Als am
vergangenen 21. Mai die Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache an der
Primarschule» – leider – Schiffbruch erlitt, und folglich, wie im Lehrplan 21
vorgesehen und dennoch nicht zwischen verschiedenen Kantonen harmonisiert, nun
weiterhin Englisch und Französisch an der Primarschule unterrichtet werden
müssen, haben auch Sie, Frau Bildungsdirektorin, zusammen mit anderen, welche
die Initiative «Lehrplan vors Volk» ablehnen, aufgeatmet und gesagt, sie seien
froh über den klaren Entscheid des Volkes. Sie sind froh darüber, dass Ihre
Vorstellung vom Sprachenlernen im Volk deutlich abgestützt ist.
Votum im Zürcher Kantonsrat zur Debatte um die Volksinitiative "Lehrplan vors Volk", 19.6. von Mathias Hauser
Genau um diese
Abstützung geht es bei dieser Initiative ebenfalls.
Unsere Schule heisst Volksschule
Meine Damen und Herren, unsere Schule bis zur Sekundarstufe 1 im Kanton Zürich
heisst nicht «public school», nicht «öffentliche Schule» oder gar
«Staatsschule» – nein – sie heisst Volksschule.
Nicht, weil es eine Schule für
das Volk ist, denn das wäre eine Staatsschule ja auch. Sondern, weil sie
darüber hinaus eine Schule VOM Volk ist.
Unsere Schulpflegen sind nicht nur
Aufsichtskommissionen, wie in den Mittelschulen zum Beispiel, sondern in
eigenen Gemeinden für viele Belange verantwortlich. Elternmitsprache und
Schülerinnen- und Schülerpartizipation liegen im Trend. Das forderten Sie,
liebe Gegnerinnen und Gegner der Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» im neuen
Volksschulgesetz mit Vehemenz – aber richtige Kompetenzen wollen Sie dem Volk
offenbar nicht geben.
Dabei interessiert sich die Bevölkerung stark dafür, WAS die Kinder in der
Schule lernen. Volksinitiativen der vergangenen zehn Jahre über eine Lektion
Handarbeit in der Mittelstufe, Hauswirtschaftskurse, biblische Geschichte,
Mundart im Kindergarten, Grundstufe und eben die Fremdsprachen an den
Primarschulen beweisen es.
Ob eine Schulgemeinde zum Beispiel jedem Kind ein
iPad anschafft, wird an der Gemeindeversammlung, die ja für das Budget zuständig
ist, nicht nur finanziell diskutiert, viel mehr fliegen pädagogische Argumente.
Und meine Damen und Herren, das ist gut so!
Was wir den Kindern beibringen,
bestimmt die Zukunft
Denn was wir unseren Kindern beibringen, bestimmt unsere
Zukunft! Das Denken der Zukunft, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Zürich
der Zukunft, die Kultur der Zukunft, die Sozialkosten der Zukunft.
Man darf
deshalb das WAS ausgebildet wird, nicht einfach abschliessend an eine
Kommission, nicht einfach an den kleinen Bildungsrat delegieren, nicht einfach
dem Einfluss des Volkes entziehen. Das ist einer Volksschule unwürdig,
widerspricht einer demokratischen Zukunftsgestaltung.
Früher habe ich jeweils
aufgezählt, was beispielsweise im Lehrplan 21 alles öffentlich umstrittene
Themen sind: Die Zyklen statt Stufen, wobei im ersten Zyklus der Kindergarten
mit der Volksschule zusammengenommen wird, obwohl die Züricher Bevölkerung die
Grundstufe schon einmal abgelehnt hatte (jetzt kommt sie durch die Hintertür).
Dann die Zusammenfassung von Geografie und Geschichte zum Fach «Räume, Zeiten
und Gesellschaft», obwohl die historische und die geografische Betrachtung
eines Sachverhaltes später und zu Recht getrennte Studienrichtungen darstellen.
Die politischen Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, der Zeitpunkt und Inhalt
der Sexualerziehung, sie haben diesbezüglich vorhin im Votum von EDU-Kantonsrat
Hans Egli deutlich das Unbehagen gespürt. Oder die Kompetenzorientierung an
sich, vor allem, wie diese praktisch umgesetzt eben doch Haltungen beeinflusst
und in die Methodenfreiheit eingreift. Die Gewichtung der
Informationstechnologie und natürlich die erwähnte Fremdsprachenfrage. Alle
diese Punkte interessieren – darüber werden unter Fachleuten und unter
betroffenen Eltern (also in der Bevölkerung) Kontroversen geführt. Wenn es
viele Meinungen gibt, verlangt dies nach einem demokratischen Entscheid, denn
die Unterdrückung von Meinungen führt niemals zur Identifikation aller mit der
Schule, die doch das Ziel einer Volksschule sein soll. Volksschule sein heisst,
umstrittene Punkte auch der Diskussion aussetzen zu können. Bei einem Veto des
Kantonsrates zu Lehrplanerlassen und der Referendumsfähigkeit dieser Beschlüsse
wäre dies der Fall.
Bildungsträger als Diener des Volkes
Sie können gerne damit
argumentieren, die Initiative habe ihren Zweck schon erfüllt: Die Umsetzung des
Lehrplan 21 in der Lektionentafel erfolgt im Kanton Zürich pragmatisch. Die
Bildungsdirektion hat ihre Möglichkeiten zur Wahrmachung der Befürchtungen
vieler Lehrplangegner nicht ausgeschöpft. Gerade betreffend den ersten Zyklus
(Grundstufe) als auch betreffend Sexualerziehung kommt der Umstieg auf den
Lehrplan 21 moderat daher. Ohne Initiative als Damoklesschwert wäre dies
garantiert anders.
Anders hingegen die PHZH: Die Pädagogische Hochschule
vertritt in Kompetenzzentren und Ausbildungsgängen und Standortbestimmungen in
den Schulhäusern, auch wenn Behörden zugegen sind, eine resolute
Vorwärtshaltung. Kompetenzraster statt Zeugnisse wären gut, sagen die Dozenten.
Gute Lehrperson sind Coach und lassen die Schülerinnen und Schüler schaffen.
Individualisierung, Ausbau der Informatik, moralische Lernziele betreffend
Nachhaltigkeit. Die Hochschule reitet vor.
Bildungsträger, ob Lehrpersonen oder Schulbehörden, sollten
sich aber nicht im Spannungsfeld zwischen Pragmatik der heutigen
Bildungsdirektorin und der vorpreschenden PHZH verorten. Sie sollen wieder
Nutzniesser noch Opfer sein, sondern ganz einfach Diener des Volkes! Und wer
eine Volksschule statt eine Staatsschule will, der muss deshalb der
Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» zustimmen.
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