28. Oktober 2017

Grosse Unterschiede in der Digitalisierung der Schulen

Neun Kantone haben den Lehrplan 21 schon eingeführt. Dieser soll den Informatikunterricht stärken. Fachleute erhoffen sich einen Schub bei der Digitalisierung der Schule. Die Umsetzung ist aber nicht einfach.
Steiniger Weg ins digitale Zeitalter, Luzerner Zeitung, 27.10. von Maja Briner


Die Digitalisierung ist das Schlagwort der Stunde. In den Schulen aber, da ist die Welt der Bits und Bytes noch nicht überall angekommen. Einen Schritt in diese Richtung macht der Lehrplan 21: Bereits in der Primarschule sollen die Kinder gewisse Kompetenzen im Bereich «Medien und Informatik» erwerben. Ende der zweiten Klasse sollen sie etwa in der Lage sein, am Computer Dokumente «selbstständig abzulegen und wieder zu finden». So steht es im Lehrplan 21, den neun Kantone im August zumindest teilweise eingeführt haben: alle Zentralschweizer ausser Zug sowie St.Gallen, Thurgau, Glarus und Appenzell Ausserrhoden. Medien und Informatik wird je nach Kanton ab der 5. oder 7. Klasse als separates Fach unterrichtet, aber bereits zuvor soll der Stoff in andere Fächer einfliessen.
Doch es gibt Stolpersteine. Damit die Umsetzung des Lehrplanauftrags gelinge, müssten wesentliche Bedingungen erst noch erfüllt werden, hielt der Lehrerdachverband LCH kürzlich in einem Positionspapier fest. Es brauche unter anderem Weiterbildung für die Lehrpersonen, eine aktuelle technische Infrastruktur und digitales Lernmaterial. LCH-Präsident Beat W. Zemp sagt, heute gebe es grosse Unterschiede zwischen den Schulen: «Manche sind schon sehr weit, programmieren sogar mit ihren Schülern Roboter. Andere stehen noch am Anfang.»

Die digitale Revolution habe in der Schule bisher nicht statt­gefunden, schrieb Beat Döbeli Honegger, Professor an der Pädagogischen Hochschule Schwyz, in einem 2016 erschienenen Buch. Heute sagt er: «Selbstverständlich ist die Schule nicht stehen geblieben.» Aber im Vergleich dazu, welche Bedeutung das Digitale heute in fast allen ­Lebensbereichen habe, sei in der Schule wenig passiert. Der technologische Wandel sei lange unterschätzt worden. Inzwischen sei das anders: «Jetzt machen die Schulen, was sie können, um den Rückstand aufzuholen», sagt er. Und die Einführung von «Medien und Informatik» bringe viel: «Das löst einen Schub aus.» Unter anderem würden dadurch die IT-Kompetenzen der Lehrpersonen besser, da sie in den meisten Kantonen eine Weiterbildung absolvieren müssten.

Mit der Digitalisierung im Schulzimmer müssen sich auch die Lehrmittelhersteller auseinandersetzen. Gestern lud der Klett und Balmer Verlag zu einem Mediengespräch zum Thema. Von den Verlagen wird erwartet, dass sie neben den klassischen Schulbüchern auch digitale Lernhilfen liefern. Ein Problem dabei sind indes die Kosten, wie LCH-Präsident Zemp sagt: «Häufig gibt es zum Lehrbuch zusätzliche Online-Module, was das Ganze verteuert.»

«Situation entschärft sich langsam»

Für die Verlage wiederum ist die rasche technologische Entwicklung eine grosse Herausforderung, wie Marcel Gübeli, Direktor der Interkantonalen Lehrmittelzentrale, sagt. Früher hätten Lehrmittel eine Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren gehabt, heute seien es 10 bis 15 Jahre. «Lehrmittel basieren auf einer gewissen Stabilität. Digitale Angebote sind aber der technischen Entwicklung ausgesetzt», sagt er.

Wie schwierig es für die Verlage ist, beim hohen Tempo mitzuhalten, zeigt sich aktuell bei «Medien und Informatik»: Noch gibt es dafür kein Lehrmittel, das alles aus einem Guss bieten würde, wie Gübeli sagt. Die Situation entschärfe sich aber langsam. «Es braucht alles Zeit», sagt er.


Auch Döbeli Honegger fordert, man müsse den Schulen Zeit geben: «Es bringt nichts, die Schulen heute zu kritisieren, dass sie zu wenig machen im Bereich der Digitalisierung. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Man hätte es früher säen müssen.»

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