Jürg Brühlmann, immer wieder gibt es auch von
Lehrpersonen Kritik an der integrativen Schule. Was läuft schief?
Wenn die Anzahl Kinder pro Klasse und die zu unterrichtenden Lektionen
erhöht werden, wenn der Halbklassenunterricht abgebaut wird und gleichzeitig sehr
herausfordernde Kinder integriert werden sollen, sind das irritierende Signale
aus der Politik.
Nachgefragt «Die Lehrpersonen dürfen nicht einfach
alleingelassen werden», Thurgauer Zeitung, 15.5. von Michel Burtscher
Wie steht der Lehrerverband denn
zur integrativen Schule?
Der Auftrag des Gesetzgebers ist
klar, die integrative Schule muss umgesetzt werden. Danach richten wir uns. In
gewissen Regionen funktioniert dieses Schulmodell bereits heute gut, in anderen
gibt es noch grossen Nachholbedarf.
Der Föderalismus ist hier also
ein Nachteil?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt
in der Schweiz viele unterschiedliche Modelle und Ansätze für die integrative
Schule, die interessant sind und oft auch funktionieren. Das Problem ist, dass
diesbezüglich kein Austausch stattfindet zwischen den Gemeinden und Kantonen.
Sie können darum nicht voneinander lernen. Die Informationen müssen in Zukunft
besser geteilt werden.
Welche Folgen hat die integrative
Schule für die Lehrer?
Jeder Einzelfall kann sehr viel
mehr Arbeit verursachen: mit Gesprächen, runden Tischen, in der Klassenführung.
Der Unterricht muss stärker personalisiert und differenziert werden, was den
Aufwand erhöht.
Was braucht es denn, damit dieses
Schulmodell funktioniert?
Die Rahmenbedingungen sind
entscheidend. Wichtig ist, dass genügend Ressourcen vorhanden sind und diese
auch richtig eingesetzt werden. Die Klassen dürfen nicht zu gross sein, und es
braucht genügend Sonderpädagogen, die sich um die Kinder mit einer Behinderung
kümmern. Die Lehrpersonen dürfen nicht einfach alleingelassen werden.
Wie geht es weiter?
Wir sind noch
immer in der Anfangsphase der integrativen Schule. Es wird noch zehn bis
zwanzig Jahre dauern, bis die Lösungen wirklich funktionieren. Es darf nun
einfach keinen Rückschlag geben, indem bei der Bildung abgebaut wird. Nimmt der
Druck auf die Schulen und die Lehrer weiter zu, wird der Integrationsprozess
Schaden nehmen .
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