5. September 2017

Berner Grosser Rat lehnt Lehrplan-Initiative ab

Mit 122 zu 19 Stimmen bei 8 Enthaltungen sprach sich der bernische Grosse Rat am Montag gegen die Initiative aus. Der Tenor quer durch alle Fraktionen lautete, der Grosse Rat sei der falsche Ort, um über Lehrplaninhalte zu diskutieren. Vor allem aus der SVP-Fraktion kamen die Ja-Stimmen, doch war die Mehrheit dieser Fraktion gegen die Initiative. Der Titel der Initiative, die gemäss Regierungsangaben frühestens im März des kommenden Jahres vors Volk kommt, lautet «Für demokratische Mitsprache - Lehrpläne vors Volk». Sie wurde im vergangenen August mit fast 19'000 Unterschriften eingereicht.
Im Juni dieses Jahres gab die vorberatende Kommission des bernischen Grossen Rats bekannt, sie empfehle dem Grossen Rat mit nur einer Gegenstimme die Initiative zur Ablehnung. Der Berner Regierungsrat sprach sich ebenfalls gegen sie aus. Ob die Initiative für gültig erklärt werden kann, liess er durch ein Rechtsgutachten abklären.
Berns Grosser Rat lehnt Anti-Lehrplan-21-Initiative deutlich ab, Bund, 5.9.


Indirekt gegen Lehrplan 21
Das Begehren verlangt nicht direkt, dass der Lehrplan 21dem Bernervolk vorgelegt wird. Vielmehr streben die Urheber an, die Zuständigkeit für den Erlass der Lehrpläne zu ändern. Künftig sollen Lehrpläne und Lehrplanteile nicht mehr abschliessend durch den Regierungsrat respektive die Erziehungsdirektion erlassen, sondern zusätzlich vom Grossen Rat genehmigt werden.

Nur Lehrpläne und -teile von untergeordneter Bedeutung könnte der Regierungsrat bei einem Ja zur Initiative in eigener Kompetenz einführen. Auch interkantonale Vereinbarungen zu Lehrplänen oder Lehrplanteilen sollen vor den Grossen Rat. Die Grossratsbeschlüsse würden dem fakultativen Referendum unterstehen. Damit könnte nach dem Willen des Initiativkomitees das Volk bei wichtigen Bildungsreformen mitreden, sofern ein Komitee das Referendum ergreift.

Eine Übergangsbestimmung im bernischen Volksschulgesetz soll garantieren, dass auch Lehrpläne, die ab 2017 in Kraft gesetzt werden, dem Grossen Rat vorgelegt werden müssen. Damit zielen die Initianten auf den Lehrplan 21, ohne ihn direkt zu nennen. Sie stört am Lehrplan 21 vor allem dessen konstruktivistischer Ansatz. Gemeint ist, dass Schüler künftig weitgehend selber ihre Lernprozesse sollen steuern können. Die Lehrpersonen verlören so ihre zentrale Bedeutung und würden zu Lernbegleitern, findet das Initiativkomitee.

Frühestens 2020 zweite Abstimmung
Falls das Bernervolk die Initiative im kommenden Jahr annehmen sollte, würde der Lehrplan 21 dem Grossen Rat zur Genehmigung unterbreitet. Sagt dieser Ja zum Lehrplan 21 und wird gegen diesen Beschluss das Referendum ergriffen, fände eine Abstimmung gemäss Regierungsangaben frühestens 2020 statt. Berns Erziehungsdirektor Bernhard Pulver sagte schon Anfang Jahr, dass die Einführung des Lehrplans 21 und die Weiterbildung der Lehrpersonen unabhängig von diesen Eventualitäten wie geplant weiterläuft.

Angesichts der bisher getroffenen Entscheide des Kantonsparlaments, beispielsweise zur Finanzierung der Weiterbildung in Sachen Lehrplan 21, sehe er keine Legitimation, «jetzt alles auszubremsen». Am Montag sagte Pulver im Grossen Rat, wenn jede Lehrplanänderung vors Kantonsparlament käme, würden dessen Inhalte politisiert. Es drohte ein Schlagwort-Abtausch und die Politik der ruhigen Hand in der Volksschule wäre gefährdet. Auch in anderen Kantonen ist oder war der Lehrplan 21 umstritten. Ähnliche Initiativen wie in Bern wurden in den Kantonen Aargau, Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen, Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft und zuletzt am 21. Mai in Solothurn vom Volk abgelehnt.

Neues Komitee erfreut
Unmittelbar nach dem Grossratsentscheid teilte ein überparteiliches Komitee «Nein zur Initiative 'Lehrpläne vors Volk'» mit, es sei sehr erfreut. Es habe sich im August gegründet, um der Initiative «mit einem klaren Nein und mit Argumenten aus Wirtschaft und Bildung entgegenzutreten». Im Komitee vertreten sind etwa Handels- und Industrieverein (HIV), KMU Kanton Bern, Bildung Bern, Verband der SchulleiterInnen Bern VSLBE, VPOD Kanton Bern, BDP,EVP, glp, Grüne, FDP und SP. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen