Kinder gehen
heutzutage schon im Primarschulalter virtuos mit ihren Smartphones um.
Blitzschnell tippen sie Nachrichten an die Eltern, chatten mit Klassenkameraden
und spielen Online-Games. Daniele Lenzo, Leiter der Fachstelle für
Gewaltprävention der Stadt Zürich, beobachtet, dass Handys vor allem ab der
Mittelstufe verbreitet sind. «Fast alle Fünft- oder Sechstklässler haben ein
Smartphone zur Verfügung», sagt er. «Nicht alle besitzen ein eigenes Gerät,
einige teilen es mit anderen Familienmitgliedern.»
Sicherer Umgang mit dem Handy, NZZ, 13.11.
Daniele Lenzo und seine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter werden in Schulen gerufen, wenn es in einer Klasse zum Beispiel
einen Fall von Mobbing oder Ausgrenzung gibt. Und häufig mobben Schülerinnen
und Schüler einander heutzutage mithilfe des Handys.
Klassenkameraden werden
durch das Verschicken von Nachrichten schikaniert, verleumdet, beleidigt und
schlechtgemacht; manchmal werden auch entwürdigende oder peinliche Fotos
gestreut. Wenn die Kommunikation innerhalb von Gruppen-Chats stattfindet, ist
die Verbreitung der Chat-Inhalte gross und unkontrollierbar. Lenzo sagt, oft
eskaliere ein Konflikt nicht nur zwischen zwei Schülern; die Dynamik erfasse
manchmal ganze Klassen, Schulen oder Quartiere. Die Mitarbeitenden der
Fachstelle für Gewaltprävention machen sich an Ort und Stelle ein Bild von der
Situation.
In den Klassen versuchen sie, die Schülerinnen und
Schüler zum persönlichen Gespräch, also zur Kommunikation ohne Handy, zu
bewegen. Gemeinsam werden Regeln für den Umgang erarbeitet. Die Fachleute
ermutigen allfällige Mitläufer, Zivilcourage zu zeigen und die Täter auf ihr
Verhalten anzusprechen. Zudem erläutern sie den Schülerinnen und Schülern,
welche Handlungen strafrechtlich relevant sind. «Viele Jugendliche sind sich
zum Beispiel nicht bewusst, dass das Senden von Gewaltvideos oder Nacktfotos
strafrechtliche Folgen haben kann.»
Auch der Verein Zischtig.ch, der von Schulen für
Lektionen gebucht werden kann, vermittelt Tipps zum sicheren Umgang mit
digitalen Medien. Die Mitarbeiterin und Psychologin Sharmila Egger sagt, Apps
wie Whatsapp, Snapchat, Skype und Musical.ly kenne heute jedes Kind. Mit
Musical.ly produzieren die Jugendlichen Videos zu Pop-Songs. Die Filme
verbreiten sie übers Internet an Freunde oder, wenn das Handy entsprechend
eingestellt ist, an ein unbekanntes Publikum. Für ihre Videos sammeln sie
zustimmende Kommentare.
«In den Workshops mit den Schülern thematisieren
wir die Einstellung der persönlichen Profile», sagt Egger. «Wir erklären, dass
man im Internet nicht erkennen kann, ob eine Person, mit der man kommuniziert,
echt ist.» Die Psychologin warnt davor, den vollen Namen oder Wohnort
bekanntzugeben. «Allein schon der Hintergrund einer Foto mit markanten Häusern
oder einer Kirche kann den Aufnahmeort verraten.»
Die Eltern erlebt Sharmila Egger häufig als
verunsichert. Viele reagierten mit Verboten. Davon rät sie allerdings ab.
Besser sei es, offen auf die Kinder einzugehen und sie auf ihrer «Reise durchs
Internet» aktiv zu begleiten. Mütter und Väter könnten ihre Kinder zum Beispiel
vor Kostenfallen im Internet warnen oder mit ihnen darüber diskutieren, warum
sie sich im Netz nicht zu intimen Themen wie Sexualität oder Liebeskummer
äussern sollen. «Wichtig ist auch, dass Schülerinnen und Schüler wissen, wo sie
Hilfe holen können, wenn sie allein nicht mehr zurechtkommen.» Die ersten
Ansprechpartner müssten nicht unbedingt die Eltern sein. Diese Rolle könnten
auch Schulsozialarbeiter, das Gotti oder der Götti übernehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen