20. Oktober 2017

Erstklässler müssen benotet werden

Es ist eine Mitteilung, die die leitenden Köpfe im Erziehungsdepartement (ED) schockiert und geärgert haben dürfte. An einem Elternabend verkündeten mehrere Primarlehrerinnen und -lehrer des Gotthelf-Schulhauses eigenmächtig, sie würden für die Erstklässler keine Lernberichte mehr ausfüllen – es sei denn, einzelne Eltern würden dies ausdrücklich wünschen. Es sei unnötig, bereits in der ersten Klasse durch solche Bewertungen Druck aufzubauen, begründeten die Lehrpersonen ihren Entscheid. Ohne Lernberichte – und damit mit weniger Druck – könnten Kinder besser in die Schule starten. In drei Klassenzimmern soll es nach der Verkündung der Lehrer vonseiten der Eltern zu spontanem Applaus gekommen sein.
Primarlehrer verweigern die Lernberichte, Basler Zeitung, 19.10. von Nina Jecker


Dass die Weigerung der Schullaufbahnverordnung und damit dem Gesetz widerspricht, rief die Schulleitung auf den Plan. Diese schickte allen Eltern einen Brief, in dem steht, dass selbstverständlich Lernberichte erstellt würden; unabhängig davon, was die Lehrpersonen gesagt hätten. Schulleiter Philip Kaeser hielt gegenüber dem «Regionaljournal» von SRF fest, dass er zwar nicht hinter dem Vorgehen der Lehrpersonen stehe, die ohne das Wissen der Schulleitung gehandelt hätten. Pikant ist aber: Hinter der Haltung der Verweigerer steht Kaeser durchaus, er nennt sie im Radio «eine gute Sache».

Neuerungen umstritten
Überrascht von den Vorfällen im Gotthelf-Schulhaus zeigte sich Jean-Michel Héritier, Präsident der Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt. Das sei kein übliches Vorgehen. Lehrpersonen seien kooperative Leute, die loyal ihre Arbeit machen würden. Man sei aber seit Jahren in der Diskussion über Neuerungen, die teilweise umstritten seien.
Die Lehrer, die sich vor dem eigenmächtigen Auftritt mit ihrem Anliegen offenbar an das Erziehungsdepartement gewandt hatten und abblitzten, bekommen unter anderem Unterstützung aus der Politik. SP-Grossrätin Kerstin Wenk hat sich in der Vergangenheit bereits gegen die Lernberichte ausgesprochen, die seit 2013 bereits im Kindergarten erstellt werden müssen. «Ich habe viel Verständnis für die Lehrerinnen und Lehrer, die dies für Erstklässler nicht mehr machen wollen», sagt sie zur BaZ. Man beginne viel zu früh mit der Bewerterei und erzeuge damit unnötig Druck. «Es war viel besser, als das Ganze noch ohne Berichte, sondern über Gespräche mit den Eltern lief», sagt die Politikerin.
Erziehungsdirektor Conradin Cramer hat von der Weigerung der Lehrer erfahren, als die Schulleitung den Brief an die Eltern versandte. Er gehe davon aus, dass die Lehrpersonen nicht aus Lust an der Provokation so gehandelt haben, sondern aus einer pädagogischen Haltung heraus. «Es gibt aber geltende Gesetze, an die wir uns alle halten müssen, und deshalb kann man nicht einfach die Schullaufbahnverordnung ausser Kraft setzen. Insofern war das Vorgehen tatsächlich nicht korrekt», sagt er auf Anfrage der BaZ.

Aktuell überarbeitet eine Arbeitsgruppe die Schullaufbahnverordnung, der auch die Schulleitungen angehören. «Sie können dort ihre Wünsche und Bemerkungen anbringen», sagt Cramer. In der Zwischenzeit heisst es aber laut Weisung aus dem ED auch für die Gotthelf-Lehrer: Lernberichte sind Pflicht.


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