6. August 2017

Angriff auf Schulsport

Wenige Jahre nachdem ein nationales Sportobligatorium im Gesetz verankert worden ist, steht es wieder auf der Kippe. Sportpolitiker befürchten einen Abbau.
Schulsport unter Druck, NZZaS, 6.8. von René Donzé
 
Es war ein hartes Ringen damals im Bundeshaus: Die grosse Mehrheit des Nationalrates wollte den Kantonen vorschreiben, wie viele Lektionen Sport die Kinder erhalten. Der Ständerat war strikte dagegen und bewegte sich damit auf einer Linie mit Bundesrat Ueli Maurer (svp.), damals Vorsteher des Verteidigungs- und Sportdepartements. Erst in der Einigungskonferenz gaben die Ständeräte nach. Das war 2011. Seither stehen drei Sportlektionen pro Woche in der obligatorischen Schule im Sportförderungsgesetz.
Nun wird das bereits wieder infrage gestellt. Wie gut unterrichtete Quellen berichten, will das Finanzdepartement, dem pikanterweise heute Ueli Maurer vorsteht, auf diese Regelung zurückkommen: Der Vorschlag ist Teil einer Analyse zur besseren Aufgabentrennung zwischen Bund und Kantonen. Dieser Bericht wird den kantonalen Regierungen zur Stellungnahme unterbreitet.

Systembruch korrigieren
Darum weiss auch Benedikt Würth (cvp.), Finanzdirektor des Kantons St.Gallen und Präsident der Konferenz der Kantone, von diesen Ideen und begrüsst sie: «Die Kantone haben diese Bundesregelung, welche in die kantonale Schulhoheit eingreift, immer als Fremdkörper und völlig unnötig empfunden.» Es dürfe nicht sein, dass der Bund Vorschriften mache, deren finanzielle Folgen allein die Kantone trügen.

Der Sportunterricht in der obligatorischen Schule, den Gymnasien und den Berufsschulen kostet die Kantone jährlich rund 1,4 Milliarden Franken. «Inhaltliche und finanzielle Verantwortung müssen zusammengehören», sagt Würth. «Die geltende Regelung im Sportbereich verstösst krass gegen diesen Grundsatz.»

Unterstützt wird er in seiner Haltung von bürgerlichen Bildungspolitikern. Christian Wasserfallen (fdp.) kämpfte 2011 mit seiner Fraktion gegen das Sportobligatorium. «Es ist ein Eingriff in die Kantonshoheit», sagt er. Dies habe dazu geführt, dass auch in anderen Bereichen die Lust auf nationale Vorschriften in der Bildung gestiegen sei, etwa bei den Fremdsprachen. «Damit müssen wir ein für alle Mal aufhören.»

Auch Peter Keller (svp.) ist gegen das Obligatorium. Dabei war es sein Parteikollege, der ehemalige Eishockey-Nationaltrainer Simon Schenk, der damals als Nationalrat an vorderster Front dafür gekämpft hatte. «Es gibt eben auch bei uns eine hohe Affinität zum Sport», sagt Keller. Doch das dürfte keine Rolle spielen. «Wir müssen diesen Systembruch korrigieren.»

Sport als Sparopfer
Empörung lösen die Ideen bei Matthias Aebischer (sp.) aus, dem Präsidenten der parlamentarischen Gruppe Sport. «Das wäre meines Erachtens völlig unsinnig», sagt er. «Es geht hier um die Volksgesundheit und damit um immense Folgekosten.» Darum brauche es Richtlinien des Bundes. Seine Parteikollegin Chantal Galladé, die sich für das Gesetz eingesetzt hatte, befürchtet einen Abbau des Schulsports in einer Zeit, in der die Kantone Sparpakete schnürten. «Wenn das Sportobligatorium gestrichen wird, dann wird sicherlich bald auch beim Turnunterricht gespart.»

Aus formellen Gründen für die Beibehaltung der Regelung ist der liberale Christof Eymann. Zwar sei die Erziehungsdirektorenkonferenz, deren Präsident er war, damals mit Recht dagegen gewesen. Doch nun hätten sich die Kantone gut darauf eingestellt. «Es ist nicht angezeigt, jetzt wieder alles rückgängig zu machen.»

Auch verwaltungsintern regt sich Opposition. So will sich das Bundesamt für Sport unter Verteidigungsminister Guy Parmelin (svp.) dem Vernehmen nach gegen diese Änderung aussprechen, weil man einen Abbau des Schulsports befürchtet. Für Benedikt Würth ist diese Angst hingegen «völlig unbegründet»: «Die Kantone sind selbstverständlich in der Lage, den gesamten Volksschulbereich, inklusive Sport, im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft gut zu organisieren und zu finanzieren.»

Das Finanzdepartement will inhaltlich keine Stellung nehmen. Die Beurteilung der Aufgabentrennung sei Gegenstand laufender Arbeiten. Der jüngste Bericht enthalte noch keine Handlungsempfehlungen. Im Herbst 2018 werde der Bundesrat entscheiden, ob er ein neues Projekt einer Aufgabenentflechtung für sinnvoll erachte, sagt ein Sprecher.


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