Der Kanton Bern reagiert auf den Mangel an Plätzen in heilpädagogischen Sonderschulen und schafft neue Klassen. Bei den Schulen spricht man schon von einer Entspannung der Situation.
Kanton schafft Platz für Sonderschüler, Berner Zeitung, 17.9. von Marius Aschwanden
Mittlerweile hat der Kanton reagiert. Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) hat die Sonderschulstrategie in die Vernehmlassung geschickt, mit der die Aufnahmepflicht endlich eingeführt werden soll. Und auch die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) ist nicht untätig geblieben. Sie hat mit dem Beginn des neuen Schuljahrs in allen Regionen des Kantons gesamthaft 93 neue Plätze geschaffen, wie sie gestern mitteilte.Das eigene Kind wird ausgeschult, weil es in der normalen Schule nicht mehr tragbar ist. Einen Platz in einer heilpädagogischen Sonderschule jedoch finden die Eltern nicht, da die Institutionen noch immer nicht zur Aufnahme verpflichtet sind. Kommt hinzu, dass diese aufgrund der starken Zunahme der Sonderschüler in den letzten neun Jahren von 1500 auf über 2500 sowieso aus allen Nähten platzen. Das Resultat: Jedes Jahr müssen im Kanton Bern über ein Dutzend Kinder zu Hause bleiben, weil sie quasi aus dem System gefallen sind (wir berichteten).
Beruhigung in Biel
Besonders gravierend war
die Situation gemäss der Medienmitteilung in der Region Biel und im Berner
Jura. In Tavannes und in Lyss wurden deshalb je zwei neue Sonderschulklassen
eröffnet. Zudem gibt es in Biel zwei neue französischsprachige
Sprachheilbasisklassen. Und schliesslich habe die GEF bei Bedarf den
Institutionen zusätzliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit
die betroffenen Kinder geeignet unterricht werden könnten.
Anton Wagner, Leiter der
Heilpädagogischen Tagesschule Biel, bestätigt, dass sich die Situation für den
Moment entschärft habe. «Mittlerweile wurde auch für die französischsprachige
Region eine Onlineplattform installiert, wo alle Kinder registriert werden,
die noch einen Platz suchen», so Wagner. Darauf hätten alle Institutionen
Zugriff. So könne für praktisch alle Schüler eine gute Lösung gefunden werden.
Laut Wagner hat sich
auch die Zusammenarbeit mit der GEF verbessert. «Der Wille vonseiten des
Kantons ist sehr gross und finanzielle Mittel werden unbürokratisch zur
Verfügung gestellt», sagt er.
Kosten unbekannt
Gehandelt hat die GEF
auch in anderen Regionen des Kantons. So wurden in der Umgebung von Bern, in
Gstaad, Gümligen, Köniz und Münchenbuchsee die Anzahl Klassen ebenfalls erhöht.
In Langenthal, Burgdorf und Interlaken wurde zudem das Personal aufgestockt,
sodass in den Sonderschulen mehr Kinder aufgenommen werden können. Und
schliesslich sollen im Emmental, in Zollikofen und in Worb spätestens auf
Beginn des nächsten Schuljahres auch noch neue Klassen eröffnet werden.
Trotz all dieser
Bemühungen würden gemäss Kanton derzeit noch immer «eine Handvoll
Sonderschülerinnen und Sonderschüler» auf einen Schulplatz warten. «Es handelt
sich dabei um Kinder und Jugendliche mit zum Teil hochkomplexen
Schwierigkeiten», sagt Thomas Schüpbach, Leiter der Abteilung Kinder und
Jugendliche bei der GEF. Ziel sei es zudem, einen bedarfsgerechten Platz zu
finden. Weil dies teilweise auch Anpassungen vonseiten der Sonderschulen
verlange, gehe das nicht «von heute auf morgen».
Wie teuer den Kanton die
zusätzlichen Plätze kommen, kann Schüpbach derzeit noch nicht abschätzen.
Diese würden auch nur so lange finanziert, wie sie tatsächlich benötigt würden.
«Mit einem quartalsweisen Monitoring überprüfen wir, ob die Kinder nicht zurück
in der Regel- oder Herkunftsklassen integriert werden können», sagt Schüpbach.
Auffangbecken
weggefallen
Gerade bei dieser
Integration sehen viele Fachleute aber den Grund für die starke Zunahme an
Sonderschülern. Seit 2008 werden im Kanton Bern lernschwache oder
verhaltensauffällige Schüler möglichst in der Regelschule unterrichtet. Seither
hat die Anzahl Kleinklassen von 411 auf unter 150 abgenommen. Die zunehmende
Integration bedeute trotz Stützunterricht aber eine grosse Mehrbelastung für
die Lehrer. Diese stossen zunehmend an ihre Grenzen. Das führe dazu, dass heute
schneller Kinder ausgeschult würden als früher, heisst es. Entsprechend steigt
die Anzahl Sonderschüler.
Erst kürzlich haben sich
deshalb über 1000 Lehrpersonen an Erziehungsdirektor Bernhard Pulver gewandt
und mehr Teamunterricht gefordert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen