Jedes
Kind soll programmieren lernen. Eine Forderung, die gut zu Marcel Dobler passen
könnte. Er war 20 Jahre alt und Informatikstudent, als er 2001 zusammen mit
zwei Kollegen den Online-Shop Digitec gründete, der heute jährlich mehrere
hundert Millionen Franken Umsatz erzielt. Mittlerweile haben Dobler und seine
Geschäftspartner die Mehrheit ihrer Aktien an die Migros verkauft. Finanziell
sorgenfrei, ist Dobler 2015 als FDP-Nationalrat in die Politik eingestiegen.
Programmieren für alle? "Absurd!", Südostschweiz, 25.11. von Lorenz Honegger
Dennoch
hält der 37-Jährige wenig von der Idee, dass alle Schülerinnen und Schüler zu
Programmierern werden sollen: «Dass Kinder in der Primarschule Quellcode
schreiben, finde ich absurd.» Neuerdings könne man sich mit dieser Forderung
«undifferenziert schmücken, weil der Begriff so trendig ist und einen gleich
viel kompetenter aussehen lässt».
Um das
Wort Digitalisierung sei ein Hype entstanden, sagt der Parlamentarier, seit
diesem Frühling Präsident des Dachverbandes der Informations- und
Kommunikationsbranche. Er spielt mit dieser Beobachtung auch auf den Digitaltag
an, an dem diese Woche CEOs, Bundesräte und Wissenschaftler mit viel
Marketingaufwand für die «digitale Revolution» geworben haben.
«Müssen Coiffeure programmieren?»
Dobler
bezeichnet das Programmieren als «extreme Spezialisierung». Nicht jedermann
müsse diese beherrschen. «Müssen Coiffeure wirklich Quellcode schreiben? Nein.»
Wer zum Beispiel eine Homepage erstellen wolle, müsse lediglich ein einfaches
Tool bedienen. Statt dass die Lehrer den Kindern programmieren beibringen,
sollten diese ihren Schülern die technologische Entwicklung auf spielerische
Weise vermitteln. «Es geht um Fragen wie: Was macht ein Computer? Wie wähle ich
ein Passwort? Wie gehe ich mit meinen Daten um?»
Mit
seiner Position grenzt sich Dobler von einer Reihe prominenter Persönlichkeiten
ab, die alle das Gleiche fordern: Schülerinnen und Schüler sollen möglichst
früh den Umgang mit Algorithmen, Operatoren und Variablen erlernen. Zum
Beispiel AppleChef Tim Cook, Ex-Notenbanker Philipp Hildebrand oder der
ehemalige ETH-Lausanne-Präsident Patrick Aebischer, der vergangene Woche in
einem Beitrag für die «NZZ am Sonntag» das Programmieren wieder einmal zur
fünften Landessprache ausrief.
Im
Bundeshaus gibt es neben Dobler einen weiteren Internetunternehmer, der die
Programmieroffensive im Bildungsbereich kritisch sieht: Franz Grüter,
SVP-Nationalrat und Verwaltungsratspräsident des Internetproviders green.ch. Er
moniert, die Volksschule müsse keine vorberufliche Ausbildung machen, sondern
Grundwissen für die Berufswahl vermitteln. «Ich glaube nicht, dass wir etwas
bewirken, wenn wir in der Primarschule Programmierkurse geben.» Sollte in der
Bauwirtschaft ein Mangel an Arbeitskräften herrschen, müssten Schüler auch
nicht lernen, wie man Mauern baue.
Grüter
plädiert dafür, zusätzliche Ressourcen nicht einseitig in die Informatik,
sondern auch in die drei anderen MINTDiziplinen Mathematik, Naturwissenschaft
und Technik zu kanalisieren.
Die Weichen sind gestellt
Die
Bildungspolitik jedoch setzt aufs Programmieren. Die
Erziehungsdirektorenkonferenz hat vor wenigen Wochen beschlossen, Informatik in
den Gymnasien künftig als obligatorisches Fach einzuführen. Auf der Stufe
Volksschule arbeiten die Kantone im Rahmen des Lehrplans 21 an der Einführung
des Fachs «Medien und Informatik», ungefähr 50 Prozent sind für die Informatik
reserviert. Eine Kompromisslösung, die nicht allen passt: ETH-Professor Juraj
Hromkovic etwa plädiert für ein Einzelfach Informatik.
Gemäss
dem neuen Lehrplan sollen die Programmierlektionen in der Primarschule beginnen
und sich bis in die Oberstufe ziehen. Die Anpassung der kantonalen Lehrpläne werde
sicher bis 2021 dauern, sagt Lehrerverbands-Präsident Beat Zemp. «Das ist ein
Generationenprojekt.» Die Umsetzung werde regional stark variieren. «Leider
gibt es Kantone, die keine Ressourcen für dieses neue Fach zur Verfügung
stellen wollen.» Kritikern des Programmierunterrichts entgegnet er: «Unser
Leben wird von Algorithmen bestimmt. Um sie zu verstehen, muss man einfache
Programme schreiben können.» Man dürfe das Programmieren in der Schule nicht
mit professionellem Programmieren gleichsetzen. «Meine Erfahrung ist, dass die
Schüler das Fach sehr gerne haben.»
Ich habe diesen Zeitungsartikel gestern Morgen in der bz (Basel) gelesen und mich gefreut, dass ein erfolgreicher Fachmann sich so geäussert hat. "Absurd" finde ich ein treffendes Wort in Bezug zur Entwicklungsphase eines Kindes in der Primarschule. Gut finde ich, wenn man Oberstufenschülern einen freiwilligen Zugang zum Programmieren ermöglicht.
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