31. Oktober 2017

Zürich streicht heilpädagogische Früherziehung im Kindergarten

Behinderte Kinder haben mehr Mühe, in der Schule Tritt zu fassen, als andere. Bereits ab Geburt werden sie deshalb im Kanton Zürich mit heilpädagogischer Früherziehung unterstützt. Fachleute besuchen die Familien, sie spielen mit den Kindern, beraten die Eltern und machen sie auf Hilfsmittel und Entlastungsmöglichkeiten aufmerksam.
Solche Unterstützung war am Montag im Kantonsrat im Grundsatz unbestritten. Uneinig war man sich aber, ob die im neuen Kinder- und Jugendheimgesetz um zwei Jahre gesenkte Maximaldauer vertretbar sei und ob – wie von der Regierung und der Kommissionsmehrheit beantragt – der Anspruch bei angespannter kantonaler Finanzlage weiter eingeschränkt werden dürfe.
Sparen bei der Frühförderung, NZZ, 31.10. von Dorothee Vögeli

Wie Monika Wicki (sp., Zürich) festhielt, existiert mit dem Erlöschen des Anspruchs beim Eintritt in den Kindergarten kein adäquater Ersatz. Sonderpädagogische Massnahmen wie Stützunterricht oder Logopädie, aber auch sozialarbeiterische Familienhilfe seien bloss eine Ergänzung, darin seien sich die Fachleute einig. Gemäss Sonderpädagogik-Konkordat seien die Kantone verpflichtet, im Kindergarten Familienerziehung anzubieten – auch wenn es nur in wenigen Fällen nötig sei. Mit ihren Minderheitsanträgen hatte Wicki allerdings einen schweren Stand.

Die Mehrheit des Rates teilte die Ansicht der Regierung, die mit der Senkung der Maximaldauer Doppelspurigkeiten verhindern will. Aus pädagogischer Sicht sei es nicht gut, wenn zu viele Leute herumdokterten, sagte etwa Christoph Ziegler (glp., Elgg). Bildungsdirektorin Silvia Steiner bezeichnete eine klare Trennung von Frühbereich und Volksschule als notwendig. Bei zu vielen Zuständigkeiten bestehe die Gefahr der «Übertherapie», ein Leistungsabbau sei nicht zu befürchten, sagte sie, und sie hielt fest: «Die neue Regelung widerspricht dem Sonderpädagogik-Konkordat nicht.» Etwas mehr Unterstützung erhielt Wickis Antrag, das Angebot nicht vom kantonalen Finanzhaushalt abhängig zu machen. Ausser der EDU sahen auch Grüne und EVP den Sparhebel am falschen Ort angesetzt. «Wir sprechen vom Down-Syndrom, von Autismus und Verhaltensauffälligkeiten. Sparen wir bei solchen Kindern, fallen hohe Kosten im Sonderschulbereich an», so Karin Fehr (gp., Uster) warnend. Hanspeter Hugentobler (evp., Pfäffikon) bezeichnete den Passus als «unehrliche Scheinregelung». Solche Appelle blieben unerhört.


Einen Erfolg konnte hingegen Sabine Wettstein (fdp., Uster) verbuchen. Äusserst knapp, mit 88:87 Stimmen, hiess der Rat ihren Minderheitsantrag gut. Darin verlangte sie, die Verordnung zum neuen Gesetz der Genehmigung durch den Kantonsrat zu unterstellen. Das Gesetz sei äusserst komplex, die Konsequenzen nicht abschliessend absehbar – eine Verzögerung sei deshalb in Kauf zu nehmen, sagte sie. Steiner appellierte an den Rat, das die Gemeinden entlastende neue Gesetz nicht nochmals um ein bis zwei Jahre zu verzögern. Ohne Erfolg. Das Kinder- und Jugendheimgesetz wird also nach der zweiten Lesung Kommission und Regierung weiter beschäftigen.

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