Schulklassen
bestehen im Regelfall aus Kindern zweier Jahrgänge; der Stichtag entscheidet,
ab welchem Datum ein Kind standardmässig eingeschult wird. Für den untersuchten
Zeitraum war dies jeweils der 1. Mai. Wer exakt an diesem Tag geboren ist, ist
364 Tage älter als jemand, der am 30. April des darauffolgenden Jahres geboren
wurde. Dieser Unterschied bedeutet, im statistischen Durchschnitt, für die
jeweils älteren Kinder einen Entwicklungsvorsprung. Der Effekt, dass dieser
Entwicklungsvorsprung Einfluss auf spätere Selektionen hat, sei es im Sport
oder im akademischen Bereich, wird in der Forschung als relativer Alterseffekt
bezeichnet. Erste wissenschaftliche Publikationen dazu wurden bereits in den
1970er Jahren veröffentlicht.
Relativer Alterseffekt, Schweiz am Wochenende Ausgabe Basel, 28.10.
Die bz hat den relativen Alterseffekt beim
Nachwuchs des FC Basel seit 2015 mehrmals beleuchtet. Seither haben die
Verantwortlichen Anpassungen vorgenommen, um den unerwünscht hohen Anteil früh
im Jahr geborener Nachwuchsspieler zu verringern. So hat der Fussballverband
eine Quote für Spieler eingeführt, die im zweiten Halbjahr geboren sind. Dies
aus dem Grund, dass Talente verloren gehen, wenn Kinder gefördert werden, die
ihren Mitspielern nur wegen ihres Altersvorsprungs überlegen sind. Denn dieser
Vorsprung verpufft im Erwachsenenalter. In der akademischen Welt ist der Effekt
ebenfalls mehrfach nachgewiesen. Eine Untersuchung der Universität Oxford mit
28 921 Studenten zeigte, dass die kurz nach dem Stichtag geborenen Studenten
mit 14 Prozent übervertreten waren. Die relativ jüngsten Studenten eines
Jahrgangs waren an der Universität mit 16 Prozent untervertreten. Die
Untersuchung der «Schweiz am Wochenende» zeigt nun, dass dieser Effekt auch im
Basler Schulsystem nachweisbar ist: Von 2005 bis 2016 sind 271 Schüler mehr mit
Geburtstag im ersten Halbjahr ab Stichdatum in Basler Gymnasien eingetreten als
solche mit Geburtstag im zweiten Halbjahr. Das entspricht 10,3 Prozent. Die
Geburtenraten hingegen sind jeweils ziemlich regelmässig über die Jahreshälften
verteilt: In Basel-Stadt wurden von 1991 bis 2000 gemäss Statistischem Amt
jährlich 928 Kinder von November bis April geboren und 943 von Mai bis Oktober.
In wissenschaftlichen Arbeiten wird die Verteilung der Geburtenzahlen jeweils
herausgerechnet , die «Schweiz am Wochenende» hat diesen Effekt nicht
berücksichtigt.
Das Basler Schulsystem bestand für Schüler im
Untersuchungszeitraum aus vier Jahren Primar- und drei Jahren
Orientierungsschule. Die erste Selektion – der Eintritt ins Gymnasium oder die
Weiterbildungsschulen – fand demnach nach sieben Schuljahren statt. Mit dem
neuen Schulsystem, in dem nach sechs Primarschuljahren eine erste Selektion in
die verschiedenen Sekundarschul-Niveaus durchgeführt wird, dürfte sich der
relative Alterseffekt gemäss Theorie verstärken. Auch, dass der Stichtag seit
2012 jährlich um einen halben Monat nach hinten verschoben wurde und ab 2017 am
1. August ist, dürfte den Effekt verstärken, da die Kinder bei Schuleintritt
jünger sind.
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