Gegen
seinen Willen musste der damalige Regierungsrat Hansruedi Striebel (FDP) nach
einer Volksabstimmung die Schulreform umsetzen.
Striebel musste die WBS gegen seinen Willen einführen, Bild: Juri Junkov
"A-Zug war das Ghetto für Fremdsprachige", Schweiz am Wochenende, 24.6. von Benjamin Rosch
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Herr Striebel, wie würden Sie die WBS
beschreiben?
Hansruedi
Striebel: Die WBS ist nie zur vollen Entfaltung gelangt. Kaum wurde sie
geschaffen, erfuhr sie erste Veränderungen. Aus diesen ist sie bis zum Ende
nicht mehr herausgekommen.
Welches waren denn die Hauptprobleme?
Bald
nach der Lancierung führte man zwei Züge ein: Einen A-Zug für die schwächeren
und einen E-Zug für stärkere Schüler. Der A-Zug hat sich schnell zu einem
Ghetto für Fremdsprachige gewandelt. Viele Basler Eltern wollten ihre Kinder
nicht in den A-Zug schicken. Dies hat zu einer Spaltung, nicht nach Wissen und
Können, sondern nach Sprachen geführt. Das war sehr schade. Der Nutzen einer
sprachlichen Durchmischung hat sich kaum eingestellt.
Zur WBS hatten Sie später auch einen
persönlichen Bezug: Ihre Tochter hat dort als Lehrerin unterrichtet. Wie hat
dies Ihre Optik verändert?
Meine
Tochter hat beide Züge unterrichtet. Sie hat ganz unterschiedliche Erfahrungen
gemacht. Sie hatte sehr ruhige Schüler, aber auch schwierige. Manche wollten
sich einfach durchschlagen mit dem Gedanken, es werde schon irgendwann ein Job
auftauchen. Die Idee war aber, dass die WBS die Kinder systematisch auf eine
Lehre vorbereiten sollte, auch auf anspruchsvolle. In vielen Fällen gelang
dies, in anderen nicht. Insbesondere im A-Zug ist dies mehrheitlich schlecht
gelungen. Ich habe meine Tochter immer bewundert, wie sie für die Schüler
geweibelt hat. Sie knüpfte schon während der Schule mit zukünftigen Lehrmeistern
Verbindungen.
Mit der Schulreform ist Basel vorgeprescht.
Was wollte man damit bezwecken? Als ich 1984 mein Amt antrat, lag die
regierungsrätliche Antwort auf einen Anzug vor, der die Einschulung ins
Gymnasium weiter hinausschieben wollte. Damals wurde schon in der vierten
Primarklasse darüber entschieden, wer das Gymnasium, die Real- oder die
Sekundarschule besuchen sollte. Die Regierung hatte darauf aber keine Antwort
gegeben, sondern wollte den Status quo beibehalten. Dann ging dieser Anzug in
die Kommission: Dort hatte die Lehrerschaft die Oberhand. Diese wollte sich an
Bremen und anderen deutschen Städten orientieren. Es war auch viel Stolz dabei.
So entstanden die Orientierungsschule und die WBS.
Wie standen Sie zu diesem Projekt?
Es
geschah gegen meinen Willen. Ich wollte mit der Reorganisation endlich die
Harmonisierung mit den anderen Kantonen erreichen und schlug der Kommission
eine Primarschule von sechs Jahren Dauer vor. Doch dabei fehlte mir die
Rückendeckung – auch von den Mitgliedern meiner Fraktion. Nun kommt die
Harmonisierung doch. Den Umweg von 20 Jahren hätte man sich sparen können.
Auf den Schulhöfen fand eine Trennung
zwischen WBSlern und Gymnasiasten statt. Hat die Schulreform dies gefördert?
Da hat
man wenig darüber nachgedacht. Das schlechte Image der WBS entstand auch durch
den starken Anstieg des Fremdsprachenanteils. Dies geschah in den 90er-Jahren –
damit hatte man nicht gerechnet. Dies hat die soziale Durchmischung, die
Grundidee der Schulreform, verunmöglicht.
Auch die Lehrer am Gym blickten zum Teil auf
die WBS herab.
Wir
brauchten schnell viele Lehrer. Dazu hatte man auch Schnellbleichen in Form von
Weiterbildungen gemacht, was vielen Etablierten nicht passte.
Woran denken Sie, ist die WBS zuletzt
gescheitert?
Am
Schluss hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir harmonisieren müssen.
Jede Reform hat ihre Zeit, damals war der Boden noch nicht genügend geebnet.
Früher war nicht einmal der Schulanfang überall gleich. Man hat zudem nicht
berücksichtigt, dass viele Schüler sprachlich so benachteiligt sind, dass sie
keinen Anschluss finden. Zu meinem Abschied aus der Regierung habe ich ein
Arbeitspapier hinterlassen. In diesem habe ich den Vorschlag thematisiert, dass
man die fremdsprachigen Kinder in den ersten ein bis zwei Jahren ihrer
Schulzeit in ihrer Sprache abholen sollte: Ein Teil des Unterrichts sollte auf
Türkisch, Portugiesisch oder Bosnisch stattfinden. Damit würde ein generelles
Gefühl für die Grammatik, die eigene Sprache und damit die Integration
gefördert. Die komplette Konfrontation mit der deutschen Sprache ist eine hohe
Barriere.
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