13. November 2017

Gewalt per Handy

Kinder gehen heutzutage schon im Primarschulalter virtuos mit ihren Smartphones um. Blitzschnell tippen sie Nachrichten an die Eltern, chatten mit Klassenkameraden und spielen Online-Games. Daniele Lenzo, Leiter der Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt Zürich, beobachtet, dass Handys vor allem ab der Mittelstufe verbreitet sind. «Fast alle Fünft- oder Sechstklässler haben ein Smartphone zur Verfügung», sagt er. «Nicht alle besitzen ein eigenes Gerät, einige teilen es mit anderen Familienmitgliedern.»
Sicherer Umgang mit dem Handy, NZZ, 13.11.


Daniele Lenzo und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in Schulen gerufen, wenn es in einer Klasse zum Beispiel einen Fall von Mobbing oder Ausgrenzung gibt. Und häufig mobben Schülerinnen und Schüler einander heutzutage mithilfe des Handys. 

Klassenkameraden werden durch das Verschicken von Nachrichten schikaniert, verleumdet, beleidigt und schlechtgemacht; manchmal werden auch entwürdigende oder peinliche Fotos gestreut. Wenn die Kommunikation innerhalb von Gruppen-Chats stattfindet, ist die Verbreitung der Chat-Inhalte gross und unkontrollierbar. Lenzo sagt, oft eskaliere ein Konflikt nicht nur zwischen zwei Schülern; die Dynamik erfasse manchmal ganze Klassen, Schulen oder Quartiere. Die Mitarbeitenden der Fachstelle für Gewaltprävention machen sich an Ort und Stelle ein Bild von der Situation.

In den Klassen versuchen sie, die Schülerinnen und Schüler zum persönlichen Gespräch, also zur Kommunikation ohne Handy, zu bewegen. Gemeinsam werden Regeln für den Umgang erarbeitet. Die Fachleute ermutigen allfällige Mitläufer, Zivilcourage zu zeigen und die Täter auf ihr Verhalten anzusprechen. Zudem erläutern sie den Schülerinnen und Schülern, welche Handlungen strafrechtlich relevant sind. «Viele Jugendliche sind sich zum Beispiel nicht bewusst, dass das Senden von Gewaltvideos oder Nacktfotos strafrechtliche Folgen haben kann.»

Auch der Verein Zischtig.ch, der von Schulen für Lektionen gebucht werden kann, vermittelt Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Medien. Die Mitarbeiterin und Psychologin Sharmila Egger sagt, Apps wie Whatsapp, Snapchat, Skype und Musical.ly kenne heute jedes Kind. Mit Musical.ly produzieren die Jugendlichen Videos zu Pop-Songs. Die Filme verbreiten sie übers Internet an Freunde oder, wenn das Handy entsprechend eingestellt ist, an ein unbekanntes Publikum. Für ihre Videos sammeln sie zustimmende Kommentare.
«In den Workshops mit den Schülern thematisieren wir die Einstellung der persönlichen Profile», sagt Egger. «Wir erklären, dass man im Internet nicht erkennen kann, ob eine Person, mit der man kommuniziert, echt ist.» Die Psychologin warnt davor, den vollen Namen oder Wohnort bekanntzugeben. «Allein schon der Hintergrund einer Foto mit markanten Häusern oder einer Kirche kann den Aufnahmeort verraten.»

Die Eltern erlebt Sharmila Egger häufig als verunsichert. Viele reagierten mit Verboten. Davon rät sie allerdings ab. Besser sei es, offen auf die Kinder einzugehen und sie auf ihrer «Reise durchs Internet» aktiv zu begleiten. Mütter und Väter könnten ihre Kinder zum Beispiel vor Kostenfallen im Internet warnen oder mit ihnen darüber diskutieren, warum sie sich im Netz nicht zu intimen Themen wie Sexualität oder Liebeskummer äussern sollen. «Wichtig ist auch, dass Schülerinnen und Schüler wissen, wo sie Hilfe holen können, wenn sie allein nicht mehr zurechtkommen.» Die ersten Ansprechpartner müssten nicht unbedingt die Eltern sein. Diese Rolle könnten auch Schulsozialarbeiter, das Gotti oder der Götti übernehmen.


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