4. September 2017

Berner Regierung zur Lehrplan-Initiative: "Nicht nötig"

Einzig in der SVP-Fraktion gibt es eine grössere Zahl von Befürwortern der Initiative gegen den Lehrplan 21. Die Regierung findet das Anliegen «nicht nötig».
Wer soll entscheiden, was im Lehrplan für die Volksschule steht? Die kantonale Erziehungsdirektion, so wie bis anhin? Oder doch das Parlament und das Stimmvolk? Voraussichtlich im März 2018 werden die Stimmbürger im Kanton Bern über diese Frage befinden. Dann kommt die Volksinitiative «Für demokratische Mitsprache – Lehrpläne vors Volk!» zur Abstimmung.
Die Lehrplan-Initiative ist im Grossen Rat wohl chancenlos, Bund, 4.9. von Adrian M. Moser


Bereits am Montag wird sich der Grosse Rat über die Vorlage beugen. Zur Debatte steht zum einen die Gültigkeit der Initiative. Zum anderen muss der Rat dem Volk ein Ja oder ein Nein empfehlen. Die Gültigkeit dürfte unbestritten sein, wie Anfragen bei den Fraktionen zeigen, obwohl die Initiative einen heiklen Punkt enthält: Sie soll sich rückwirkend auch auf den Lehrplan 21 auswirken.

Rückwirkung ist rechtens
Die Initiative verlangt, dass künftig der Grosse Rat und – wenn jemand das Referendum ergreift – das Volk neue Lehrpläne genehmigen müssen. Der Lehrplan 21 ist längst beschlossen und tritt im Sommer 2018 in Kraft. Trotzdem müsste ihn das Parlament und eventuell das Volk nachträglich noch genehmigen, wenn die Initiative angenommen würde. So sehen es die darin enthaltenen Übergangsbestimmungen vor.

Sollte das Volk den Lehrplan 21 dann – wohl mehrere Jahre nach seiner Einführung – nicht genehmigen, entstünde eine Lehrplanlücke, die wiederum durch Übergangslösungen überbrückt werden müsste. Nachdem ein Rechtsgutachten zum Schluss gekommen ist, dass diese Rückwirkung rechtens ist, empfiehlt auch der Regierungsrat, die Initiative für gültig zu erklären.

Die SVP ist gespalten
Inhaltlich zeichnet sich im Grossen Rat eine klare Nein-Empfehlung ab. Einige Ja-Stimmen sind aus der SVP-Fraktion zu erwarten, vereinzelt von den Grünen und womöglich aus der EDU. «Unsere Fraktion ist geteilter Meinung», sagt SVP-Fraktionschefin Madeleine Amstutz. «Die Mehrheit ist gegen die Initiative, die Gruppe der Befürworter ist aber auch recht gross.» Amstutz betont, dass es sich nicht um eine SVP-Initiative handle. Der Grund: Im Unterstützungskomitee treten diverse SVP-Gross- und auch Nationalräte auf, während andere Parteien kaum vertreten sind. So engagieren sich etwa die Nationalräte Erich von Siebenthal und Andrea Geissbühler sowie die Grossräte Samuel Krähenbühl, Thomas Knutti, Andreas Blank, Andrea Gschwend und Sabina Geissbühler.

Die weiteren angefragten Fraktionen werden die Initiative einstimmig oder grossmehrheitlich ablehnen. «Auch wir haben Vorbehalte gegen gewisse Inhalte des Lehrplans 21, doch wir können uns nicht vorstellen, ein solch komplexes Papier vors Volk zu bringen», sagt etwa Christine Schnegg (EVP). Ähnlich argumentiert BDP-Fraktionschefin Anita Luginbühl: «Der Inhalt der Schule soll nicht aufgrund von persönlichen oder politischen Vorlieben bestimmt werden, sondern aufgrund von fachlichen Überlegungen», sagt sie.

Versand würde Millionen kosten
Damit liegen die Fraktionen weitgehend auf der Linie des Regierungsrats, der die Initiative dezidiert ablehnt. «Die Initiative ist nicht nötig», heisst es im Antrag der Regierung ans Parlament. «Schon heute ist eine breite Mitwirkung der Fachleute und der Politik möglich.» Zuvor legt die Regierung ausführlich dar, wie sie zu diesem Schluss kommt. So heisst es etwa: «Die Kompetenzverschiebung vom Regierungsrat zum Grossen Rat hätte zur Folge, dass Lehrplanänderungen weniger von pädagogischen Erkenntnissen geprägt würden, sondern vielmehr danach ausgerichtet würden, ob sie in der jeweils aktuellen politischen Situation Mehrheitsfähig sind.»

Der Regierungsrat nennt aber auch ein praktisches Argument: Nach heutigem Recht müsse die Abstimmungsvorlage den Stimmberechtigten in Papierform zugestellt werden. Der Lehrplan 21 umfasst gegen 500 Seiten. Diesen für alle Stimmberechtigten zu drucken und zu verschicken, würde mehrere Millionen Franken kosten, schreibt der Regierungsrat. 


1 Kommentar:

  1. Online KOMMENTAR

    Warum hat die Regierung den Lehrplan 21 nicht dem Volk vorgelegt, obschon sie gewusst hat, dass damit das bisherige Schulsystem ohne Not an die Wand gefahren wird? Dann wäre daraus nie ein solches Monster von 500 Seiten und Tausenden von Teilkompetenzen geworden. Wo ist der Nachweis, dass das bewährte Schulsystem versagt haben soll? Lehrpersonen und Schulleiter können keine Auskunft geben, ob die neuen Unterrichtsmethoden, bestehend aus altersdurchmischtem Lernen, selbstentdeckenden Lernformen, Lernlandschaften usw. nachgewiesenermassen bessere Schüler hervorbringen. Die von der OECD übernommene Kompetenzorientierung bedeutet auf der Unterrichtsebene das "selbstgesteuerte Lernen", dass Klassenunterricht und Lehrer überflüssig machen soll und zu massivem Bildungsabbau führt.

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