Die Walliser Schulgemeinde Stalden geht gegen turtelnde Schüler vor.
Schmusen ist tabu. Die Schule hat
per Hausordnung ein Kussverbot verhängt. Wörtlich heisst es im Reglement: «Auf
dem gesamten Schulareal wird nicht geknutscht.»
Knutschverbot auf dem Pausenplatz, Sonntagszeitung, 18.6. von Nadja Pastega
«Wir haben das auf dieses Schuljahr eingeführt», sagt Schuldirektorin
Christine Wenger. Anlass seien allzu innig verliebte Oberstufenschüler gewesen.
«Wir hatten mehrere Pärchen, die zwischen den Stundenwechseln und auf dem
Pausenplatz ständig geknutscht haben», sagt Wenger. Bei einigen sei es nicht
beim Schmusen geblieben. «Man muss schon fast von Fummeln reden», sagt Wenger.
«Das hat die Lehrer und Mitschüler gestört.»
Mit der Anti-Kuss-Regelung wolle die Schule «ein Zeichen setzen». Bei
einem Verstoss gegen das Knutschverbot droht den Sündern eine Strafaufgabe.
Wenger: «Zum Beispiel eine Stunde nachsitzen oder das Abschreiben der
Hausordnung.»
Auf seine Aufgabe als Mensch und Christ vorbereiten
Stalden ist eine Nachbargemeinde von Visp im deutschsprachigen Teil des
Kantons Wallis. An der Orientierungsschule, wie die Oberstufe hier heisst,
drücken jährlich 60 bis 70 Jugendliche die Schulbank. Sie sind 13- bis 16-jährig.
Zum Schulzentrum Stalden gehört auch ein Kindergarten und eine Primarschule mit
aktuell 87 Schülern. Die Hausordnung gilt für alle Schüler
Die Einführung der Knuddelsperre auf dem Schulgelände habe für keinerlei
Diskussionen gesorgt, heisst es in Stalden. Alle Schüler würden sich daran
halten. Trotzdem stellt sich die Frage: Darf eine Schule das Knutschen
überhaupt verbieten? «Für die Regelung eines Kussverbots braucht es eine
gesetzliche Grundlage, ein öffentliches Interesse und die Einhaltung des
Verhältnismässigkeitsprinzips», sagt Margrit Weber-Scherrer.
Die auf Schulrecht spezialisierte Anwältin hat das kantonale Gesetz über
das öffentliche Unterrichtswesen konsultiert. «Gemäss diesem Gesetz gehört es
im Wallis zu den Aufgaben der Schule, den Schüler auf seine Aufgaben als Mensch
und Christ mittels sittlicher Erziehung vorzubereiten», sagt die Juristin.
Rechtlich sei das Kussverbot daher wohl zulässig. «Für das Schulareal als
öffentlichen Raum dürfte ein Kussverbot nach lokaler Ansicht wohl auch im
öffentlichen Interesse liegen», sagt Weber-Scherrer. «Das grösste Fragezeichen
habe ich bei der Verhältnismässigkeit. Muss Küssen wirklich völlig verboten
werden?»
Krach ums Kruzifix im Schulzimmer
Skeptisch ist auch Allan Guggenbühl. «Ein Verbot ist nur sinnvoll, wenn
sich das Knutschen an einer Schule epidemieartig ausbreitet», sagt der Zürcher
Kinder- und Jugendpsychologe. «Meist machen das aber nur wenige.» In diesen
Fällen, so Guggenbühl, «ist ein Verbot übertrieben».
An der Orientierungsschule Stalden unterrichtete früher auch der
Walliser Lehrer und Freidenker Valentin Abgottspon. Er wurde 2010 fristlos
entlassen, nachdem er das Kruzifix an der Wand seines Schulzimmers abgehängt
hatte. Bis heute liegt er mit der regionalen Schulbehörde im Rechtsstreit um
Lohnnachzahlungen und Genugtuung.
Das Knutschverbot von Stalden habe ihn «nicht sehr überrascht», sagt der
geschasste Pädagoge. Schon früher hätten sich Behörden und einige
Lehrerkollegen «nicht durch allzu viel Offenheit und Fortschrittlichkeit
ausgezeichnet.» Zuneigung dürfe an dieser Schule offenbar nicht gezeigt werden,
sagt Abgottspon. «Aber für Kruzifixe, an denen tote Menschen hängen, gehen sie
bis vors jüngste Gericht.»
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