22. Mai 2017

Westschweizer Reaktionen zum Zürcher Fremdsprachen-Entscheid

Monika Maire-Hefti ist erleichtert. «Der Entscheid aus Zürich zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt die Neuenburger Staatsrätin, die der Regionalkonferenz der Westschweizer und Tessiner Bildungsdirektoren vorsteht. Es brauche kein Eingreifen des Bundesrates, sondern den Kantonen gelinge es selbst, den Sprachenkompromissumzusetzen. «Es braucht einfach Zeit.» Die Zürcherinnen und Zürcher hätten bewiesen, dass ihnen zwei Fremdsprachen in der Primarschule wichtig seien. «Das Resultat ist ein Bekenntnis zu den Minderheiten und zur Viersprachigkeit der Schweiz.»
"Merci aux Zurichois", NZZ, 22.5. von Andrea Kucera


Frühdeutsch ist unbestritten
Maire-Hefti ist überzeugt, dass das Resultat aus Zürich Signalwirkung entfaltet. «Im Thurgau kommt die Fremdsprachenfrage ja im Juni erneut aufs Tapet.» Das Thurgauer Parlament hat sich Anfang Mai in erster Lesung dafür ausgesprochen, Frühfranzösisch aus dem Lehrplan der Primarschule zu kippen. Die zweite Lesung erfolgt am 14. Juni.
Die Zuckungen der Deutschschweizer Kantone im Sprachenstreit werden in der Westschweiz aufmerksam verfolgt. Im Gegensatz zum Frühfranzösisch ist das Frühdeutsch in den französischsprachigen Kantonen unantastbar. Auch die Westschweizer SVP bekennt sich dazu. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht die Reaktion der Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz in der Podiumsdiskussion des Westschweizer Fernsehens am Abstimmungssonntag. Auf die Frage des Walliser SP-Nationalrates Mathias Reynard, weshalb ausgerechnet eine patriotische Partei wie die SVP mancherorts die Fremdsprache Englisch der Landessprache Französisch vorziehe, sagte Amaudruz: «Das verstehe ich auch nicht.» Reynard ist in der Westschweiz einer der Wortführer in der Sprachendebatte. Für den Oberstufenlehrer ist das Erlernen der Landessprachen ein Bekenntnis zur Willensnation. Entsprechend schrieb Reynard am Sonntag auf Twitter: «Merci aux Zurichois, es lebe die mehrsprachige Schweiz!»

«Nicht alles ist in Ordnung»
Nicht alle Westschweizer Politiker messen dem Frühfranzösisch eine staatspolitische Bedeutung bei wie Maire-Hefti und Reynard. Es gibt auch Stimmen, die Verständnis dafür bekunden, dass ein Thurgauer oder Zürcher Familienvater den Englischunterricht wichtiger findet. Auf Anfrage hält Reynard fest, es sei nötig, dass nun eine Debatte über die Qualität des Fremdsprachenunterrichts geführt werde. «Dass die Initiative abgelehnt wurde, heisst nicht, dass alles in bester Ordnung ist», sagt auch Maire-Hefti. Es brauche bessere Lehrmittel und vor allem mehr Austausch zwischen Schülern und Lehrern aus den verschiedenen Landesteilen. «Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial.»


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