Wie kann man als Lehrer
ein Vorbild bleiben? C. G.
Lieber Herr
G.
Ich möchte
mit einer Gegenfrage antworten: Soll man als Lehrer überhaupt ein Vorbild
werden, sein oder bleiben? Es ist paradox: Gerade der Anspruch eines Lehrers,
ein Vorbild zu sein, disqualifiziert ihn doch für die Rolle als Vorbild. Denn
dieser Anspruch impliziert ein grobes Missverständnis dessen, wie man zum
Vorbild wird. Nämlich nicht durch eigenen Entschluss, sondern dadurch, dass man
von anderen (in diesem Fall: den Schülern) als Vorbild betrachtet wird.
Wer ist vorbildlich? Tages Anzeiger, 24.8. von Peter Schneider
Der
Vorbildcharakter eines Menschen ist keine Eigenschaft an sich, kein
Persönlichkeitsmerkmal, sondern etwas, das nur abhängig vom Urteil anderer
existiert. Diese anderen sind zudem meistens nicht einer Meinung, was sie
vorbildlich finden: Was dem einen als vorbildhaft erscheint, findet der andere
eher verachtenswert.
Das
beginnt schon – ein beliebtes Thema in der Diskussion über Lehrer – mit dem
Kleidungsstil: Was der eine als salopp und sportlich schätzt, erscheint dem
anderen als schlampig. Man kann es gut finden, dass ein Lehrer sich nicht mit
Äusserlichkeiten aufhält und es bei Trekking-Sandalen, T-Shirt und Cargo-Hose
bewenden lässt; aber man kann ebenso gut den ausgefeilten modischen Stil einer
Lehrerin als Zeichen ihrer Kultiviertheit schätzen. Man soll es als Lehrer mit
dem Rauchen, Saufen, Fluchen, Mülltrennen, SUV-Fahren halten, wie man will; man
sollte den Verzicht darauf nur nicht damit verkaufen, dass man schliesslich ein
Vorbild sein möchte. Denn das Schielen darauf, ob man wohl für seine Schüler
ein Vorbild ist, hat etwas Ängstliches und Musterschülerhaftes an sich. Wer
selber einmal Schüler war (also so ziemlich jeder), weiss, dass man Musterschüler
nicht besonders schätzt – ausser natürlich zum Abschreiben.
Das liegt
nicht daran, dass Schüler Leistungen nicht zu würdigen wüssten, sondern daran,
dass sie einen verständlichen Widerwillen gegen die subalterne Haltung haben,
aus der heraus die Leistungen erbracht werden: Es ist das autoritätsgläubige
Gefallenwollen, das nervt. Ein Lehrer, der von sich aus die Haltung des
Vorbildlichen zu verströmen sucht, wird deshalb leicht zu einer halb
bedauernswerten, halb verächtlichen Gestalt. Die Schüler spüren die Absicht –
und sind verstimmt.
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