Lehrer Roger
Fässler fasst sich kurz: Die Bilder von der Berner Matte, die er zeigt, machen
den Schülerinnen und Schülern der ersten Sekundarklasse im Zürcher Schulhaus
Leutschenbach klar, worum es geht: Hochwasser als Folge von Starkregen ist das
Thema der Geografie-Lektion. Eine ungewöhnliche Stunde. TV-Kameras, Fotografen
und Journalisten mit Notizblöcken stehen sich zwischen den Schülerpulten im
Weg.
Zum ersten Mal
wird hier der vollständig neu bearbeitete «Schweizer Weltatlas» im Unterricht
eingesetzt. Und es zeigt sich: Der Atlas ist nicht nur ein dickes, buntes Buch,
sondern auch eine Online-Welt. Eine Gruppe beschäftigt sich mit
Klimadiagrammen, eine andere erarbeitet mit dem Laptop in wenigen Minuten auf
der Grundlage einer «stummen» Schweizer Karte eine Darstellung mit den
Hochwasser führenden Flüssen. Am Schluss geht es um den Unterschied von Wetter
und Klima und um die unterschiedlichen Ursachen von gefährlichen
Naturereignissen.
Der Schweizer Weltatlas liegt in neuer Form vor, Bild: Christoph Ruckstuhl
Eine frische Schweizer Sicht auf die Welt, NZZ, 17.6. von Walter Bernet
|
Das Buch
bleibt Basisprodukt
Generationen
von Schülern haben mit diesem Schweizer Atlas gearbeitet. Er gehört zu jenen
wenigen Lehrmitteln, die auch nach der Schulzeit im Bücherregal stehen bleiben.
Zu den «Imhof-Kindern» zählt sich der Schreibende. Die 1962 erstmals
erschienene, 1981 abgelöste Ausgabe war unter der Leitung von Eduard Imhof
geschaffen worden und hiess noch «Schweizerischer Mittelschulatlas». Das
Lehrmittel gibt es aber seit 1910, und der seit 2009 amtende Lorenz Hurni ist
erst sein vierter Chefredaktor. Er hat die von der
Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) herausgegebene, an der ETH zusammen mit dem
Zürcher Lehrmittelverlag erarbeitete jüngste Ausgabe vorgestellt. Der ganze
Globus ist auf ihrem Cover abgebildet, aber in frechem Schweizer Rot. In der
Univers von Adrian Frutiger aus den fünfziger Jahren ist der Titel gesetzt.
Überarbeitet
wurde der jetzt 256 Seiten starke Atlas mit 430 Karten und Abbildungen, weil
die alte Ausgabe laut einer Nutzerbefragung nicht mehr genügte. Der
Karteninhalt war danach oft zu gedrängt und verschachtelt, zum Teil veraltet,
und nicht immer überzeugte die Reihenfolge. Die interaktive Ausgabe war dem
gedruckten Atlas zu nahe und wurde von den Schülern kaum genutzt. Auch ein
neuer Datenaufbau und ein verbesserter Workflow führten zum Entscheid für eine
Bearbeitung. Basisprodukt ist aber das gedruckte Buch geblieben. Es beginnt mit
26 Seiten und 60 Karten zur Schweiz und führt über Europa in die weite Welt, ja
bis auf den Mond. Das neue Layout überzeugt durch seine Klarheit, man findet
sich schnell zurecht in dem Werk.
Die Website ist
nicht einfach eine digitalisierte Version des Buchs, sondern enthält
Unterrichtsmaterialien, Kartenkommentare und neue interaktive Tools zu
ausgewählten Themen. So kann die «Weltkugel» in ihre reale Kartoffelform
verwandelt oder die Frage nach der richtigen Darstellung der Welt mit
beweglichen Projektionen untersucht werden. Zahlreiche Karten sind ganz neu. So
wurde weltweit die wirtschaftliche Stärke der städtischen Zentren berechnet und
mit Kreisdiagrammen dargestellt. Die Intensität der landwirtschaftlichen
Nutzung, die Rohstoffvorkommen, die globalen Themen Energie, Umwelt,
Naturgefahren, Migration oder Konflikte bieten sich für Erkundungen auf der
ganzen Welt an. Das erlaubt es, im Unterricht auch komplexen ökonomischen,
ökologischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen nachzugehen.
Als Symbol für
die kulturelle Vielfalt der Schweiz pries Bildungsdirektorin Silvia Steiner den
neuen Atlas. Sie sprach auch in ihrer Eigenschaft als EDK-Präsidentin und
Präsidentin der Weltatlas-Geschäftsleitung. Es handle sich um eines der ersten
Geografie-Lehrmittel, die dem Lehrplan 21 entsprächen.
Den Blick
auf Karten schärfen
Der Atlas
erscheint gleichzeitig auf Deutsch, Italienisch und Französisch und ist für den
Gebrauch in Sekundarschulen und Gymnasien konzipiert. Eine Begleitkommission
von Lehrern aus der ganzen Schweiz hat seine Entstehung kritisch begleitet. Er
ist nicht nur auf die Kompetenzen des Lehrplans 21 abgestimmt, sondern auch auf
die Lehrpläne der Romandie und der italienischsprachigen Schweiz. Auch die
Rahmenlehrpläne der EDK für die Gymnasien und die Fachmittelschulen wurden
einbezogen. Schweizer Firmen haben mit Liebe zum Detail die hohen Anforderungen
an die Produktion erfüllt, wie Beat Schaller, Direktor des Lehrmittelverlags
Zürich, sagte.
Zu den
lobenswerten Besonderheiten des jüngsten «Schweizer Weltatlas» gehört ein
spannender, neu konzipierter Einführungsteil, der die Arbeit der Kartografen
und ihre Methoden vorführt, die verschiedenen Kartenprojektionen erläutert, die
Eigenheiten der Kartentypen und der Visualisierungen aufzeigt und schliesslich
in den Umgang mit Karten und in deren Auswertung und kritische Hinterfragung
einführt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen