Finanzwissen per Computergame: Die Schulklasse von Celina Picenoni in
Niederurnen erarbeitet es mit Finance Mission Heroes. Das Beispiel soll Schule
machen und den Jungen helfen, Schulden zu vermeiden.
Lauter strahlende Gesichter: Regierungsrat Mühlemann, LCH-Präsident Zemp und Kantonalbank-Präsident Leutenegger, Bild: Fridolin Rast
So geht Schule heute, Südostschweiz, 8.6. von Fridolin Rast
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Sebastian und Lukas von der zweiten Real in Niederurnen wissen Bescheid.
Und sie führen auch gleich ins Computerspiel ein, mit dem sie bei Celina
Picenoni seit ein paar Wochen gelegentlich spielen und lernen. Lukas stattet
mit ein paar Mausklicks seine Finance Mission Heroes aus. Mit
Backofenhandschuhen, Maronipfanne und Besen zum Beispiel kämpfen sie dann gegen
die Roboter, die jede Nacht die Bankkonti der Einwohner ausrauben.
Erlebbares Finanzwissen
Spielerisch lernen sie mithilfe des Games zu überlegen, wie sie ihr Geld
ausgeben. Sie wissen, dass es mit dem Kauf eines Töffli nicht getan ist. Dass
Benzin, Unterhalt, vielleicht sogar Bussen dazukommen.
Als Erster hat gestern gewissermassen der Glarner Oberlehrer das
Computerspiel präsentiert: Bildungsdirektor und Regierungsrat Benjamin
Mühlemann. «Meist spielt man ein Online-Spiel, weil einem das Spielen gefällt»,
sagt er. Die Helden auf Finanzmission hätten den Nebeneffekt, dass sie für den
Umgang mit Geld sensibilisieren und die Finanzkompetenz der Schülerinnen und
Schüler fördern.
Mühlemann betont, dass sein Departement Bildung und Kultur die
Initiative der Schweizerischen Lehrerverbände und des Kantonalbankenverbands
unterstützt. Diese haben zusammen den Verein Finance Mission gegründet, der das
Programm entwickelt und anbietet. Und der garantiert, dass die Partner die
Charta für sauberes Bildungssponsoring einhalten.
Viele haben Schulden
Das Wissen ums Geld ist laut Beat Zemp, Präsident der Deutschschweizer
Lehrer, nötig: «Denn es steht mit der Finanzkompetenz der Jugendlichen nicht
zum Guten. Und das ist etwas peinlich für ein Land, in dem der Finanzsektor
eine so hohe volkswirtschaftliche Bedeutung hat.»
Mehr als jeder vierte 18- bis 24-Jährige lebt in einem Haushalt mit
Zahlungsrückständen. Wenn man Leasing dazurechnet, lebt sogar die Hälfte in
einem verschuldeten Haushalt. Das zeigt eine Studie von Martin Brown, Professor
an der Hochschule St. Gallen und Vorstandsmitglied von Finance Mission. Eine
Schuldenfalle, in der die meisten Betroffenen auch fünf Jahre später noch
gefangen seien.
Doch eben diese Jugendlichen stehen vor schwierigen Finanzentscheiden,
betont Brown: «Und sie haben wenig Wissen.» Auch die Eltern wissen zwar mehr,
wenn sie ein gutes Einkommen und gute Bildung haben, doch wissen die Frauen
weniger als die Männer. Bei den Jungen setzen sich die Unterschiede fort. So,
dass auch bei den Schülern im 7. bis 9. Schuljahr die Hälfte nichts anfangen
kann mit Fragen zu Zinsen und Inflation. Sie – und alle anderen Interessierten
– können nun in der ganzen Schweiz mit dem frei verfügbaren und werbefreien
Spiel lernen.
Lebensnahe Ausbildung
«Die Schülerinnen und Schüler werden das Spiel cool finden, wenn es gut
im Lernplan eingebaut wird», zeigt sich Bildungsdirektor Benjamin Mühlemann
überzeugt. Zwar mache die Schule schon heute sehr viel, doch mit dem neuen
Glarner Lehrplan 21 ab August muss sie ausdrücklich Kompetenzen zu
Existenzsicherung, Konsum, Güterverteilung und Produktion vermitteln. «Und auf
der Basis von eigenen Erfahrungen werden auch Werthaltungen und Zielkonflikte
in der Schule diskutiert.» So, dass sie der Versuchung des «Alles – und sofort»
durch Online-Werbung und -Einkauf sowie Kreditkarte nicht erliegen.
Die Erwartungen in den Lehrplan 21 sind gross. Alles soll er richten. Kann er das überhaupt? Jetzt wollen auch noch Firmen in der Schule missionieren. Die längst fällige Aufwertung der Deutsch- und MINT-Fächer kann nur mit Klassen- oder Frontalunterricht erreicht
AntwortenLöschenwerden. In den „Grundlagen für den Lehrplan 21“ ist jedoch nur noch das
„selbstgesteuerte Lernen“ vorgeschrieben, der Frontalunterricht kommt nicht mehr vor: https://www.lehrplan.ch/sites/default/files/Grundlagenbericht.pdf
Das "selbstgesteuerte Lernen" bedeutet in der Praxis, dass qualifizierte Lehrer und Klassenunterricht abgeschafft werden, weil jedes Kind ab dem 1. Schultag alleine bestimmen soll, wann, wie, was und ob es lernen will. Weil das viel mehr Zeit braucht, werden im LP21 die fachlichen Ziele vermehrt nach hinten, in die nächsten Klassen, verschoben oder ganz aufgegeben. Die LP21 kompatiblen Selbst-Lernbücher sind dünner und enthalten nur noch die Hälfte des bisherigen Stoffs.