23. Dezember 2017

Christentum und Staat zu Weihnachten

Der christliche Unterricht ist aus vielen Schulen verschwunden. Doch an Weihnachten kehrt die Glaubensfrage zurück – mit Folgen für manche Kinder.
Gottes Werk und Lehrers Beitrag, Südostschweiz am Wochenende, 23.12. von Yannick Nock



Wer ein Paradebeispiel für die Krux der Schulen in Glaubensfragen sucht, brauchte diese Woche nur nach Deutschland zu blicken: «Schule verlegt Weihnachtsfeier nach Kritik von Muslimin», lautete die Schlagzeile in Dutzenden Zeitungen. Die Gymnasiastin argumentierte, dass christliche Lieder nicht mit ihrem Glauben vereinbar seien. Die Folge: landesweite Empörung. Mittlerweile hat die Schule die Darstellung dementiert. Beruhigt haben sich die Gemüter trotzdem nicht. 

Weihnachten, die Zeit der Besinnung, ist für Schulen die Zeit der Zerrissenheit. Mit den Festtagen kehren Krippenspiel, Christbäume und Weihnachtslieder in die Klassen zurück. Das Christentum steht unangefochten im Zentrum der Aufmerksamkeit. Beliebte Bräuche, denen allerdings nicht alle Andersgläubigen beiwohnen wollen. Eltern von muslimischen Kindern möchten nicht, dass ihr Nachwuchs christlich-religiöse Lieder singt. Lehrer stellt das vor Probleme: Wie sollen sie den Unterricht – und insbesondere Weihnachtsfeiern – gestalten, damit alle Kinder teilnehmen können? 

Muslime dürfen freinehmen 
«Wir empfehlen, Eltern offen zu informieren und betonen, dass bei Weihnachtsfeiern die Gemeinschaft im Zentrum steht, nicht die religiösen Aspekte», sagt Bernard Gertsch, Präsident des Schweizer Schulleiterverbandes. Das würde meistens helfen. Den Lehrern rät er, mit Glaubensbekundungen wie dem Beten achtsam umzugehen. 

Trotzdem dürfen sich nicht christliche Schüler von einer religiös geprägten Weihnachtsfeier dispensieren, schreibt der Lehrerverband. Nicht aber von einem Anlass, der als Jahresabschlussfest gedacht ist. Welche Rolle dabei Adventskränze und Weihnachtsbäume spielen, sollen Lehrer und Schulleiter gemeinsam entscheiden. Das Bundesgericht sieht es gemäss eines 2012 gefällten Entscheids ähnlich: Kinder müssten in der Regel Weihnachtslieder mitsingen. Sie dürfen aber nicht dazu gezwungen werden, wenn im Lied ein ausdrückliches Glaubensbekenntnis vorkommt. Hingegen darf man in der Schule mit den religiösen Gesängen anderer konfrontiert werden. 

Während des Jahres stellen sich solche Fragen weniger. Der konfessionelle Religionsunterricht ist in den vergangenen 20 Jahren in vielen Kantonen aus den Schulen verschwunden. Weg vom Krippenspiel und der Arche Noah, hin zu Buddha und Mohammed: Die verschiedenen Weltreligionen rücken ins Zentrum des Unterrichts. Aus den Religionsstunden wird im neuen Lehrplan 21 das Fach «Ethik, Religionen, Gemeinschaft». Die Landeskirchen haben ihr Monopol an den Schulen verloren. 

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