Die Zürcher Volksschulen
sind seit Jahren ein Experimentierfeld für Politikerinnen und Politiker jeder Couleur.
Die Linken wollen am liebsten alle ins selbe Klassenzimmer bringen, ob begabt,
lernschwach oder behindert. Konservative Kreise hängen am Religions- und
Hauswirtschaftsunterricht. Die Wirtschaft betont den Wert des
Englischunterrichts und der sogenannten Mint-Fächer, also Mathematik,
Naturwissenschaften und am liebsten einer Programmiersprache. Alles möglichst
früh.
Und als sei
das nicht genug, gibt es noch jene, die aus Gründen des nationalen
Zusammenhalts Französisch fördern möchten – jene, welche die Handarbeit wichtig
finden, und dann noch die Lateinlehrer, die um die humanistische Bildung fürchten. Alles in sich
stimmige und berechtigte Anliegen.
Es braucht Prioritäten, Tages Anzeiger, 13.5. Kommentar von Arthur Rutishauser
Was also müsste man tun?
Prioritäten setzen. Doch was geschieht? Alle werden irgendwie berücksichtigt,
das Resultat ist ein fauler Kompromiss. Besonders augenfällig ist das bei den
Sprachen: Da kam erst die Idee des Frühfranzösischen. Spielerisch sollte es
sein und quasi gratis dazu führen, dass der nationale Zusammenhalt gefördert
werde. Dafür mussten Primarlehrer in die Weiterbildung, mit höchst
unterschiedlichem Resultat und Kosten von 30 Millionen Franken.
Beim
Frühenglisch wiederholte sich die Übung, nur dass diesmal vor allem die
Handarbeitslehrerinnen die Zeche zahlten, weil deren Stundenzahl gekürzt wurde.
Kostenpunkt: 11 Millionen für die Grundausbildung und 8 Millionen für die
Weiterbildung. Inzwischen hat man die Handarbeit wieder eingeführt, Englisch
wird ab der 3. und Französisch ab der 5. Klasse je zwei Stunden die Woche gelehrt.
Geht man davon aus, dass es 800 bis 1000 Stunden braucht, bis man eine Sprache
beherrscht, kann man sich vorstellen, zu welchem Lernerfolg das führt.
Hinzu kommt:
Meist sind alle zusammen im selben Klassenzimmer, ob frisch zugewandert und
eigentlich am Deutschlernen, ob lernzielbefreit, kurz vor der Gymi-Prüfung oder
zweisprachig. Kein Wunder, ist der Lehr- und Lernerfolg mässig bis
katastrophal, vor allem im Französisch, wo vielen, anders als im Englisch, der
Bezug und die Motivation fehlen.
Gerade mal
ein Drittel der Schülerinnen und Schüler erreicht die Lernziele, sagt eine
Studie aus der Innerschweiz, und wer das nicht glaubt, der soll einmal in eine
Klasse sitzen.
Nun wollen
also die Lehrer das Rad wieder zurückdrehen und die zweite Fremdsprache in die
Sekundarschule verschieben. Das scheint nur konsequent. Wenn man in den letzten
zehn Jahren nicht fähig war, die Lehrpläne der Primarschulen so zu entlasten,
dass mit wenigstens vier Wochenstunden pro Sprache ein Lernerfolg für die
Mehrheit der Schüler realistisch erscheint, dann ist der Mehrsprachenunterricht
nicht mehr als eine Farce. Dafür ist die Zeit an den Schulen zu kostbar. Darum
scheint die Idee der Initianten, erst auf Sekundarstufe, dafür intensiver mit
der zweiten Sprache zu beginnen, der viel bessere Weg.
In der
Sekundarschule hat man wenigstens die Möglichkeit, dies in Niveauklassen zu
tun. In der Stadt Zürich ist das heute längst nicht überall der Fall. Oft
werden aus ideologischen Gründen auch auf dieser Stufe alle Niveaus im gleichen
Raum unterrichtet. Damit ist auch gesagt, was als Nächstes kommen sollte: eine
ehrliche Gesamtschau der Schulreformen der letzten Jahre und eine
Auseinandersetzung darüber, wo neben dem Fremdsprachenunterricht noch
Korrekturen nötig wären.
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