Mit 122 zu 19 Stimmen
bei 8 Enthaltungen sprach sich der bernische Grosse Rat am Montag gegen die
Initiative aus. Der Tenor quer durch alle Fraktionen lautete, der Grosse Rat
sei der falsche Ort, um über Lehrplaninhalte zu diskutieren. Vor allem aus der SVP-Fraktion
kamen die Ja-Stimmen, doch war die Mehrheit dieser Fraktion gegen die
Initiative. Der Titel der Initiative, die gemäss Regierungsangaben frühestens
im März des kommenden Jahres vors Volk kommt, lautet «Für demokratische
Mitsprache - Lehrpläne vors Volk». Sie wurde im vergangenen August mit fast
19'000 Unterschriften eingereicht.
Im Juni
dieses Jahres gab die vorberatende Kommission des bernischen Grossen Rats
bekannt, sie empfehle dem Grossen Rat mit nur einer Gegenstimme die Initiative
zur Ablehnung. Der Berner Regierungsrat sprach sich ebenfalls gegen sie aus. Ob
die Initiative für gültig erklärt werden kann, liess er durch ein
Rechtsgutachten abklären.
Berns Grosser Rat lehnt Anti-Lehrplan-21-Initiative deutlich ab, Bund, 5.9.
Indirekt gegen Lehrplan
21
Das Begehren
verlangt nicht direkt, dass der Lehrplan
21dem Bernervolk vorgelegt wird. Vielmehr
streben die Urheber an, die Zuständigkeit für den Erlass der Lehrpläne zu
ändern. Künftig sollen Lehrpläne und Lehrplanteile nicht mehr abschliessend
durch den Regierungsrat respektive die Erziehungsdirektion erlassen, sondern
zusätzlich vom Grossen Rat genehmigt werden.
Nur Lehrpläne
und -teile von untergeordneter Bedeutung könnte der Regierungsrat bei einem Ja
zur Initiative in eigener Kompetenz einführen. Auch interkantonale
Vereinbarungen zu Lehrplänen oder Lehrplanteilen sollen vor den Grossen Rat.
Die Grossratsbeschlüsse würden dem fakultativen Referendum unterstehen. Damit
könnte nach dem Willen des Initiativkomitees das Volk bei wichtigen
Bildungsreformen mitreden, sofern ein Komitee das Referendum ergreift.
Eine
Übergangsbestimmung im bernischen Volksschulgesetz soll garantieren, dass auch
Lehrpläne, die ab 2017 in Kraft gesetzt werden, dem Grossen Rat vorgelegt
werden müssen. Damit zielen die Initianten auf den Lehrplan 21, ohne ihn direkt
zu nennen. Sie stört am Lehrplan 21 vor allem dessen konstruktivistischer
Ansatz. Gemeint ist, dass Schüler künftig weitgehend selber ihre Lernprozesse
sollen steuern können. Die Lehrpersonen verlören so ihre zentrale Bedeutung und
würden zu Lernbegleitern, findet das Initiativkomitee.
Frühestens 2020 zweite
Abstimmung
Falls das
Bernervolk die Initiative im kommenden Jahr annehmen sollte, würde der Lehrplan
21 dem Grossen Rat zur Genehmigung unterbreitet. Sagt dieser Ja zum Lehrplan 21
und wird gegen diesen Beschluss das Referendum ergriffen, fände eine Abstimmung
gemäss Regierungsangaben frühestens 2020 statt. Berns Erziehungsdirektor
Bernhard Pulver sagte schon Anfang Jahr, dass die Einführung des Lehrplans 21
und die Weiterbildung der Lehrpersonen unabhängig von diesen Eventualitäten wie
geplant weiterläuft.
Angesichts
der bisher getroffenen Entscheide des Kantonsparlaments, beispielsweise zur
Finanzierung der Weiterbildung in Sachen Lehrplan 21, sehe er keine
Legitimation, «jetzt alles auszubremsen». Am Montag sagte Pulver im Grossen
Rat, wenn jede Lehrplanänderung vors Kantonsparlament käme, würden dessen
Inhalte politisiert. Es drohte ein Schlagwort-Abtausch und die Politik der
ruhigen Hand in der Volksschule wäre gefährdet. Auch in anderen Kantonen ist
oder war der Lehrplan 21 umstritten. Ähnliche Initiativen wie in Bern wurden in
den Kantonen Aargau, Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen, Appenzell-Innerrhoden,
Basel-Landschaft und zuletzt am 21. Mai in Solothurn vom Volk abgelehnt.
Neues Komitee erfreut
Unmittelbar
nach dem Grossratsentscheid teilte ein überparteiliches Komitee «Nein zur
Initiative 'Lehrpläne vors Volk'» mit, es sei sehr erfreut. Es habe sich im
August gegründet, um der Initiative «mit einem klaren Nein und mit Argumenten
aus Wirtschaft und Bildung entgegenzutreten». Im Komitee vertreten sind etwa
Handels- und Industrieverein (HIV), KMU Kanton Bern, Bildung Bern, Verband der
SchulleiterInnen Bern VSLBE, VPOD Kanton Bern, BDP,EVP, glp,
Grüne, FDP und SP.
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