geführt sind. Obschon ein guter und enger Kontakt zu uns als Ausbildung besteht, wünschte ich mir einen intensiveren Austausch, der über die berufspraktische Ausbildung der Studierenden hinausgeht. Es bestünden zahlreiche Möglichkeiten zur stärkeren Verknüpfung. Ein Beispiel: eine Zuger Schule hatte ein Jahr lang einen Themenschwerpunkt, zu dem sie eigene Lernmaterialien zusammengetragen und Anlässe vorbereitet hat. Die PH Zug hätte zu genau diesem Themenschwerpunkt über viel Wissen verfügt und hätte mit der Schule das Jahresthema gemeinsam erarbeiten und stellenweise auch gemeinsam umsetzen können. Auch umgekehrt könnte man sich noch besser ergänzen, indem Lehrpersonen aus der Praxis in der Ausbildung der Studierenden stärker mitwirken als bisher. Ich glaube, hier läge viel Potenzial, denn gemeinsam können wir Schule und Ausbildung noch besser machen. Die zweite Entwicklungsrichtung liegt in der Erfüllung des 4-fachen Leistungsauftrags und in der ständigen Weiterentwicklung all dieser Bereiche.

Was sind derzeit Schwerpunkte und Trends im Bildungswesen?
Medienbildung wird immer wichtiger. Ein zentraler Punkt dabei ist mit Sicherheit der Umgang mit Social Media. Hier braucht es viel Bildungsarbeit mit den Lehrkräften. Und sie müssen unbedingt eine Offenheit für diese Thematik mitbringen. Auch der Themenkreis Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz ist omnipräsent. Das Lehrpersonal muss sich mit der Frage auseinandersetzen, was es bedeutet, Kinder und Jugendliche auf die zunehmende Digitalisierung in der Arbeits- und Alltagswelt vorzubereiten. Weitere Schwerpunkte sind der Umgang mit der Umwelt und natürlich die Migration. Im Zusammenhang mit Letzterer hat die PH Zug mit Multikulturalität und interkultureller Kommunikation einen Schwerpunkt aufgebaut, der in der Aus- und Weiterbildung angehender Lehrpersonen zum Tragen kommt. Auch soziale Gerechtigkeit, Wertevermittlung und Demokratiebildung sind Bereiche, mit denen sich die Ausbildung auseinandersetzen muss, um die Studierenden fit zu machen, damit sie sie später den Schülerinnen und Schülern vermitteln können.

Was macht für Sie eine gute Lehrperson aus?
Unerlässlich ist, dass sie eine Passion für ihre Tätigkeit mitbringt und auch ein Interesse für die fachlichen Inhalte. Genauso wichtig ist es, dass sie sich auf die Menschen einlassen kann, mit denen sie zu tun hat. Das sind hauptsächlich die Kinder und Jugendlichen, aber auch Eltern und Kollegen. Eine gute Lehrperson muss sich zudem aus eigenem Antrieb mit Begeisterung und Offenheit im Beruf selbstständig weiterentwickeln können.

Wenn Sie die Bildungslandschaft des Kantons Zug betrachten, was stellen Sie ihr für ein Zeugnis aus?
Seit ich hier arbeite, habe ich auf Schulbesuchen ein hohes Niveau festgestellt. Die Schulkultur ist lebendig, und es gibt sehr engagierte Lehrpersonen und Leitende auf allen Stufen. Was im Kanton Zug in positiver Weise speziell ist – jede gemeindliche Schule hat eine Rektorin oder einen Rektor, die/der die Qualität aller Schulen in einer Gemeinde im Blick hat. Das ist eine gute Ausgangslage für Schulentwicklung und Qualitätssteigerung. Auch den Berufs- und Mittelschulsektor erachte ich in Zug als innovativ. Für die stark durchmischte Bevölkerung gibt es zudem gute internationale Schulen. Jeder findet im Kanton Zug also eine passende Bildungseinrichtung, und es bestehen beste Voraussetzungen für Kooperation und Vernetzung.

Morgen ist Silvester. Was wünschen Sie sich für die PH Zug im neuen Jahr?
Ich wünsche ihr weiterhin ein gutes Klima und spannende Projekte, welche die Hochschule weiterbringen – am liebsten gemeinsam mit den anderen Schulen im Kanton. Und dass sich die Grenzen zwischen Schulen und Ausbildung stärker verflüchtigen, so dass Bildung und Ausbildung zu einer gemeinsamen Sache aller Beteiligten werden.


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