Rund 3500 neue Kindergarten-, Primar- und Sekundarlehrer haben letztes
Jahr ihr Diplom erhalten. Doch nicht alle werden lange vor einer Klasse stehen;
etwa 700 steigen gar nicht in den Beruf ein oder bald wieder aus. Laut
Bildungsbericht 2014 waren 17 Prozent der Absolventen fünf Jahre nach Abschluss
der Ausbildung nicht mehr als Lehrer tätig, der Lehrerverband Schweiz rechnet
mit 20 bis 30 Prozent.
Lehrerverband fordert mehr Unterstützung für Einsteiger, NZZaS, 23.7. von René Donzé
Es verschiedene Gründe dafür, dass Junglehrer dem Schulzimmer den Rücken
kehren: Weiterbildungen, Reisen, Familiengründung können eine Rolle spielen.
«Viele Junglehrer sind aber auch überfordert», sagt Jürg Brühlmann, Leiter der
Pädagogischen Arbeitsstelle des Lehrerverbands. Von einem Tag auf den anderen
tragen sie Verantwortung, müssen sich mit zum Teil schwierigen Schülern
auseinandersetzen und sich in manchmal schwierigen Gesprächen mit älteren und
erfahreneren Eltern durchsetzen. «Hier fehlt es oft an professioneller
Unterstützung», sagt er.
Darum fordert der Lehrerverband nun Massnahmen: Alle Kantone sollten
eine professionelle schulinterne Begleitung der Junglehrer sicherstellen. «Es
genügt nicht, wenn sie von Kollegen im Göttisystem betreut werden», sagt
Brühlmann. Mentoren müssten gut ausgebildet und entschädigt werden. Für die
Junglehrer will der Verband eine Weiterbildungspflicht mit klarer Struktur.
Noch besser wäre statt des Bachelors eine Masterausbildung für Primarlehrer, da
der Beruf immer anspruchsvoller werde. Darin hätte auch eine begleitete
Berufseinführung Platz.
Bern ergreift Massnahmen
Bei den Kantonen stösst der Ruf nach nationalen Standards auf Ablehnung.
«Der Berufseinstieg ist für die Lehrpersonen eine absolut entscheidende Phase»,
sagt zwar der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss (svp.). Aber: «Mit seinen
Forderungen schiesst der Lehrerverband über das Ziel hinaus.» Es brauche weder
Normierungen noch Obligatorien.
Auch die Zürcher Regierungsrätin und Präsidentin der
Erziehungsdirektorenkonferenz, Silvia Steiner (cvp.) betont den Föderalismus:
«Die Frage der Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs ist eine wichtige
Aufgabe der Kantone und ihrer pädagogischen Hochschulen.» In der
Erziehungsdirektorenkonferenz gebe es keine Bestrebungen, den Umfang der
Ausbildung zu erhöhen.
Anders bei den Pädagogischen Hochschulen (PH): Diese diskutieren über
eine Verlängerung des Primarlehrerstudiums und die Einführung des Masters. Auch
der berufsbegleitende Master ist ein Thema. Im Herbst soll ein entsprechendes
Strategiepapier vorgestellt werden: «Die Anforderungen an die Schule nehmen zu,
dem müssen wir Rechnung tragen», sagte Hans-Rudolf Schärer, Präsident der
pädagogischen Kammer des Rektorenverbandes Swissuniversities, im März.
Unabhängig davon ergreifen einzelne Kantone jetzt schon Massnahmen, um
den Lehrerinnen den Berufseinstieg zu erleichtern. So werden im Kanton Bern ab
dem neuen Schuljahr jene Lehrer entlastet, die sich als Mentoren ihrer jungen
Berufskollegen annehmen. Pro Mentorat gibt es eine Gutschrift von drei
Stellenprozenten. «Damit wird die Wichtigkeit dieser Arbeit auch anerkannt»,
sagt Urs Gfeller von der Pädagogischen Hochschule Bern. Die Betreuung dauert
maximal zwei Semester und soll von einer erfahrenen Lehrperson der gleichen
Stufe und im gleichen Schulhaus übernommen werden. Auch der Kanton Zürich setzt
sogenannte Fachbegleiter ein, die entschädigt werden. «Das sind gute
Beispiele», sagt Brühlmann. Andere Kantone behandelten diese Frage indes
stiefmütterlich.
Keine Bevormundung
Grosse Unterschiede gibt es auch betreffend Weiterbildung der Junglehrer
zu Themen wie Elternarbeit, Klassenführung, Beurteilung von Schülern. In Zürich
sind Kurse während der ersten Berufsjahre Pflicht. In Bern sind sie freiwillig.
«Wir wollen die Lehrpersonen nicht bevormunden», sagt Gfeller von der PH Bern.
«Sie müssen selber die Einsicht haben, dass sie sich weiterbilden sollten.»
Bereits im Studium werde die Wichtigkeit des lebenslangen Lernens betont.
Diese Freiwilligkeit genügt nicht, sagt Brühlmann vom Lehrerverband: «Es
braucht einheitliche professionelle Standards.» Nur diese führten zu einer
nationalen Anerkennung der Weiterbildungen. Und nur so könnten auch jene
erreicht werden, die durch die Maschen fallen, weil sie schon beim
Berufseinstieg ausbrennen. «Jede Lehrperson, die aufgibt, ist eine zu viel»,
sagt er.
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