Ein enttäuschter Vater macht sich Gedanken zum Schulschluss seines Kindes nach drei Jahren Oberstufe.
Bedenkliches Niveau an der Oberstufe, Offener Brief, 7.7.
Ein
sehr erfolgreiches Schulsystem wird kaputt gemacht * Die Namen sind geändert
Sehr geehrte Damen und Herren
Mein jüngstes Kind hat heute die OS (Oberstufe
von Schilda) nach 3 Jahren Sek verlassen. Ich durfte als Vater in den letzten 5
Jahren meine zwei Kinder begleiten und ihre Freuden und Leiden an der Sek
teilen. Anstatt Ihnen zu danken muss ich Ihnen hiermit eindringlich meine ganz
grosse Sorge über unser Schulsystem mitteilen. Mit falscher Lernmethodik, mit
unausgegorenen Experimenten und Endlosreformitis wird ein einst erfolgreiches
Schulsystem an die Wand gefahren. Das resultierende Niveau am Ende der
obligatorischen Schulzeit ist bedenklich und beschämend – nicht nur hier an der
OS, sondern überall in der Schweiz und auch im Ausland, wo dieser
ReformitisSchwachsinn eingeführt wurde, Pisa-bewiesen:
- Die Kinder kommen
trotz 4 Jahren Englisch und 2 Jahren Französisch mit einem sehr schwachen, um
nicht zu sagen: so gut wie mit keinem Fremdsprachen-Rucksack in die Oberstufe.
Das Thema ist hinreichend bekannt und schweizweit sind Initiativen und
Volksabstimmungen im Gang, um den 2-Frühfremdsprachenirrsinn in der Primar
wieder zu beenden. Selbst diverse Lehrerverbände haben nun endlich ihre Meinung
hierzu geändert, leider bald zu spät, und zu viele Bildungspolitiker reiten aus
Angst vor Gesichtsverlust immer noch auf der „Je früher umso besser-Welle“. Die
Oberstufe, statt bei den Fremdsprachen nochmals ganz von vorne zu beginnen und
die fehlenden Grundlagen solide zu erarbeiten, versucht 3 Jahre lang vergebens
auf das sandige Fundament aufzubauen. Selbst in Deutsch fehlen die
elementarsten Grundlagen, um eine Fremdsprache zu lernen. Dazu wird noch weiter
gewurstelt mit falscher Methodik und miserablen Lehrmitteln. Hinzu kommt, dass
bei vielen Schülern die Fremdsprachenmüdigkeit bereits weit fortgeschritten
ist.
- Die mangelnden Deutsch-Grundkenntnisse aus der Primar werden in der
Oberstufe nicht aufgearbeitet. Eine ganze Generation von Schülern verlässt nun
die Volksschule, ohne die eigene Erst- / Mutter- / Landessprache Deutsch zu
beherrschen und wird sich das ganze Leben lang schämen, weil sie wissen, dass
sie sich nur schlecht darin ausdrücken können. Die kürzlich vorgestellten
Projekte haben Klartext gesprochen: ein absolut beschämendes Niveau in Deutsch!
Ich habe selber sechs dieser Vorträge besucht. Die Oberstufe muss dringendst
Deutsch die allerhöchste Priorität geben, das nachholen, was in der Primar
versäumt wurde: Rechtschreibung, Grammatik und auch Stil.
- Statt dass die
Schule Wissens-Grundlagen vermittelt, wird schon seit Jahren dem
KompetenzBlödsinn gefrönt. Der Schulleiter der OS meinte 2016 an einer
Ehemaligen-Veranstaltung: „LP21? – Das ist nichts Neues, das praktizieren wir
schon seit Jahren an der OS.“ Und ja, leider, schon vor ca. 4 Jahren hat ein
Lehrer lauthals seinen Schülern verkündet, dass er keine Hausaufgaben mehr
erteile. Er wurde dann von den Eltern zurückgepfiffen. Leider müssen sich die
Schüler immer öfter die Wissensgrundlagen selbst erarbeiten. Wenn diese falsch
erarbeitet werden – weil sie nämlich niemand kontrolliert – und wenn diese in
viel zu wenig Übungen auch noch falsch angewendet werden (Hausaufgaben wurden
schleichend abgeschafft, Übungen werden nicht korrigiert), wundert es nicht,
wenn an einer Jahresschlussprüfung nichts abrufbar ist.
- Den Eltern und / oder
Privat- / Nachhilfelehrern wird immer mehr die eigentliche Lehrer-Rolle auf die
Stirn gedrückt, insbesondere nun mit LP21, selbstgesteuertem Lernen... und dem
ganzen Reformitis-Unsinn.
- Schüler sind heute nicht in der Lage, selbständig
und richtig Hausaufgaben zu erledigen. Es braucht die permanente Betreuung von
Eltern, sonst läuft‘s schief. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, war es
die Ausnahme, dass Eltern helfen mussten... und die Aufgaben waren früher nicht
weniger anspruchsvoll.
-
X-mal erlebt bei beiden Kindern beim Abfragen des Prüfungsstoffs vor einer
Prüfung, egal in welchem Fach: kaum eine Ahnung vom Stoff / von den Grundlagen,
kaum eine Ahnung, wie diese Grundlage in einer Übung anzuwenden ist. à
Es wird zu wenig geübt, die Schüler werden nicht angehalten, selbständig und
alleine Aufgaben zu lösen, wie das bei den klassischen Hausaufgaben der Fall
war. Alles wird immer in der Schule (und nicht allein) gemacht, und diese
Übungen wurden dann nicht einmal korrigiert. Ich habe unzählige, zwar gemachte
aber unkorrigierte, fehler-strotzende Übungen gesehen am Vortag der Prüfung.
Und so werden die Schüler erst bei der eigentlichen Prüfung gezwungen, den
Stoff anzuwenden, allein und ohne fremde Hilfe, und merken – wenn überhaupt –
erst dann, dass sie die Grundlagen gar nicht oder falsch begriffen haben.
-
Wichtige Fächer wie Physik, Chemie, Geografie, Geschichte, Biologie, die heute
noch eigenständige Studienrichtungen an den Hochschulen sind, werden in den
toll-lautenden Sammelfächern zusammengepackt wie „Räume und Zeiten“, „Mensch
und Umwelt. Da wird breitflächig an der Oberfläche gekratzt und gepaukt ohne in
die Tiefe zu gehen. Fragt man dann mal einen Schüler: „Was ist Geografie oder
Biologie?“, muss man eine dicke Haut haben, um die Antworten zu ertragen.
- Zu
oft wird der geforderte Stoff, der nötig wäre um die geforderten Lernziele zu
erreichen, nur teilweise oder mangelhaft, oft auch mit gravierenden Fehlern
behandelt. In der Prüfung wird dann aber das volle Pensum geprüft, oft auch
Fragen, die nie und nirgends behandelt wurden, keine Rede von Anpassung des
Prüfungsinhalts an den effektiv durchgenommenen Stoff. Reklamieren dann
Schüler, wird – um Elternreklamationen zu verhindern – schnell eine milde
Korrektur versprochen, die dann so aussieht, dass der Schlechteste eine 4, der
Beste eine 5 erhält. Und so wird die Note dann oft ein reines Zufallsergebnis,
mal eine 3, mal eine 5, obwohl der behandelte Stoff und die Übungen für die
Prüfung immer etwa gleich gelernt werden. Diese In-Konstanz der Prüfungsnote
ist völlig frustrierend, nicht nur für den Schüler. Das
LernPrüfungs-Benotungssystem wurde ad absurdum geführt. Um es schön zu
frisieren sind jetzt Vorstösse im Gang, die Noten 1 und 2 abzuschaffen,
unglaublich! Das einzige noch verlässliche System sind die Stellwerk-Prüfungen,
Lehrmeister wissen, worauf sie schauen müssen.
- Bei zu vielen Lehrern herrscht
diese naive Internet-Euphorie: alles übers Internet, Grundlagen ergoogeln,
Hausaufgaben herunterladen (die Lösungen gibt es meist nicht zum Herunterladen,
aber bitte: Wenn schon, dann schon konsequent „selbständig lernen“, und da
gehört auch das Überprüfen-Korrigieren der erarbeiteten Lösung mit der
Musterlösung dazu), Klassen-Chat, Lehrer-Homepage. Es muss sogar im Internet
nachgeschaut werden, wie einfachste Grund-Verben konjugiert werden, da es in
den miserablen Lehrmittel-büchern keine Verbentabellen mehr hat, unglaublich!
Da kann man als Eltern dann lange sagen: „Während dem Hausaufgaben-Lernen
werden der Compi, das Smartphone abgestellt.“ Viele Lehrer erkennen immer noch
nicht, dass viele Schüler in der Handy-Internet-Chat-Youtube-Sucht landen. Die
Volksschule sollte eigentlich Internet und Handy verbieten, alle benötigten
Grundlagen und Übungen zur Erreichung der Lernziele liefern die Schule und der
Lehrer in Buch- / Papierform. Das wird früher oder später wieder kommen,
wetten? Aber zuerst kommt jetzt noch der „selbstgesteuertes Lernen-,
Kompetenzorientierungs-, Selbsterarbeiten der Grundlagen-“Unsinn, juhui!
Ein
paar Negativ-Highlights:
- In 3 Jahren Sek nicht behandelt: Hauptstädte
Europas, Franz. Revolution, Napoleon… Dafür gab’s einen Exkurs „Balkan-Route“,
wo auswendig gepaukt werden musste, wann wie viele Flüchtlinge über welche
Route kamen.
- 2 A4-Seiten auswendig lernen Erfinder und deren Erfindungen,
u.a. Archimedes mit „Flaschenzug, Hebelgesetz usw.“. Was ist ein „Flaschenzug“?
Keine der genannten Erfindungen wurde je einmal erklärt oder beschrieben, nur
Begriffe pauken für die Prüfung, zwei Tage spä- ter alles wieder vergessen.
- Prüfungsthema
in Englisch: synonyms and antonyms. Bei der Durchsicht der Unterlagen zur
Prüfungsvorbereitung muss festgestellt werden, dass es weder Theoriegrundlagen
noch eine einzige Übung zum Thema gibt. Auf die Nachfrage bei der Lehrperson
heisst es dann, dass 6 Medienspiegel 27/2017 Inhalt ↑ Starke Volksschule SG
generell der Wortschatz der Unit gilt, und so sollte ich mir dann als
Elternteil am Vorabend der Prüfung mit dem Sohne Wörter und Verben aus den
Unit-Texten heraussuchen und mit dem „Oxford Advanced“, den ich als ehemaliger
Kantischüler besitze, nicht aber mein Sekschüler, synonyms and antonyms finden.
Dann sollte mein Sohn diese ja auch noch auswendig lernen für den nächsten Tag.
Zur Erinnerung: Das wäre eigentlich Aufgabe der Schule gewesen... Und so hat es
auch die Lehrperson früher noch richtig gelehrt: Während 3 Wochen wurden in den
Schulstunden und teils als Hausaufgabe 2 A4-Seiten Lückenlisten mit synonyms
and antonyms erarbeitet, so dass nach 3 Wochen eine Lerngrundlage zum
Auswendiglernen vorhanden war und diese vor der Prüfung gelernt werden konnte.
So hätte man eine Lern- / Wissensgrundlage – aber das ist heute ja nicht mehr
modern. Ein paar wenige, gute Schüler, die schon Englisch können werden mit
guten Noten belohnt, die andern kriegen nicht einmal eine Lern- /
Wissensgrundlage vermittelt, die sie dann auswendig lernen können, auch wenn
sie noch wollten. Sie kriegen nicht einmal die Chance, etwas zu lernen. Das
heisst dann wohl „Förderung der Besten“, selbst erarbeiten der Grundlagen usw.
- Zum Thema Blut / Blutgruppen darf über die Herbstferien gelernt werden mit
Hilfe einer sehr gut gemachten, ausführlichen, anspruchsvollen und
umfangreichen SRK-Broschüre wie auch von einem in der Schule erarbeiteten
Dossier, das ein Abklatsch / eine Vereinfachung des andern ist, wo aber
wichtige Begriffe / Themen fehlen. Studiert man die Prüfungs-Lernziele, kommt
man zum Schluss, dass das selber gemachte Dossier als Prüfungsvorbereitung
genügt. – Falsch gedacht, es werden die schwierigsten Themen / Fragen gefragt,
die nur in der SRK-Broschüre abgehandelt sind. Und nicht einmal dort werden
alle gestellten Fragen beantwortet. Wie dann das mit der Benotung abläuft?
Siehe oben.
- Warum verbringt eine 3. Sek ihr einwöchiges „Welschland-Lager“ in
der Deutsch-Schweiz? Offizielle Begründung: Der Lehrer könne zu wenig gut
Französisch! Da haut es mir einfach den Nuggi raus! Hallo, was sind Sie für
Vorbilder? Und gleichzeitig verkünden Bildungspolitiker in SG und TG, dass sie
das abgrundtiefe Französisch-Niveau der Schüler retten wollen mit mehr
Sprachaustausch, und das schon in der Primarschule! Die Primarlehrer, die das
mitmachen, müssen erst noch geboren werden. Das System gährt an allen Ecken,
die Glaubwürdigkeit der Volksschule geht den Bach runter.
Wundern Sie sich
nicht, wenn immer mehr Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder in
Privatschulen stecken, die noch nach den altbewährten, erfolgreichen Methoden
unterrichten. Homeschooling wird gerade auch aktiv in den Medien diskutiert und
erhält leider regen Zulauf. Wir werden bald Verhältnisse wie in den USA haben:
miserable öffentliche Schulen mit abgrundtiefem Niveau sowohl der Schüler wie
auch der Lehrer und teure Privatschulen, wo auch die guten Lehrer hinwollen. Wo
wollen Sie in Zukunft Schule geben? Das einstige CH-Erfolgsmodell wird an die
Wand gefahren mit Experimentitis und Endlos-Reformitis, die Pisa-bewiesen einen
massiven Niveau-Abbau mit sich bringen. Die heutige Realität ist alarmierend!
Stehen Sie hin als Lehrer mit Persönlichkeit, Leidenschaft und Charakter, aus
Haut und Knochen und erteilen Sie dieser Endlosreformitis / Experimentitis,
unsäglicher System-Gläubigkeit mit 3000-Kompetenzen-Abhacken, selbstgesteuertem
Lernen, wo jedes Kind ohne Klasse und ohne Lehrer (das sind nun die Eltern) alleine
mit Kopfhörer vor einem Tablett sitzt und sich durch Lernsoftware quält, eine
Abfuhr. Unser höchstes und einziges Gut, die Bildung, ist massiv in Gefahr!
Guten Tag, nutzen Sie Ihre Ferien, um Ihr Schulsystem gründlich zu überdenken
X. Y., ehemaliger Schüler der OS
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