«Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode
ist», notierte Theodor Fontane resigniert, «kommt keine Klugheit auf.» Als der
preussische Schriftsteller diese Zeilen im 19. Jahrhundert schrieb, gab es
keine schwer bewaffnete Sprachpolizei, keine Gender-Studies-Lehrstühle an den
Universitäten und schon gar keine mit Steuergeldern finanzierte
Gleichstellungsbüros in den kantonalen Verwaltungen.
Überflüssig wie ein Kropf, Basler Zeitung, 13.6. von Roland Stark
Er
konnte sich also nicht vorstellen, dass einmal in einem Kinderbuch von Astrid
Lindgren die «Negerkönige» durch «Südseekönige» oder in den Schoggifabriken die
«Mohrenköpfe» durch «Schaumküsse» ersetzt würden. Auch in der geliebten
«Kleinen Hexe» von Otfried Preussler sind die «Eskimofrauen»,
«Hottentottenhäuptlinge», die «Chinesinnen als Menschenfresser» und die «Türken
mit roten Mützen und weiten Pluderhosen» einer rigorosen Säuberung zum Opfer
gefallen. Nur die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) haben die Zeichen der Zeit noch
nicht begriffen. Unverdrossen machen sie Jagd auf die bösen Schwarzfahrer, ohne
dass die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus bisher interveniert hat.
Und
Sigfried Schibli schreibt in der Besprechung der Händel-Oper im Theater Basel
von «Alcina, einer stolzen Negerkönigin wie aus dem Bilderbuch». Bereits in der
Kritik des Schauspiels «Idomeneus» hatte er, dem Zeitgeist tapfer widerstehend,
an die «zehn kleinen Negerlein» erinnert.
Theodor
Fontanes Fantasie hat sicher auch nicht ausgereicht für die Vorstellung, dass
im Hinblick auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Wittenberg die
vertrauten Texte des Liederbuchs in eine «gerechte Sprache» umgeschrieben
werden mussten. In Matthias Claudias Gedicht «Der Mond ist aufgegangen» gibt es
zwar (noch) keine Möndin, doch «so legt euch denn, ihr Brüder» wurde flugs
umgedichtet in «so legt euch Schwestern, Brüder». Selbstverständlich durfte
auch «Lobet den Herren» nicht stehen bleiben. «Lobet die Ew’ge» heisst nun das
holprige, dafür politisch korrekte Versmass und «O treue Hütrin» anstelle «O
treuer Hüter». Auflage des Machwerks aus dem Atelier eines überdrehten Gutmenschentums:
265 000 Exemplare.
Eine
derartig riesige Leserschaft wird die Medienmitteilung des Basler
Präsidialdepartements mit der Überschrift «Himmelblau und Rosarot: Kinder- und
Jugendbücher ohne Rollenklischees» nicht erreichen. (6. Juni 2017, 9.48 Uhr).
Fast ist man versucht zu sagen, Gott sei Dank.
Das
Gleichstellungsbüro präsentiert eine Sammlung von 55 Büchern, in denen
(angeblich) aussergewöhnliche Geschlechterrollen geschildert werden. «So sind
Mädchen oder junge Frauen in aktiven und verantwortungsvollen Rollen vertreten,
und Jungs und junge Männer werden in atypischen Lebensentwürfen oder von ihrer
emotionalen Seite gezeigt.» Gemeint ist etwa die Abenteuergeschichte eines
Mädchens oder die Geschichte eines Jungen, der sich für Mode interessiert.
Selbstverständlich fehlt auch nicht der jedem einigermassen intelligenten
Erzieher bekannte Hinweis, dass nicht alle Mädchen rosarot lieben und Model
werden möchten und dass nicht alle Jungs Profifussballer oder Pilot als
Berufswunsch angeben.
Mit
den Empfehlungen, behauptet die Abteilung Gleichstellung von Frauen und
Männern, werde auf «ein Bedürfnis und einen Wunsch von Lehrpersonen, Vätern und
Müttern, Grosseltern, Gottis und Göttis» eingegangen.
Bereits
vor mehr als vier Jahren hatten die Gender bewegten Mitarbeiter dieses
dringliche Bedürfnis aufgespürt und umgehend befriedigt. Als Sonderausgabe für
den Kanton Basel-Stadt gaben das Erziehungs- und das Präsidialdepartement
gemeinsam ein Büchlein aus der legendären Pixi-Reihe mit dem Titel «Theatertrubel
im Kindergarten» heraus. Die Hauptrollen spielten darin der Kindergärtner Herr
Grieder und Leyla, die auf jeden Fall Ritterin werden will.
Leider
wurde bis heute mein Anliegen, der Kanton solle doch auch noch eine Fortsetzung
unter der Überschrift «Baschi und die Waschmaschine» oder «Lukas, der
Lokomotivführer» publizieren, nicht erfüllt. Der Spiegelhof jedenfalls liefert
unterdessen spannenden und unterhaltsamen Stoff in Hülle und Fülle, der
problemlos für eine mehrbändige Ausgabe reichen würde.
In
Griffnähe zu dem Computer, auf dem dieser Artikel entsteht, liegen seit wenigen
Tagen auf dem Fussboden mehrere Stapel Bücher. Sie sollen den enormen
Lesehunger meiner Töchter stillen und stammen aus dem Keller- und
Estrich-Fundus ihrer Eltern und Grosseltern. Der Haufen ist noch ungeordnet und
hat die strengen Zollschranken der Political Correctness noch nicht überwunden.
Von
den 55 angepriesenen Büchern des Gleichstellungsbüros findet sich in den
Regalen der Kinderzimmer ein einziges: Die dumme Augustine – der 1972
erschienene Klassiker von Otfried Preussler. Stattdessen Bücher von Enid
Blyton, Federica de Cesco, Michael Ende, Cornelia Funke, Paul Maar, Wolfgang
Ecke, Alfred Hitchcock (???), Astrid Lindgren, Stefan Wolf (TKKG), Erich
Kästner, Lisa Tetzner, Lewis Carrol, Max von der Grün, Wilhelm Busch und Heiri
Strub. Daneben noch Asterix, Tintin, Calvin und Hobbes, Tim und Struppi und
Lucky Luke. Kaum eines dieser bekannten Werke würde den engmaschigen Fangnetzen
der Sprachpolizei entwischen können.
Keineswegs
erfüllt die Literatur das Kriterium der «Geschlechtergerechtigkeit» und baut
natürlich auch nicht auf «dem aktuellen Wissensstand der Geschlechter- und
Gleichstellungsforschung» auf, verwendet auch nicht, wie von den Behörden in
«Geschlecht im Lehrplan» wärmstens empfohlen, «die wissenschaftlich fundierten
Begrifflichkeiten».
Allerdings
trotze ich auch künftig beharrlich dem Zeitgeist. Als Lehrer, Vater und Götti.
Noch so viele Studien, Merkblätter, Broschüren und Erziehungsratgeber werden
es nicht schaffen, Max und Moritz, Obelix, Winnetou, Pippi Langstrumpf, Tina
und Tini, die fünf Freunde oder Perry Clifton aus dem Bücherschrank zu
entfernen.
Damit
meine Kinder «unterschiedliche Geschlechterbilder entdecken können» und die
«Entwicklung der eigenen Persönlichkeit» gestärkt wird, bin ich auf die
Ratschläge des Präsidialdepartements nicht angewiesen. Als Bürger ist es mir
hingegen ein ernstes Anliegen, dass mit meinen Steuergeldern sorgfältig und
haushälterisch umgegangen wird. Im vorliegenden Fall kann davon keine Rede
sein.
Roland
Stark ist früherer SP-Grossrat und -Präsident. Er ist Lehrer, Vater zweier
Töchter und Götti.
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