Wenige Jahre nachdem ein nationales Sportobligatorium im Gesetz
verankert worden ist, steht es wieder auf der Kippe. Sportpolitiker befürchten
einen Abbau.
Schulsport unter Druck, NZZaS, 6.8. von René Donzé
Es war ein hartes Ringen damals im Bundeshaus: Die grosse Mehrheit des
Nationalrates wollte den Kantonen vorschreiben, wie viele Lektionen Sport die
Kinder erhalten. Der Ständerat war strikte dagegen und bewegte sich damit auf
einer Linie mit Bundesrat Ueli Maurer (svp.), damals Vorsteher des
Verteidigungs- und Sportdepartements. Erst in der Einigungskonferenz gaben die
Ständeräte nach. Das war 2011. Seither stehen drei Sportlektionen pro Woche in
der obligatorischen Schule im Sportförderungsgesetz.
Nun wird das bereits wieder infrage gestellt. Wie gut unterrichtete
Quellen berichten, will das Finanzdepartement, dem pikanterweise heute Ueli
Maurer vorsteht, auf diese Regelung zurückkommen: Der Vorschlag ist Teil einer
Analyse zur besseren Aufgabentrennung zwischen Bund und Kantonen. Dieser
Bericht wird den kantonalen Regierungen zur Stellungnahme unterbreitet.
Systembruch korrigieren
Darum weiss auch Benedikt Würth (cvp.), Finanzdirektor des Kantons
St.Gallen und Präsident der Konferenz der Kantone, von diesen Ideen und
begrüsst sie: «Die Kantone haben diese Bundesregelung, welche in die kantonale
Schulhoheit eingreift, immer als Fremdkörper und völlig unnötig empfunden.» Es
dürfe nicht sein, dass der Bund Vorschriften mache, deren finanzielle Folgen
allein die Kantone trügen.
Der Sportunterricht in der obligatorischen Schule, den Gymnasien und den
Berufsschulen kostet die Kantone jährlich rund 1,4 Milliarden Franken.
«Inhaltliche und finanzielle Verantwortung müssen zusammengehören», sagt Würth.
«Die geltende Regelung im Sportbereich verstösst krass gegen diesen Grundsatz.»
Unterstützt wird er in seiner Haltung von bürgerlichen
Bildungspolitikern. Christian Wasserfallen (fdp.) kämpfte 2011 mit seiner
Fraktion gegen das Sportobligatorium. «Es ist ein Eingriff in die
Kantonshoheit», sagt er. Dies habe dazu geführt, dass auch in anderen Bereichen
die Lust auf nationale Vorschriften in der Bildung gestiegen sei, etwa bei den
Fremdsprachen. «Damit müssen wir ein für alle Mal aufhören.»
Auch Peter Keller (svp.) ist gegen das Obligatorium. Dabei war es sein
Parteikollege, der ehemalige Eishockey-Nationaltrainer Simon Schenk, der damals
als Nationalrat an vorderster Front dafür gekämpft hatte. «Es gibt eben auch
bei uns eine hohe Affinität zum Sport», sagt Keller. Doch das dürfte keine
Rolle spielen. «Wir müssen diesen Systembruch korrigieren.»
Sport als Sparopfer
Empörung lösen die Ideen bei Matthias Aebischer (sp.) aus, dem
Präsidenten der parlamentarischen Gruppe Sport. «Das wäre meines Erachtens
völlig unsinnig», sagt er. «Es geht hier um die Volksgesundheit und damit um
immense Folgekosten.» Darum brauche es Richtlinien des Bundes. Seine
Parteikollegin Chantal Galladé, die sich für das Gesetz eingesetzt hatte,
befürchtet einen Abbau des Schulsports in einer Zeit, in der die Kantone
Sparpakete schnürten. «Wenn das Sportobligatorium gestrichen wird, dann wird sicherlich
bald auch beim Turnunterricht gespart.»
Aus formellen Gründen für die Beibehaltung der Regelung ist der liberale
Christof Eymann. Zwar sei die Erziehungsdirektorenkonferenz, deren Präsident er
war, damals mit Recht dagegen gewesen. Doch nun hätten sich die Kantone gut
darauf eingestellt. «Es ist nicht angezeigt, jetzt wieder alles rückgängig zu
machen.»
Auch verwaltungsintern regt sich Opposition. So will sich das Bundesamt
für Sport unter Verteidigungsminister Guy Parmelin (svp.) dem Vernehmen nach gegen
diese Änderung aussprechen, weil man einen Abbau des Schulsports befürchtet.
Für Benedikt Würth ist diese Angst hingegen «völlig unbegründet»: «Die Kantone
sind selbstverständlich in der Lage, den gesamten Volksschulbereich, inklusive
Sport, im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft gut zu organisieren und zu
finanzieren.»
Das Finanzdepartement will inhaltlich keine Stellung nehmen. Die
Beurteilung der Aufgabentrennung sei Gegenstand laufender Arbeiten. Der jüngste
Bericht enthalte noch keine Handlungsempfehlungen. Im Herbst 2018 werde der
Bundesrat entscheiden, ob er ein neues Projekt einer Aufgabenentflechtung für
sinnvoll erachte, sagt ein Sprecher.
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